Omikron trifft Kitas in OWL mit Wucht

Bielefeld. Omikron ist in den Kitas in OWL angekommen. Die Heftigkeit, mit der die neue Variante sich ausbreitet, sorgt allerdings selbst bei Experten für Erstaunen. Eltern und Erzieher hingegen fühlen sich bestätigt. Denn was jetzt passiert, ist in ihren Augen die Folge von lang ausgebliebenen Schutzmaßnahmen. Und es ist eben nicht jeder Verlauf bei den Kindern so harmlos, wie oftmals behauptet. Zwei schlimme Fiebernächte liegen hinter Familie K. (Name von der Redaktion geändert). Ihre dreijährige Tochter hat Corona, hat in einer Nacht so stark fantasiert, dass die Eltern sie am liebsten ins Krankenhaus gefahren hätten. "Sie hatte richtig Fieberwahn mit Angstzuständen", sagt Mutter Carolin. Auch ihre drei anderen Kinder sind positiv getestet. "Aber Mira hat es am schlimmsten erwischt. Nach zwei Tagen kamen noch ein starker Husten und Schnupfen dazu. Dabei ist sie sonst wirklich robust, ganz, ganz selten krank."Doch nicht nur in Miras Familie greift Omikron um sich, auch in ihrer Kita Nestfalken. Sieben Erzieher sind dort erkrankt, alle geboostert, dazu 21 Kinder. Die Kita ist geschlossen. Mittlerweile sind bereits 43 von 210 Bielefelder Kitas betroffen. Neu daran sind nicht die Infektionszahlen. "Die hatten wir in der Höhe schon", sagt Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger. "Aber die Clusterentwicklung, also die Erkrankung ganzer Gruppen, und die hohe Zahl erkrankter Erzieher, die geimpft, die geboostert sind, das gab es so vorher nicht." Zahl der infizierten Erzieher steigt sprunghaft an Die Entwicklungen in Bielefeld zeigen sich in ganz NRW. Lag die Zahl der bekannten Infektionen unter Kita-Kindern im Oktober noch bei 427, stieg sie laut Monitoring des Familienministeriums im November bereits auf 2.565, im Dezember dann auf 3.014. Die aktuellsten Zahlen zeigen: Auch der Januar wird ein neues Rekordhoch bringen, am 17. des Monats liegt die Zahl bereits bei 1.929. Der rasanteste Sprung bei den Erziehern vollzieht sich allerdings gerade erst mit Omikron. Waren im gesamten Dezember 1.798 Beschäftigte infiziert, waren es am 17. Januar bereits 1.444. Elternvertreter und Kitabeschäftigte haben das lange vorausgesagt und immer wieder mehr Schutzmaßnahmen gefordert. "Aber es ist einfach nicht genug passiert", sagt Stefanie Wandelt, Abteilungsleiterin für die Kitas beim Träger die Falken in Bielefeld. "Und jetzt ist der Zug abgefahren. Es gab in dieser Pandemie von Anfang an nicht genug Schutz für Kinder und Erzieher, die dort sind, wo Maßnahmen wie Abstand oder Maske nie eingesetzt werden konnten." Auch beim Jugendamtselternbeirat OWL klingt man eher resigniert als wütend. "Ich glaube, es ist nicht mehr die Frage, ob, sondern wann sich Kinder infizieren", sagt Mitglied Nadine Niewöhner. "Wir können jetzt nur noch hoffen, dass die Infektionen überwiegend harmlos verlaufen." Niewöhners drei Kinder haben sich bereits im Sommer angesteckt. "Und bei einem Kind war das auch alles andere als mild. Von daher bin ich froh, dass wir in Bielefeld jetzt die PCR-Pool-Tests in den Kitas kriegen. Aber klar stellen wir uns auch die Frage: Wären wir bei den Infektionen da, wo wir jetzt sind, wenn wir diese Maßnahmen, wie von uns gefordert, ab Sommer oder spätestens ab dem frühen Herbst gehabt hätten? Und dazu Luftfilter in allen Gruppenräumen?" Trotzdem weiterhin keine Testpflicht Zumal auch die Pool-Tests immer noch nicht verpflichtend sein werden, wie in Schulen. Krisenstabsleiter Nürnberger hätte das gern, darf es aber nicht, weil es die Schutzverordnung nicht hergibt. "Es ist unverständlich, dass das Land hier unterschiedliche Strategien fährt. Wenn wir in den Schulen verpflichtend testen, müssten wir das auch in den Kitas tun." Besonders frustrierend in seinen Augen: "Klar kann man sagen: Wenn wir die Pflicht einführen, leiden darunter die Kinder, die dann nicht mehr geschickt werden. So aber leiden auch Kinder, ob an Infektionen, Quarantäne-Beschränkungen oder wegen geschlossener Einrichtungen. Ich habe einfach kein Verständnis für Eltern, die beim Testen nicht mitziehen." Das Problem ist keins, das man nur in NRW kennt. In Berlin, Bremen und Brandenburg wurde deshalb jüngst die Testpflicht für Kitas beschlossen, in Niedersachsen soll sie Mitte Februar kommen. Kritik an Familienminister Joachim Stamp (FDP), der dieses Vorgehen nach wie vor ablehnt, kommt deshalb von der NRW-SPD. "Immer mehr Länder gehen den Weg einer stärkeren Verbindlichkeit von Testungen", sagt der familienpolitische Sprecher Dennis Maelzer. "Es wird Zeit, dass der Minister in eine parteiübergreifende Debatte einsteigt, wie wir Kitas angesichts der Omikron-Wand besser schützen können. Wir ständen dafür bereit, denn eine hohe Zahl an Neuinfektionen wird aufgrund von Quarantäne-Anordnungen zahlreiche Kitas vom Zugang zu frühkindlicher Bildung ausschließen." Lokale Lockdowns nicht zu vermeiden Auch Thorsten Klute, Vorstandsmitglied der AWO OWL sieht die Aufrechterhaltung des Kita-Betriebs bedroht. "Ich war und bin der Ansicht, dass wir die Kitas offen halten müssen. Angesichts der Welle an Neuinfektionen und der nur eingeschränkten Schutzmöglichkeiten kann es aber lokal und regional zu Schließungen kommen, die faktisch einem vorübergehenden Lockdown ähneln.“ Marcus Heidemann, Vorsitzender der Kinderärzte Westfalen-Lippe, findet es dennoch wichtig, darauf hinzuweisen: "Die überwiegende Anzahl von Kindern, die wir mit Corona in den Praxen sehen, hat einen milden Verlauf." Allerdings verzeichnet auch er derzeit einen rasanten Anstieg, sowohl bei Corona-Patienten, als auch bei Nachfragen nach PCR-Tests. "Die Frage ist, wie sinnvoll es noch ist, dass Kinder den überhaupt als Nachweis zusätzlich machen." Carolin K. kann bei all dem nur den Kopf schütteln. "Am Ende ist es mir gerade egal, ob Kinder meist einen harmlosen Verlauf haben, meine Tochter ist richtig, richtig krank. Die Sorge um meinen Sohn zermürbt mich, der hat eine Vorerkrankung und wir wissen nicht, wie sich die Infektion auswirken wird. Wir rennen seit Tagen hinter PCR-Tests für sechs Menschen her, das kostet wahnsinnig viel Kraft. Und dann erzählt einem das Gesundheitsamt noch, dass mein Mann und ich aber ruhig arbeiten gehen können, bis das Ergebnis des PCR-Tests da ist, weil wir geboostert sind. Das ist doch alles Wahnsinn."

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