NRW-Umweltminister Krischer: "OWL hat Potenzial für einen Nationalpark"

Herr Minister, CDU und Grüne wollen einen zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen gründen. Was spricht für Ostwestfalen-Lippe? OLIVER KRISCHER: Es gibt hier Naturräume, die eines Nationalparks würdig sind. Das Potenzial ist hier vorhanden. Es gibt aber auch noch andere Regionen in NRW, in denen sich ein Nationalpark vorstellen lässt. Kennen Sie die Bereiche in der Senne, die als möglicher Nationalpark im Gespräch sind? Natürlich, ich stamme zwar aus der Eifel und habe mir bereits vor 20 Jahren ausgerechnet in der Senne erklären lassen, was ein Nationalpark ist, da es dort damals schon einen Förderverein gab. Inzwischen wird der Nationalpark Eifel bald 20 Jahre alt. Er ist ein absolutes Erfolgsprojekt. Aber das zeigt ja, wie lange es die Diskussion in der Region OWL schon gibt. Da ging und geht es ja nicht nur um die Senne, die ist britischer Truppenübungsplatz. Wie lautet der Zeitplan für einen zweiten Nationalpark in NRW? Es kommt jetzt nicht auf ein paar Wochen an, sondern darauf, dass eine Region sich klarmacht, ob für sie ein Nationalpark eine Möglichkeit ist oder nicht. Wir werden alles, was ein Umweltministerium beisteuern kann, tun. Es ist wichtig, sich jetzt die Zeit zu gönnen. Die klare Botschaft lautet: Das muss auch in einer Region getragen werden. Und wenn es dieses Signal aus der Region gibt? Das werden wir in Ruhe besprechen, wenn wir so weit sind. Es gibt aktuell weder einen konkreten Vorschlag noch eine Kulisse für ganz NRW. Es wird nicht so sein, dass Düsseldorf in eine Region kommt und sagt: Hier soll ein Nationalpark entstehen. So ein Projekt gelingt nur, wenn die Menschen vor Ort das wollen. Für Diskussionen sorgt hier auch die ICE-Trasse zwischen Hannover und Bielefeld. Sie soll im Rahmen des Deutschlandtakts im Bestand überarbeitet oder komplett neugebaut werden, damit sich die Fahrzeit von 46 auf 31 Minuten reduziert. Wie blicken Sie darauf? Das ist eine sehr schwierige Diskussion, in der Region eine neue Trasse zu finden. Es ist aber einfach nötig, dass wir den Deutschlandtakt hinbekommen, damit zum Beispiel Inlandsflüge überflüssig werden. Die Pläne sind im Grundsatz absolut richtig. Ob sich Aufwand und Ertrag am Ende wirklich die Waage halten, auch was den Eingriff in die Landschaft und Konflikte mit Anwohnern angeht, sollte man bei der Bahn sehr genau abwägen. Die Erfahrung zeigt: Wenn man versucht, ein Projekt auf Biegen und Brechen durchzusetzen, ist niemandem geholfen. Schon jetzt liegt der Planungshorizont bei 2040. Es nützt niemandem, wenn das Projekt erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kommt. Wir dürfen keine Planungsfriedhöfe mit jahrzehntelangen Diskussionen produzieren. Sind das eigentliche Problem nicht eher die Bahnhöfe, weil dort für einen schnelleren Takt wie den Deutschlandtakt Gleise fehlen? Wenn eine Neubaustrecke Sinn machen soll, muss die Deutsche Bahn natürlich auch andere Fragen auf der Strecke Köln-Berlin regeln. Es wäre absurd, wenn man hier in Bielefeld durch einen Neubau ein paar Minuten gewinnt, diese aber wieder verliert, weil zum Beispiel in Hamm die Ankopplung nicht funktioniert. Der Deutschlandtakt ist mehr als ein sehr aufwendiger Neubau einzelner Strecken. Es müssen auch viele Knotenpunkte an Bahnhöfen verbessert werden. Wenn das nicht zeitgleich passiert, wird man einer Region sehr schwer erklären können, warum sie Belastungen durch eine Neubaustrecke auf sich nehmen sollte. Sie streiten aktuell mit dem Bund über die Nachfolge des 9- Euro-Tickets. Macht eine mögliche Erhöhung des Ticketpreises von 9 Euro auf 49 oder 69 Euro das Ticket zum Verlierer? Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Die 9 Euro waren eine befristete Entlastungsmaßnahme, haben viele Menschen erstmals in den ÖPNV bewegt. Aber ich kenne niemanden in der Politik, der sagt, dass 9 Euro ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis wäre und langfristig bleiben müsste. Ein dauerhaftes bundesweites Ticket für 49 Euro wäre ein Riesen-Erfolg. Ich bin aber nicht sicher, ob wir das mit dem Bund schaffen. Wird das Ticket einfacher zu buchen sein? Ja, ganz entscheidend auch für den Erfolg des 9-Euro-Ticket war, dass man einfach einsteigen konnte und nicht vor dem Automaten steht und letztlich mit schlechtem Gewissen in den Zug einsteigt, weil man sich fragt, ob man die falsche Karte gezogen hat und somit Schwarzfahrer ist. Das geht selbst mir als Verkehrsminister regelmäßig so. Ist das der Abschied vom Individualverkehr? Nein, absolut nicht. Das Auto wird weiter eine zentrale Rolle bei der Mobilität in Deutschland spielen, vor allem im ländlichen Raum. Ich selber bin seit Jahren begeisterter Elektroauto-Fahrer. Es geht darum, den Menschen im Land mit dem ÖPNV eine echt Alternative zum Auto zu bieten. Sie streiten mit dem Bund über die Finanzierung des dritten Entlastungspakets. Ist die Lage so ernst, dass es ein Aussetzen der Schuldenbremse braucht? Ja, wir haben die Corona-Krise wirtschaftlich gut gestemmt, weil wir da nicht gespart, sondern viel Geld in die Hand genommen haben, um Unternehmen zu stützen. Ich finde es absolut richtig, jetzt, wo die Lage offensichtlich noch dramatischer wird, erneut Geld bereitzustellen. An der Schuldenbremse unverändert festzuhalten, halte ich für einen Fehler. Wie funktioniert die NRW-Koalition von CDU und Grünen nach fast 100 Tagen? Bisher läuft die Arbeit absolut reibungslos. Der Koalitionsvertrag ist aus Grüner Sicht eine sehr gute Grundlage. Wir machen eine erfolgreiche Regierungsarbeit in sehr schwierigen Zeiten.

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