City-Sprint mit 56.000 D-Mark: Das Ende eines Serienbankräubers

Bielefeld. Es sollte sein größter Coup werden. Sein persönlicher Zahltag nach so vielen kleinen Erfolgen in den vier Jahren zuvor. Der Mann, der bei all seinen Banküberfällen niemals wirklich Gewalt angewendet hat, tritt aus der Sparkasse in der Bielefelder Obernstraße. Mitten in der City am helllichten Tag an diesem 17. Juli 1969.Dreist oder naiv – dieser Werner Meier (Name geändert) trägt die 56.000 D-Mark gestapelt auf einem Zahlbrett unter dem Arm. Für jedermann sichtbar. Dann rennt der 31-jährige Krefelder los, verfolgt von zwei Angestellten der Sparkasse. Er ist schneller als sie, viel schneller. Das Geld hat er in sein Hemd gestopft. Doch dann begeht Werner Meier den entscheidenden Fehler.Er biegt in die schmale Güsenstraße ein. Dort befindet sich eine Baustelle und der Weg daran vorbei ist durch einen Lkw versperrt. Streifenwagen der alarmierten Polizei nähern sich hörbar. Meier versucht, sich am Lkw vorbeizuzwängen, doch dessen Fahrer hat erkannt, was vor sich geht, und öffnet weit die Tür. Der Bankräuber sitzt fest.Niemand ahnt, dass hier ein äußerst erfolgreicher Serientäter sitzt Ohne Widerstand lässt sich Meier von heranstürmenden Polizisten festnehmen. Gewalt ist ohnehin nicht seine Sache. Und zunächst denkt an diesem Nachmittag niemand an einen Serientäter. Geschweige denn an einen der erfolgreichsten Bankräuber Deutschlands gemessen an der Zahl seiner Überfälle. Zu dilettantisch wirkt manches Detail des Überfalls in Bielefeld.Meier präsentiert sich in den Vernehmungen als selbstständiger Versicherungskaufmann. Die Waffe, die man bei ihm findet, ist eine Schreckschusspistole. Die Gaspatronen sind so alt, dass sie vermutlich gar nicht mehr hätten abgefeuert werden können. Bald jedoch merken die Ermittler, dass die Angaben des Mannes nicht passen. Die Versicherungsunternehmen, für die er gearbeitet haben will, kennen ihn nicht. Wovon haben er, seine Frau und die drei Kinder dann gelebt? Die Polizisten haken nach.Nun behauptet der Verdächtige, seine Mutter habe ihm eine monatliche Zuwendung von 800 Mark gewährt. Doch die Frau ist Rentnerin und kann so viel Geld nicht aufbringen. Die Kripo bohrt nach. Und irgendwann in dieser langen Verhörnacht packt der Mann aus. Die Bielefelder können kaum glauben, was sie da hören. Einen Banküberfall nach dem anderen räumt Meier ein.Seit dem Sommer 1965 hat er wieder und wieder zugeschlagen – in der halben Bundesrepublik. Die Tatorte reichen von Osnabrück bis ins Saarland. Auch in OWL ist Meier schon aktiv gewesen – im März 1968 in Bad Oeynhausen. Erbeutet hat er zwischen 1.000 und 28.000 D-Mark. Niemals annähernd so viel wie in Bielefeld. Seine Frau ahnt nichts vom wirklichen Beruf ihres Mannes. Er gaukelt ihr vor, als Versicherungskaufmann Geld zu verdienen. Sie leben sparsam, mal abgesehen von Meiers Hang zu etwas zu kostspieligen Autos. Geht das Geld zu Ende, sucht sich Meier eine Bank, kundschaftet sie in Ruhe aus und schlägt zu. Dabei ist er durchaus in der Lage zu improvisieren. Als in Koblenz der gestohlene Fluchtwagen nicht anspringt, lässt er sich von einem Lkw-Fahrer, der ihn nach dem Weg fragt, zum Bahnhof kutschieren und fährt mit dem Zug nach Hause.Befragt zu seinem Motiv, bleibt Meier vage, spricht von einem gut situierten Bekanntenkreis, in dem er habe mithalten wollen. Erst im späteren Prozess vor dem Landgericht kommt die Wahrheit heraus. Der Räuber schämt sich gegenüber seiner Frau. Die hat bis zur Geburt des ersten Kindes gearbeitet und Geld verdient. Er aber hat keinen richtigen Beruf gelernt. Also spielt er den Versicherungskaufmann, muss aber Geld heranschaffen, um die Täuschung aufrecht zu erhalten. Die Tat in Bielefeld ist sorgfältig geplant Den Bielefelder Coup hat er sorgfältig vorbereitet, will ursprünglich schon Tage früher zuschlagen. Doch da herrscht zu viel Betrieb in der Bank. Am Tattag fährt er dann mit seinem BMW nach Gütersloh und von dort mit der Bahn nach Bielefeld. Hier hat er ein Fahrrad am Bahnhof deponiert. Bei der Flucht kommt es später nicht mehr zum Einsatz. Zu schnell endet sie an der Lkw-Tür.Der Überfall selbst läuft ab wie wohl alle seine Taten: Er betritt als harmlos wirkender Kunde die Bank, zieht die Waffe, bedroht das Personal, verlangt das Geld und flieht. Vor Gericht zeigt sich Werner Meier später reumütig, berichtet, dass er so manchen geplanten Überfall kurzfristig abgebrochen hat, weil er Hemmungen gehabt habe. Oft habe er sich Mut antrinken müssen. Er gesteht nun insgesamt sogar 18 Taten mit insgesamt knapp 290.000 D-Mark Beute – für viele davon hatte die Polizei bislang keine heiße Spur.Mehr noch: Für zwei Überfälle in Bochum und Bergisch Gladbach sind bereits andere &bdquo;schwere Jungs“ zu Unrecht verurteilt worden. Meiers Geständnisse werden zu seinen Gunsten gewertet. Am Ende verhängt Landgerichtsdirektor Brandt eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten – Banküberfall bleibt Banküberfall. Der Staatsanwalt hat zehn Jahre gefordert.Zum Verhängnis wird Meier der eine, der große Coup, den er in Bielefeld vorhatte. Bis dahin hat niemand geahnt, dass er ein &bdquo;Bankräuber-As“ ist, wie die Presse damals schreibt. Kein Ermittler hatte ihn auf dem Schirm. Und seine Chance, dass das so bleibt, standen nicht schlecht. 1970 liegt die Aufklärungsquote bei Banküberfällen in Westdeutschland nur bei 46 Prozent.

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