OWL-Landräte: Was tun, wenn das Erdgas knapp wird?

Bielefeld. Die Nachrichten, die die Verbraucherinnen und Verbraucher derzeit fast täglich erreichen, sind wenig erfreulich. In Deutschland hat die Inflationsrate im März die 7-Prozent-Hürde überschritten, im Energiebereich ging die Preisexplosion bis an die 40-Prozent-Grenze. Hauptursache ist der Ukraine-Krieg und die immer noch große Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas. Auch die so stabil aufgestellte und wirtschaftlich prosperierende Region Ostwestfalen-Lippe kann sich dieser krisenhaften Entwicklung nicht entziehen. Das berichten die OWL-Landräte und Bielefelds Oberbürgermeister im Gespräch mit der Nachrichtenredaktion. "Die Krise ist gravierender als die Finanzkrise 2007/2008, weil ein Ende nicht absehbar ist", sagt Höxters Landrat Michael Stickeln (CDU).Einfamilienhaus auf dem Land kostet rund 500.000 Euro Wie groß die Wucht der Last ist, die die Bürgerinnen und Bürger mittlerweile erfasst hat, verdeutlicht Stickeln an einem verblüffendem Beispiel. Mittlerweile sei es so, dass man für den Bau eines Einfamilienhauses selbst im ländlichen Bereich eine Summe von rund 500.000 Euro veranschlagen müsse, so der Landrat.In den Kreis- und Rathäusern merkt man das beschleunigte Tempo der Preisspirale ebenfalls an allen Ecken und Enden. Lieferanten fühlen sich an Ausschreibungen nur noch für kurze Zeiträume gebunden, berichtet Stickeln. Gibt es Sorgen hinsichtlich einer zuverlässigen Energieversorgung? "Die Sorgen habe ich absolut", sagt Herfords Landrat Jürgen Müller (SPD). "Wenn dazu noch Arbeitsplätze verloren gehen sollten, wird es eng." Der Krieg führt zu wirtschaftlichen Verwerfungen Axel Lehmann, Landrat des Kreises Lippe (SPD), unterstreicht: "Der Krieg in der Ukraine führt auch zu wirtschaftlichen Verwerfungen." Die Gesprächsrunde ist sich einig darüber, dass diese dazu führen werden, dass bei den Kommunen Gewerbesteuereinnahmen wegbrechen werden. Das enge dort den Handlungsspielraum für Investitionen oder Sonderausgaben weiter ein.Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD), Vorsitzender des Städtetages Nordrhein-Westfalen, weist darauf hin, dass schon jetzt die Hälfte aller Verbindlichkeiten der Kommunen in ganz Deutschland alleine in NRW bestehen.Plädoyer fürs Weiterlaufen von Atomkraftwerken Paderborns Landrat Christoph Rüther (CDU) plädiert trotz der augenblicklich angespannten Lage dafür, "nicht mehr Szenarien an den Himmel zu zeichnen, sondern Lösungen zu suchen". Sven-Georg Adenauer, Sprecher der OWL-Landrätekonferenz und Landrat im Kreis Gütersloh (CDU), setzt bei der Energieversorgung auf folgenden Weg: "Wir müssen die Atomkraftwerke weiterlaufen lassen." Dieses gelte für jene Anlagen, die derzeit in Deutschland noch in Betrieb seien.Zudem müsse man die Energiewende mit Tempo vorantreiben und die Energieversorgung in Deutschland so umstellen, dass man auf diesem Sektor möglichst autark sei. "Es gibt Umstellungen auf Leichtöl", so Stickeln. Doch die Landräte nehmen aus den Erfahrungen bei der Bewältigung der Corona-Pandemie die Erkenntnis mit, dass die Strukturen in Deutschland in der Lage seien, auch solch kritische Situationen zu meistern. In der föderal strukturierten Bundesrepublik habe man die Pandemie keinesfalls weniger gut gemeistert als im zentral gesteuerten Nachbarland Frankreich, ist Adenauer überzeugt.Hass in sozialen Netzwerken als Gefahr Doch gerade in den Zeiten der Digitalisierung sei es wichtig, den Menschen zu vermitteln, warum eine Gesellschaft Regeln des Zusammenlebens brauche. Adenauer: "Die Verbreitung von Hass in den sozialen Netzwerken ist eine Riesengefahr." Deshalb fordert Müller, den Bereich Bildung künftig deutlich mehr zu stärken. "Respekt vor der Meinung des anderen ist wichtig." Doch mitunter bedeute die Digitalisierung auch die Relativierung von Meinungen, hat Clausen beobachtet. "Die Meinung des anderen wird flüchtiger." Zudem müsse die Demokratie auch im internationalen Geflecht der Länder gestärkt werden, sind sich die Landräte und der OB einig. "Was in der Ukraine geschieht, zeigt, dass wir wehrhaft sein müssen", so Adenauer.Welle der Hilfsbereitschaft bei Menschen in OWL Dies bedeute aber keineswegs die Einführung eines Polizeistaats. Gefragt sei unter anderem ein deutlich stringenteres und schnelleres Handeln der Justiz, wo immer Verstöße gegen demokratische Werte mit Gesetzesrang nachgewiesen werden könnten.Die Welle der Hilfsbereitschaft, die die Menschen in OWL gegenüber den aus der Ukraine geflüchteten Menschen an den Tag lege, zeigt nach Ansicht von Stickeln, dass diese Werte in breiten Teilen der OWL-Bevölkerung fest verankert sind.

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