
Düsseldorf/Paderborn. Fünf Monate ist es her, als sich in NRW und Rheinland-Pfalz über Nacht plätschernde Bäche zu Sturzfluten entwickeln und Menschen in den Tod reißen. Zwei Tage nach der Katastrophe, am 16. Juli, wird Maik Menke (E-Mail für Unterstützer: m.menke@menke-abwasser.de) erstmals alarmiert, um in die Gebiete zu reisen. 23 Wochen später ist der Paderborner noch immer vor Ort, um Menschen zu helfen, die in Wohnungen ohne Strom und Heizung ausharren müssen. Uns hat Menke erzählt, was die Menschen am dringendsten brauchen – und wie er versucht, das Erlebte zu verarbeiten.
Wenn er gefragt wird, wie die Lage in den Flutgebieten heute ist, dann wird Menke sauer und laut. Dann passt der Ton zu seinem Aussehen. Der 37-jährige Paderborner wirkt auf den ersten Blick wie der Mann fürs Grobe: Glatze, bullige Statur, Tätowierungen am Hals, Sonnenbrille.
Als Sachverständiger wurde Menke ursprünglich beauftragt, in NRW und Rheinland-Pfalz nach dem Hochwasser hunderttausende Liter Altöl abzusaugen und fachgerecht zu entsorgen – und so einen großen Schaden an der Natur zu verhindern. Doch hinter der Fassade zeigt sich in diesen Tagen auch der nachdenkliche Helfer Menke, der gläubige Katholik, der längst nicht mehr nur der Natur, sondern den Menschen helfen will. "Sie sind ein Engel, auch wenn Sie wahrlich nicht so aussehen", sagte eine Journalistin kürzlich zu ihm.
Viele Bewohner in den stark betroffenen Gebieten entlang der Ahr seien noch immer händeringend auf Unterstützung angewiesen, sagt Menke. Erst vor wenigen Tagen sei er in eine Wohnung in Bad Neuenahr-Ahrweiler gekommen, in der sechs Menschen dicht gedrängt um einen Campingkocher saßen, um sich zu wärmen, da die Gasversorgung nach der Flut noch immer nicht hergestellt sei. Nicht vergessen wird er auch den Moment, als er eine Familie auf dem Balkon sah, die über eine Feuerschale gebeugt war, um sich zu wärmen. Fünf Monate nach der Katastrophe. "Es macht mich sprachlos, dass so etwas in Deutschland möglich ist."
"Die Menschen brauchen jetzt Hilfe"
Allein in der Stadt Sinzig in Rheinland-Pfalz seien derzeit noch immer rund 150 Häuser im Umkreis von 20 Kilometern ohne Heizung und Strom, sagt Menke, der das Problem meist bei den Eigentümern sieht. "Wenn die nichts tun, sind die Mieter auf sich allein gestellt." Dann würden auch Ordnungsgelder gegen die Eigentümer nichts helfen. "Die Menschen brauchen hier und jetzt Hilfe und können nicht auf ein achtwöchiges Genehmigungsverfahren warten", kritisiert Menke die schwerfällige Verwaltungsbürokratie.
Mit den sechs Angestellten seines Unternehmens fährt Menke seit dem Sommer mindestens jedes Wochenende von Paderborn in die rund drei Autostunden entfernten Flutgebiete, um die Betroffenen zu unterstützen. Einige bekämen mobile Heizungen geschenkt, könnten damit aber nichts anfangen, da sie keinen Strom hätten.

"Wir versorgen sie dann mit Stromaggregaten, damit es in den Wohnungen wenigstens 17 Grad werden." Auch Trinkwasser hat der Paderborner im Gepäck. Ganze Familien seien nach wie vor auf Spenden angewiesen. "Die sitzen immer noch in der Kälte und sagen mir, dass sie nicht mehr können." Erschwerend komme hinzu, dass Geräte wie Bautrockner und Kühlschränke regelmäßig von Plünderern entwendet würden. Auch Gaffer jeglichen Alters seien in den ersten Wochen nach der Katastrophe ein großes Problem gewesen.
Laut Menke liegt in einigen Regionen noch immer eine Art Katastrophenfall vor, doch Technisches Hilfswerk, Bundeswehr und DRK seien längst abgezogen. Von der Politik mit ihren oft mühsamen Verwaltungsstrukturen zeigt sich der Paderborner zunehmend enttäuscht. Ohne die vielen privaten Helfer, die schnell und direkt anpackten, bewege sich zu wenig, ist Menke überzeugt.
Jetzt, wo es kalt wird, sei gezielte Hilfe umso wichtiger. Menke rät von Kleiderspenden ab, da es diese meist zur Genüge gäbe. Nützlicher seien zum Beispiel Trocknungsgeräte, Heizlüfter, Stromaggregate und Kabeltrommeln, die er gern annehme, um sie vor Ort zu verteilen. Auch gebrauchte Handys habe er anfangs oft an Betroffene verteilt. "Einige hatten einfach nichts mehr." Menke, der seit Längerem deutschlandweit Medien Frage und Antwort steht und mitunter auch viel Kritik einsteckt, hat sich ein Netzwerk aufgebaut. „Wir können vor Ort vermitteln." Wer helfen will, könne sich gern bei ihm melden.
Leichen-Funde während der Einsätze
Sein aktueller Einsatz in den Flutgebieten sei zur Hälfte freiwillig. Seine Mitarbeiter schliefen nachts auf Campingplätzen oder in Pensionen, die er bezahle, er selber übernachte im Firmensprinter, sagt Menke. Als Feuerwehrmann sei er ausgebildet, mit schlimmen Dingen fertig zu werden, die nicht alltäglich seien.
"Aber das hier kann man in keinster Weise in Worte fassen." Drei Wochen nach der Flut habe er vier Leichen in einem Schrebergarten gefunden. Als er in ein Haus zum Ölabsaugen gerufen wurde, habe er im Schein seiner Taschenlampe plötzlich zwei Füße gesehen, von einem Toten, der hinter der Heizungstür lag. Auch in einer Tiefgarage habe er beim Ölabsaugen eine Leiche vor dem Gittertor gefunden.
Bei der Verarbeitung dieser Bilder helfe ihm sein Glaube an Gott, der ihm Kraft und Hoffnung gebe. Beim Beten komme er zur Ruhe und verdrücke auch mal eine Träne, so Menke. Er pflege engen Kontakt zu Priestern im Erzbistum Paderborn, die einen "klasse Job" machten. "Erste Hilfe an der Seele muss sofort erfolgen und nicht erst nach einem schriftlichen Auftrag."
Eigentlich will Menke seinen Einsatz in den nächsten Tagen beenden. Nach einem knappen halben Jahr seien seine Kraft und finanziellen Möglichkeiten erschöpft. Doch es falle ihm schwer, einfach so loszulassen. "Es sind Menschen vor mir zusammengebrochen. Da kann ich nicht einfach sagen, dass der Auftrag abgearbeitet ist."
Wer spenden will, erreicht Maik Menke per Mail: m.menke@menke-abwasser.de