Weniger Last für OWL: Windräder sollen fairer im Land verteilt werden

Herr Minister, viele Länder in der EU wollen weiter auf Atomstrom setzen, Deutschland hingegen nicht. Bleibt es dabei? Beim Blick auf die Nutzung der Kernenergie zeigt sich ein differenziertes Bild: Sie stellt Strom relativ CO2-arm bereit und leistet damit einen Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasen. Zu dieser Einschätzung ist auch die EU-Kommission gekommen. Diese Energiegewinnung birgt jedoch erhebliche Risiken im laufenden Betrieb und bei der Entsorgung. Diese Lasten übertragen wir auf die folgenden Generationen. In Deutschland haben wir uns deshalb entschieden, die Nutzung der Kernenergie zu beenden und dabei bleibt es auch. Und wie steht es um den Import von Atomstrom? Wir setzen auf einen gemeinsamen europäischen Energiemarkt. In gewissen Phasen werden wir auch Atomstrom aus Ländern wie Frankreich und Tschechien importieren, um die Stabilität unseres Systems gewährleisten zu können. Wenn auf der anderen Seite Frankreich Strombedarf hat, bezieht es ja auch aktuell schon Strom von uns, zum Beispiel in den harten Wintermonaten. Insofern leistet Atomenergie zur Energieversorgungssicherheit in Europa auch künftig einen nicht unwichtigen Beitrag. Macht sich Deutschland damit nicht unglaubwürdig? Wenn wir als führendes Industrieland und größte europäische Wirtschaft auf Atomstrom aus Europa verzichten wollten, müssten wir unsere eigene gesicherte Leistung durch weiteren Ausbau sauberer Gaskraftwerke deutlich erhöhen, zusätzlich zu den ohnehin schon äußerst ambitionierten Plänen. Da müssen wir uns ehrlich machen. Wird Deutschland auch andere Energieformen aus dem Ausland importieren? Ja, wir müssen langfristig grünen Strom importieren, zum Beispiel Photovoltaikstrom aus Spanien, Portugal, Griechenland und Italien, also dort, wo viel Sonne scheint. Gleiches gilt für Windenergie aus Norwegen, Schweden und Finnland. Wie soll der Strom denn nach Deutschland gelangen? Sofern er nicht idealerweise im europäischen Stromverbundsystem direkt transportiert werden kann, kann der grüne Strom noch vor Ort in Wasserstoff umgewandelt und dann per Pipeline oder zum Beispiel per Schiff in Binnenhäfen wie Duisburg gebracht werden. Vor allem für die Produktionsprozesse in unserer Industrie brauchen wir künftig riesige Mengen an Wasserstoff, wenn wir fossile Träger wie Öl, Kohle und Gas überflüssig machen wollen. Etwa 90 Prozent des Wasserstoffs werden wir nicht selber mit erneuerbaren Energien herstellen können, sondern müssen ihn aus anderen Teilen der Welt sowie aus anderen Bundesländern importieren. Wie konkret sind die Projekte? Deutschland ist seit einer ganzen Weile in konkreten Gesprächen und Verhandlungen mit anderen Ländern. Das mehr als 600 Kilometer lange Seekabel nach Norwegen ist vor einigen Monaten in Betrieb genommen worden. Über Nordlink können wir zum Beispiel Überkapazitäten aus Windkraft nach Norwegen liefern, die dort verbraucht oder in Wasserkraft gespeichert werden kann. Bis Deutschland genug Energie aus Wind und Sonne gewinnen kann, will es auf Gas setzen. Wie viele Gaskraftwerke müssen in NRW entstehen? Notwendig wären fünf bis sieben Gigawatt Leistung, das heißt, wir brauchen zehn bis zwölf zusätzliche Gaskraftwerke, die H2-ready und für die Nutzung von Wasserstoff vorbereitet sind. Am besten dort, wo bereits Kraftwerke stehen, da es dort schon eine Netzstruktur gibt und Arbeitsplätze erhalten bleiben können.Wann wäre das? Wie sieht die zeitliche Perspektive aus? Wenn die Planungs- und Genehmigungsverfahren so bürokratisch und analog bleiben wie heute, dürfte es sechs bis acht Jahre dauern, bis sie stehen. Deshalb begrüßen wir den von der Bundesregierung angekündigten Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung. Wir müssen hier wesentlich schneller werden, damit der beschleunigte Kohleausstieg gelingen kann. In NRW stehen aktuell rund 3.800 Windräder. Die Leistung von sechs Gigawatt soll bis 2030 verdoppelt werden. Wie viele Windräder müssen entstehen? Wir wollen im Durchschnitt pro Jahr 600 Megawatt Leistung netto hinzubauen. Das sind also durchschnittlich 100 bis 120 neue leistungsstarke Windräder pro Jahr in NRW.Die Anlagen dürfen nun auch auf beschädigten Waldflächen entstehen. In welchem Umfang? Aktuell sind rund 110.000 Hektar Wald in NRW vom Borkenkäfer zerstört oder durch Dürre und Stürme schwer geschädigt. Wir können etwa 9.000 Hektar dieser Flächen befristet für Windenergieanlagen nutzen. Gleichzeitig wollen wir dort mit hochwertigem Laubwald aufforsten und so dem Klima doppelt nutzen.Bislang sind Windräder in NRW ungleich verteilt. In OWL und im Münsterland stehen viele; im Rheinland viel weniger. Wird dieser Trend fortgesetzt? Wir müssen den Ausbau auch in der Fläche angemessen verteilen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu sichern und kurze Versorgungswege zu ermöglichen. Aufgrund der bis zu 240 Meter hohen Anlagen können wir heute Windräder auch in Regionen bauen, die zum Beispiel vor zehn Jahren wegen ihrer eher geringen Windhöffigkeit als nicht geeignet angesehen wurden. Dadurch können wir die Anlagen in NRW und bundesweit also künftig so verteilen, dass es nicht zu einer einseitigen Überforderung kommen wird. Wir wollen keine erneute Sondersituation in OWL. Die 1.000-Meter-Abstandsregel von Windrädern zu Wohnhäusern erhöht die Akzeptanz und hilft, Konfliktlagen, so wie in OWL, zu befrieden.Sehen Sie angesichts steigender Energiepreise einen gesellschaftlichen Sprengstoff?Ja, den sehe ich. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns ehrlich machen, dass wir die erneuerbaren Energien und die damit verbundenen Stromnetze sowie die gesicherte Leistung in Form sauberer Gaskraftwerke konsequent ausbauen. Und wir müssen Vorsorge treffen für eine hinreichende Gasversorgung aus möglichst vielen Quellen, dann können wir auch langfristig Einfluss auf die Strompreise nehmen und eine Energiewende umsetzen, die bezahlbar ist.

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