Corona-Folgen Psychische Probleme: Vielen Studierenden in OWL geht es schlecht

Bielefeld/Paderborn. Alte Menschen und Kinder stehen seit zwei Jahren oftmals im Fokus, wenn es um Gruppen geht, die von der Pandemie besonders stark betroffen sind. Doch auch junge Erwachsene leiden psychosozial heftig unter Corona. Viele von ihnen suchen sich mittlerweile Hilfe bei den Studierendenberatungen. Die können den Ansturm allerdings nicht bewältigen. Außerdem ist das Personal dort für gravierendere Probleme oftmals nicht ausgebildet. Isolation und Einsamkeit bestimmen seit dem Ausbruch der Pandemie im März 2020 das Leben der Studierenden an vielen Universitäten. Besonders in den ersten zwei Semestern gab es vielerorts kaum Möglichkeiten, direkt mit Menschen in Kontakt zu kommen, weder im Hochschulalltag noch privat. Die Folge: Ängste und Depressionen greifen um sich. Ursel Sickendiek leitet die Zentrale Studienberatung an der Uni Bielefeld und kennt die Schicksale. "Diese jungen Menschen saßen und sitzen dann ganz allein in ihren Ein-Zimmer-Appartements, kennen im Fall von Erstsemestern aus anderen Städten noch niemanden und haben als einzigen Kontakt irgendwelche Online-Seminare oder -Vorlesungen. Man muss vermutlich nicht weiter ausführen, wie vereinsamt viele von ihnen waren und sind." "Wenn das Studieren ist, will ich das nicht mehr" Doch auch Verunsicherung in bezug auf das gewählte Studium spielt in diesem Zusammenhang eine wesentlich größere Rolle als vor der Pandemie. "Viele Studierende schaffen es durch die große Distanz nicht, sich richtig mit ihren Fächern zu identifizieren", so Sickendiek. "Die kommen nicht richtig rein, schaffen es oftmals nicht, sich in dem großen Maß, wie es jetzt notwendig geworden ist, aufzuraffen und ihr ganzes Studium und Lernen allein zu organisieren." Auch Prüfungsängste hätten seitdem bei vielen stark zugenommen. "Wir hören oft: Wenn das Studieren ist, will ich das nicht mehr." Gerecht werden können die Mitarbeiter der Studienberatung vielen Hilfesuchenden nicht. "Zum einen haben wir viele Anfragen, so dass sich die Wartezeit mittlerweile auf Monate verlängert hat, bis man überhaupt einen Termin bekommt." Mittlerweile ist es aber auch so, dass Sickendiek und ihr Team ein Drittel bis die Hälfte der Studierenden, die zu ihnen kommen, gern an professionelle Therapeuten vermitteln würden. "Aber die Praxen sind ja auch alle voll, da kommt derzeit niemand unter." An anderen Universitäten zeigt sich das gleiche Bild. Um 30 Prozent ist der Bedarf nach psychosozialer Beratung an der Uni Paderborn seit März 2020 angestiegen. Viele der Themen, mit denen es die Mitarbeiter dort zu tun haben, gab es auch schon vor Corona, einige sind neu oder treten deutlich häufiger auf als vorher, Angst vor Impfung oder Ansteckung beispielsweise. "Die stark beschränkten Kontaktmöglichkeiten wirken sich auch auf das Thema Suchen und Finden von Partnerschaften und auf die Stabilität vorher bestehender Partnerschaften aus", teilt eine Sprecherin mit. "Signifikant öfter finden Beratungsgespräche zu den teils recht problematischen Erfahrungen mit Dating-Plattformen statt."Anmeldestopps an der Uni Osnabrück Insgesamt sei zu erleben, dass die Pandemie sich verstärkend auf vorhandene Unsicherheiten auswirke. "Ängste, Motivationslosigkeit und depressive Verstimmungen können schlechter abgebaut werden und verstärken sich teilweise, die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten werden deutlich häufiger in Frage gestellt." Auch in Paderborn kennt man die langen Wartezeiten für ambulante oder stationäre Psychotherapieplätze. "Wir haben in der psychosozialen Beratung deshalb die wesentlich häufiger notwendigen Überbrückungsmöglichkeiten ausgebaut, zum Beispiel mit frequenzintensiveren Gesprächen und Kriseninterventionen." Auch an der Universität Osnabrück geht es vielen Studierenden schlecht. Allein im vergangenen Jahr wurden hier 3.800 Beratungsgespräche geführt, mehrmals musste die psychosoziale Beratungsstelle einen Anmeldestopp verhängen, da sonst die Wartelisten zu lang geworden wären. "Der Bedarf dürfte 25 Prozent größer gewesen sein, als es die realen Anmeldezahlen widerspiegeln", so Kerime Faris-Lewe, Leiterin der Beratungsstelle.Grundsätzlich sei die Lebenssituation der Studierenden schon immer durch Umbrüche, Instabilität und neue Anforderungen gekennzeichnet, was sie für Überforderung, Stress, Ängste und Selbstwertkrisen anfällig mache. "In der Coronapandemie mit Online-Studium brachen unterstützende Strukturen weg. Mangelnde soziale Kontakte und fehlender Ausgleich führten zu Einsamkeit, mehr Grübeln und Sorgen, Reizbarkeit und steigendem Stress."Grenzen zwischen Studium und Freizeit verwischten, es sei das Gefühl entstanden, nicht genug zu arbeiten und es nicht zu schaffen. Motivationseinbrüche und Frust seien die Folge dessen, dass Sinnhaftigkeit des Studiums und Freude daran nicht mehr spürbar seien. "Zudem ist Studieren eine störanfällige Denkleistung, Grübeln, Sorgen und Einsamkeit stören den Arbeitsprozess in hohem Maße."

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