Pionierarbeit in OWL: Patientenlotsen helfen bald bundesweit

Gütersloh/Berlin. Ein Schlaganfall kommt plötzlich und stellt das Leben auf den Kopf. Allein in Deutschland erleben das jährlich 270.000 Menschen. Während der Akutphase im Krankenhaus und der Versorgung in der Rehaklinik werden Betroffene engmaschig betreut, doch nach der Entlassung stehen sie wieder alleine da. Um diese Versorgungslücke zu schließen, hat die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe in Gütersloh von 2017 bis 2021 das Modell der Schlaganfall-Lotsen in OWL erprobt. Mit großem Erfolg, denn inzwischen wurden 2.000 Betroffene versorgt und die Bundesregierung plant den bundesweiten Einsatz von Patientenlotsen, um die Nachsorge von Patienten mit schweren Krankheiten nach dem Vorbild der Schlaganfall-Lotsen zu revolutionieren. Was das für Patienten bedeutet, zeigt die Beziehung zwischen Schlaganfallpatient Wolfgang Körner und seiner Lotsin Corinna Berger-Niemeyer. Anfang März ändert sich das Leben von Wolfgang Körner auf einen Schlag. Der 79-Jährige aus Werther (Kreis Gütersloh) kann plötzlich nicht mehr sprechen. Da die Sprachausfälle jedoch schnell wieder vergehen, macht sich Körner zunächst keine Sorgen und lehnt eine Einlieferung ins Krankenhaus ab. Körner und seine Frau Heide einigen sich am Abend des 3. März darauf, sich am nächsten Morgen beim Hausarzt zu melden. &bdquo;Doch dazu kam es nicht mehr, weil mein Mann am Morgen des 4. März nicht sprechen konnte“, erklärt Heide Körner, die kurz darauf den Notarzt alarmiert.Fünf Minuten später sind die Rettungskräfte da und bringen Körner mit der Verdachtsdiagnose Schlaganfall ins evangelische Klinikum Bethel. Auf der Stroke Unit bestätigt sich der Verdacht. Aufgrund eines Schlaganfalls leidet Körner an Sprachausfällen, Lähmungserscheinungen, Gleichgewichtsstörungen und kognitiven Einschränkungen. Nach vier Tagen in der Klinik folgt eine dreiwöchige Rehabilitation. Und nicht mal einen Monat nach seinem Schlaganfall lacht Körner trotz noch bestehender Probleme schon wieder herzlich mit seiner Frau Heide und seiner Lotsin Corinna Berger-Niemeyer.Lotsen kommen noch in der Klinik auf Patienten zu Körner und Berger-Niemeyer lernen sich bereits in der Klinik kennen. &bdquo;Ich hatte sofort Vertrauen zu ihr und habe direkt zugestimmt, als sie mir das Angebot gemacht hat, mich als Lotsin zu unterstützen“, sagt Körner. Eine Entscheidung, die er jedem Schlaganfall-Patienten empfiehlt: &bdquo;Sie ist Vertraute, aber auch Profi im Gesundheitswesen. Sie ist immer ansprechbar, kümmert sich und motiviert mich.“ Körner weiß, dass er sich auf seine Lotsin verlassen kann und erfährt durch ihre Unterstützung Sicherheit auf seinem Weg zurück zu alter Stärke. Sein oberstes Ziel: Wieder als Clown Theo auftreten. Seit 15 Jahren unterhält Körner als Clown Kinder und Erwachsene auf Stadtfesten, Geburtstagen und Hochzeiten, aber auch in Pflegeheimen. &bdquo;Theo ist mein zweites Ich.“Als Lotsin muss Berger-Niemeyer ihre Patienten aber immer mal wieder auch bremsen, so wie auch Körner. &bdquo;Patienten müssen nach einem Schlaganfall mehr auf sich achten. Sie müssen trainieren, Therapieempfehlungen umsetzen, sich regelmäßig untersuchen lassen und in Ruhe an ihren Zielen arbeiten, also auch lernen Nein zu sagen.“Lotsen unterstützen auf Wunsch auch Angehörige Ihre Aufgabe als Lotsin durch das Gesundheitssystem umfasst nicht nur die Unterstützung, sondern auch Aufklärung. &bdquo;Um eine Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen und einen erneuten Schlaganfall zu verhindern, müssen die Risikofaktoren dafür reduziert werden. Doch viele sehen Krankheiten wie Diabetes, Angewohnheiten wie Rauchen oder Faktoren wie Stress gar nicht als Risikofaktoren“, erklärt Berger-Niemeyer.Zudem unterstützt sie auf Wunsch auch Angehörige. &bdquo;Die Ebene zwischen Patienten und ihren Angehörigen ist eine andere als zwischen Patienten und mir, weil ich von außen komme.“ Das bestätigt auch Heide Körner: &bdquo;Es kommt schnell zu Missverständnissen und Streit, deshalb ist eine professionelle Einschätzung von außen sehr wichtig.“Patienten berichten von mehr Lebensqualität Ein kleiner Passus im Koalitionsvertrag der Bundesregierung macht nun Hoffnung, dass künftig nicht mehr nur Betroffene in OWL und anderen Modellregionen ein Jahr nach ihrem Schlaganfall von Lotsen in der Nachsorge unterstützt werden, sondern bundesweit alle Patienten nach schweren Erkrankungen. &bdquo;Die neue Bundesregierung will in den kommenden Jahren einen geregelten Weg finden, damit Patientenlotsen in die Regelversorgung überführt werden. Vorbild dafür ist das Erfolgsprojekt der Schlaganfall-Lotsen in OWL“, erklärt Michael Brinkmeier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.Die wissenschaftliche Evaluation des Projekts ist laut Brinkmeier zwar noch nicht abgeschlossen. &bdquo;Doch wir wissen aus Befragungen, dass die Betreuung bei Patienten zu mehr Lebensqualität führt und das Vertrauen in das Gesundheitssystem wächst.“Krankenkassen finanzieren Lotsen auch nach dem Projektende Zudem finanzieren die Krankenkassen in OWL nach Angaben Brinkmeiers die Lotsen auch nach dem Ende des Projekts nahtlos weiter. &bdquo;Das macht uns stolz und bestätigt die Arbeit der Lotsen. Ebenso wie die Aufnahme der Patientenlotsen in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung sowie in den neuen Krankenhausplan der NRW-Landesregierung.“ Die Stiftung und ihre Partner in OWL kämpfen nun dafür, dass das Modell der Patientenlotsen so umgesetzt wird, damit weiterhin die Patientenperspektive im Fokus steht. &bdquo;Es hilft Patienten nicht, wenn auf einmal drei Lotsen für unterschiedliche Themen an ihrem Bett stehen. Es muss einen Lotsen geben, der sich um den Patienten kümmert und zwar in allen Bereichen“, sagt Brinkmeier. Wichtig sei zudem, dass Patientenlotsen regional vernetzt arbeiten. Doch auch, wenn noch viel Arbeit bevorsteht, zeigt sich Brinkmeier optimistisch. &bdquo;In OWL haben alle Beteiligten gezeigt, was möglich ist. Das lässt sich bundesweit umsetzen.“

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