Lieferengpass in Erkältungswelle: Medikamente für Kinder in OWL knapp

Berlin/Gütersloh. Lieferengpässe bei Medikamenten gehören seit Jahren zu den größten Herausforderungen für Apotheker. Das Bundesinstitut für Arzneimittel listet derzeit etwa 260 Mittel auf, die nur bedingt oder gar nicht lieferbar sind. Aktuell sind davon vor allem Medikamente für Kinder betroffen, insbesondere Erkältungsmittel. Das stellt die Betroffenen und Apotheker vor große Herausforderungen, denn derzeit leiden für einen Sommer ungewöhnlich viele Kinder und Erwachsene an Erkältungen oder Covid-19. Mit Lieferengpässen bei Medikamenten haben Apotheker in Westfalen-Lippe jeden Tag zu tun. &bdquo;Das Problem besteht seit langem, doch aktuell sind sehr viele beliebte Arzneimittel betroffen“, erklärt Sven Buttler, Inhaber der Isselhorster Apotheke in Gütersloh. Dazu zählen vor allem frei verkäufliche Nasensprays sowie Säfte mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol für Kinder. &bdquo;Das Pharmaunternehmen Ratiopharm hat sogar schon angekündigt, die Winterbevorratung der Apotheken nicht bedienen zu können.“ Schmerzmittel sind nach Angaben des Apothekerverbands Westfalen-Lippe seit Jahren immer wieder von Lieferengpässen betroffen, unabhängig von den Darreichungsformen. In der Rangliste der Nichtverfügbarkeiten stehen laut Verbandssprecherin Nina Grunsky aber auch Herz-Kreislauf-Medikamente wie Blutdrucksenker sowie Antidepressiva weit oben. &bdquo;In den ersten Monaten dieses Jahres gab es auch bei der Lieferung des Krebsmittels mit dem Wirkstoff Tamoxifen Engpässe.“ Apotheken können Arzneimittel auch selbst herstellen Probleme dieser Art belasten Apotheker jedoch nicht nur in Westfalen-Lippe. Nach Angaben der Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände klagen 85 Prozent der Apotheker in Deutschland über Lieferengpässe. 62 Prozent der Apotheker wenden demnach mehr als zehn Prozent ihrer Arbeitszeit dafür auf, um bei Engpässen mit Ärzten, Großhändlern und Patienten nach Lösungen wie alternativen Medikamenten zu suchen. Selten sind Lieferengpässe nach Angaben Grunskys wirklich bedrohlich, da Patienten in der Regel auf andere Präparate oder Arzneiformen ausweichen können. &bdquo;Bei Erkältungsmitteln für Kinder können anstelle von Säften auch Tabletten oder Zäpfchen Linderung verschaffen. Wir Apotheker beraten dann mit Blick auf die richtige Dosierung für Kinder“, erklärt Buttler. Zudem sei in vielen Apotheken auch die Herstellung eigener Arzneimittel möglich, wenn die Wirkstoffe lieferbar sind. &bdquo;Wie wichtig diese Leistung ist, haben die Apotheken bereits zu Beginn der Corona-Pandemie gezeigt, als Desinfektionsmittel nirgends zu bestellen waren und diese dezentral in den Apotheken produziert worden sind", erklärt Grunsky. Lieferengpässe bei Medikamenten bergen Gefahren Gefahren bergen die Lieferengpässe bei Medikamenten nach Angaben Buttlers trotzdem. &bdquo;Zum einen gibt es nicht für alle Mittel Alternativen, zum anderen sind Patienten, insbesondere im hohen Alter, häufig irritiert, wenn sie neue Mittel erhalten.“ Deshalb bestehe das Risiko, dass betroffene Patienten das ungewohnte Mittel mit einem anderen Arzneimittel verwechseln, zur falschen Zeit, in der falschen Dosierung oder gar nicht einnehmen. Doch warum kommt es immer wieder zu diesen Problemen? &bdquo;Grund für viele Engpässe ist der Kostendruck im Gesundheitswesen, der dazu geführt hat, dass nur noch einige wenige Unternehmen in China, Indien und anderen außereuropäischen Ländern Wirkstoffe und Endprodukte herstellen“, erklärt Buttler. &bdquo;Gibt es Probleme in einem der wenigen Produktionsstandorte, hat das Auswirkungen auf den gesamten Weltmarkt.“ Diese Probleme betreffen mitunter auch Massenprodukte. Bereits 2018 gab es erhebliche Engpässe bei der Auslieferung des Schmerzmittels Ibuprofen. Weil ein BASF-Werk in den USA wegen technischer Probleme über Monate nicht produzieren konnte, kam es zur Knappheit, denn die Fabrik in den USA ist nur eine von sechs Fabriken weltweit, die Ibuprofen herstellen. Wirkstoffhersteller in Asien verkaufen Produkte lieber in andere Länder &bdquo;Problematisch ist auch, dass Wirkstoffhersteller in China oder Indien ihre Produkte lieber an Unternehmen in Ländern verkaufen, die nicht so niedrige Preise haben wie in Deutschland“, erklärt Buttler. Der Apotheker kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Preispolitik der Krankenkassen. &bdquo;Jede Kasse handelt eigene Verträge mit Pharmaunternehmen aus, um möglichst geringe Ausgaben zu haben. All diese Mittel kann jedoch kein Apotheker dauerhaft auf Vorrat haben.“ Als problematisch bezeichnet der Apotheker auch das Kaufverhalten einiger Kunden, die Medikamente hamstern oder Onlinetrends folgen. &bdquo;Das schafft eine künstliche Verknappung von Medikamenten, die dazu führt, dass Menschen, die diese Mittel wirklich brauchen, nicht erhalten“, erklärt Buttler. Aktuell sind beispielsweise Elektrolyt-Mischungen ausverkauft, weil sie seit Monaten im Internet als Anti-Kater-Mittel angepriesen werden. &bdquo;Problematisch war zu Beginn der Corona-Impfkampagne auch die Empfehlung zur Einnahme von Paracetamol gegen mögliche Impfnebenwirkungen.“

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