Mehr als 1.500 Euro Strom und Gas in OWL: Hohe Preisunterschiede bringen Versorger in Erklärungsnot

Bielefeld. 650 Prozent – so viel teurer sollte Gas für einen Rentner aus Minden werden. Weil das finanziell für Ortwin Kohring nicht zu stemmen ist, hat er seinen Vertrag gekündigt und ist nun auf der Suche nach einer Alternative. Findet er keinen Anbieter mit einem bezahlbaren Angebot, muss er auf die Grundversorgung zurückgreifen. Doch selbst dafür schwankt der Preis in Ostwestfalen-Lippe gravierend. Einer Auswertung der NRW-Verbraucherzentrale zufolge entscheidet der Wohnort darüber, wie viel für Heizung, Dusche und Herd am Ende des Jahres bezahlt werden muss. Beispiel Gas: Die Verbraucherzentrale hat insgesamt elf Energieversorger in OWL, die die Gas-Grundversorgung sicherstellen, miteinander verglichen. Mit 23,16 Cent pro Kilowattstunde sind die Stadtwerke Porta Westfalica am teuersten. Die Energie- und Wasserversorgung Bünde GmbH gehört zu den günstigsten Anbietern: Mit 8,33 Cent pro Kilowattstunde (bei einem Verbrauch von 2.401 bis 12.000 Kilowattstunden) beziehungsweise 9,52 Cent pro Kilowattstunde (bei einem Verbrauch von 12.001 bis 30.000 Kilowattstunden) berechnen sie den Kunden weniger als die Hälfte. Eine Preisdifferenz zwischen Neu- und Bestandskunden gibt es nicht. Der Unterschied von knapp 13 bis 15 Cent macht sich auf der Gasrechnung deutlich bemerkbar. Ein Single-Haushalt hat einen durchschnittlichen Jahresverbrauch von 5.000 Kilowattstunden. In Porta Westfalica würden demnach 1.158 Euro auf der Gasrechnung stehen, in Bünde wären es rund 417 Euro – also 741 Euro weniger. Auch bei einem Zwei-Personen-Haushalt und einem durchschnittlichen Verbrauch von 12.000 Kilowattstunden ist der Unterschied gravierend. Während in Porta Westfalica rund 2.779 Euro berechnet würden, wären es in Bünde rund 1.000 Euro – also 1.779 Euro weniger. Für eine vierköpfige Familie mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden beträgt der Preisunterschied sogar 2.728 Euro. Würde die Familie in Porta Westfalica wohnen, läge der Preis bei 4.632 Euro, in Bünde wären es 1.904 Euro. Netzentgelte nicht für Gaspreis verantwortlich Doch warum kostet dasselbe Produkt unterschiedlich viel? Claudia Edler vertritt die Stadtwerke Porta Westfalica. Sie möchte keine Stellungnahme dazu abgeben, wie sich der Gaspreis zusammensetzt. Sie betont: "Die Folgen und Ursachen der aktuellen Gas-Diskussion der Regierung stellen uns täglich vor enorme Herausforderungen, auf die es täglich neu zu reagieren gilt." Anke Sundermeier von der Energie- und Wasserversorgung Bünde GmbH äußert sich konkreter: "Die Preise beinhalten neben den Beschaffungskosten unter anderem die Netzentgelte, die Gasbeschaffungs- und Gasspeicherumlage sowie die derzeit gültige Mehrwertsteuer." Wie die Verbraucherzentrale mitteilt, können die Netzentgelte dazu führen, dass Preisunterschiede entstehen. Dabei handelt es sich um die Gebühr, die jeder Netznutzer, der Gas oder Strom durch das Versorgungsnetz leitet, an den Netzbetreiber zahlen muss. Sprich: Die Stadtwerke zahlen eine Art Porto, damit Gas und Strom zu ihren Kunden transportiert werden. In NRW würden die Netzentgelte zwischen 0,86 und 2,26 Cent pro Kilowattstunde betragen. Somit könnte es Preisdifferenzen von bis zu 1,5 Cent pro Kilowattstunde geben – mehr jedoch nicht. Beispiel Strom: Die Verbraucherzentrale hat 14 Energieversorger aus OWL miteinander verglichen. Für die folgenden Beispiele wurden ebenfalls zwei Anbieter ausgewählt, die Neu- und Bestandskunden gleich bepreisen. Mit 44,38 Cent pro Kilowattstunde sind die Stadtwerke Bad Salzuflen mit am teuersten (rund 20 Cent mehr bezahlen Neukunden allerdings in Lübbecke, Rinteln und Versmold). Rund 15 Cent weniger bezahlen Kunden in Halle. Die Technische Werke Osning GmbH berechnet pro Kilowattstunde 28,82 Cent und gehört damit zu den günstigsten Anbietern. Mehrere hundert Euro Mehrkosten je nach Wohnort Der Preisunterschied ist deutlich ersichtlich. Ein Single-Haushalt hat einen durchschnittlichen Jahresverbrauch von 1.500 Kilowattstunden. In Bad Salzuflen würden demnach rund 666 Euro auf der Stromrechnung stehen, in Halle wären es etwa 432 Euro – also 234 Euro weniger. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt und einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 2.100 Kilowattstunden stünden etwa 932 Euro auf der Stromrechnung, in Halle etwa 605 Euro – eine Ersparnis von 327 Euro. Eine vierköpfige Familie im Einfamilienhaus hat einen durchschnittlichen Stromverbrauch von etwa 5.000 Kilowattstunden pro Jahr. Das würde in Bad Salzuflen 2.219 Euro kosten, in Halle 1.441 Euro. Damit beträgt der Preisunterschied 778 Euro. Auf Anfrage erklärt Pressesprecher Johannes Dittmar von den Stadtwerken Bad Salzuflen, was für den Strompreis ausschlaggebend sei. "In jedem Netzgebiet gibt es unterschiedliche Preisbestandteile. So ist es bei uns in Bad Salzuflen so, dass wir relativ hohe Netzentgelte haben, die den Gesamtpreis dadurch erhöhen", sagt er. Laut Verbraucherzentrale schwanken die Entgelte in NRW allerdings zwischen 4,32 und 8,61 Cent – ein Preisunterschied von etwa vier Cent wäre somit erklärbar, jedoch nicht mehr. Ausschlaggebend sei jedoch auch die Beschaffungssituation der Stadtwerke sowie die Strategien der Preisanpassung, führt Dittmar weiter aus. Die Stadtwerke Bad Salzuflen hätten die Preise kurzfristig anpassen können und dies nicht auf den Jahreswechsel aufgeschoben. "In diesen Krisenzeiten kommt es zu sehr kurzfristigen und teilweise sehr volatilen Preisunterschieden, die aber das Bild einer langfristigen verantwortungsvollen attraktiven Preisgestaltung völlig verfälschen", betont Dittmar. Die aktuell hohen Unterschiede könnten somit auch eine Momentaufnahme sein, weil bei einigen Versorgern noch weitere Erhöhungen bevorstehen.

Mehr zum Thema