Das Leben mit einer neuen Lunge - Betroffene berichten

Bad Lippspringe. Es sind bange Tage, an die sich Bettina Bernhard zurückerinnert. Ihre Lunge war so schwach geworden, dass eine Transplantation der einzige Ausweg war. &bdquo;Ich habe eineinviertel Jahre auf der Liste gestanden", berichtet die 60-Jährige aus der Zeit vor dem Eingriff. Ende Juni dann ein Anruf. Eine Lunge steht zur Transplantation bereit, hieß es. Dann der Schock: &bdquo;Das Organ war nicht gut genug. Ein Schlag in die Magengrube." Am 2. September nachts um 2.30 Uhr klingelt das Handy erneut. &bdquo;Sind Sie gesund?", lautet die Frage. Bernhard wusste sofort, was dieser Satz bedeutete. Ein neues Organ stand zur Verfügung. &bdquo;Da war ich am Zittern und habe meine beste Freundin angerufen." "Dort ist man gut aufgehoben" Sofort musste sie sich auf den Weg machen in die Ruhrlandklinik Essen. &bdquo;Dort ist man gut aufgehoben, genauso wie hier." Hier, damit meint Bettina Bernhard die Klinik Martinusquelle in Bad Lippspringe, wo sie seit einigen Wochen zur Nachsorge aufgenommen worden ist. &bdquo;Es ist ein langer Prozess, bis man wieder atmen kann", berichtet die Patientin. Noch genau erinnert sie sich an den Augenblick, in dem sie dies zum ersten Mal nach dem schweren Eingriff tun konnte. &bdquo;Das war wie Weihnachten und Ostern zusammen", sagt die Wermelskirchenerin lächelnd. Der Weg dorthin, berichtet sie, ist mit viel Arbeit verbunden. Der geschwächte Körper müsse sich erst an die neue, leistungsfähige Lunge gewöhnen. &bdquo;Mehr als eine Woche laufe ich nun schon ohne Rollator." Sie wisse mittlerweile sehr gut, was sie sich zutrauen könne. &bdquo;Ich setze mir persönlich Ziele. Zum Beispiel, wann ich wieder zwei Stockwerke die Treppe hinuntergehen möchte." "Die Patienten neigen dazu, sich zu überfordern" &bdquo;Die Patienten neigen dazu, sich zu überfordern. Wir müssen dann sagen: ,Übertreiben Sie es nicht’", sagt Chefarzt Ralf Schipmann, der die medizinische Verantwortung für die Station in der Klinik Martinusquelle trägt, wo die Nachsorge für lungentransplantierte Patienten stattfindet. Mit diesem Angebot ist die Klinik einer von bundesweit lediglich zwei Standorten, die für eine solche Nachsorge zur Verfügung stehen, berichtet Schipmann. Der zweite sei in Berchtesgaden. Am 23. Dezember 2019 habe die Klinik in Bad Lippspringe die erste Patientin aufgenommen. Es war ein Notfall, der aus der MHH-Klinik in Hannover nach Ostwestfalen-Lippe kam. Die Kliniken in Essen und der niedersächsischen Landeshauptstadt sind die beiden großen Kooperationspartner des Reha-Standorts Bad Lippspringe, erläutert Schipmann. Hannover war im Jahr 2020 mit 94 Lungentransplantationen der größte Standort für solche Eingriffe in Deutschland, in Essen fanden 58 solcher Eingriffe statt, so Zahlen von Eurotransplant. Zweitgrößter deutscher Standort für solche Operationen ist München Großhadern mit 88 Transplantationen. Im Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen wurden 2020 acht Patienten eine neue Lunge eingesetzt. "Wir haben eine eigene Station dafür umgebaut" In den Kliniken sei bekannt gewesen, dass in der Klinik Martinusquelle große Erfahrung bei der Behandlung schwer lungenkranker Patienten bestehe, erläutert Schipmann. In normalen Jahren (also ohne Pandemie) würden in dieser Klinik 1.300 bis 1.400 COPD-Patienten betreut, 70 Prozent davon seien schwerer Erkrankte, so der Chefarzt. Das Kürzel COPD steht für &bdquo;chronic obstructive pulmonary disease", auf Deutsch &bdquo;chronisch einengende Bronchitis", die häufig zu einer relativ deutlichen Lungenüberblähung führt und mit Husten, Auswurf sowie Atemnot verbunden ist. Die große Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit Lungenerkrankungen habe die Klinik in Bad Lippspringe in die Lage versetzt, dieses spezielle Nachsorgeangebot sehr kurzfristig anbieten zu können, als der Standort in Bad Fallingbostel dieses Angebot eingestellt habe, berichtet Schipmann. &bdquo;Wir haben eine eigene Station dafür umgebaut", so der Chefarzt. Im März 2020 sei alles fertig gewesen. Die Station bietet insgesamt 15 Betten, darunter sind zwei Doppelzimmer. &bdquo;Das erste Mal sind alle besetzt", so der Chefarzt, der keinen Hehl daraus macht, dass er in Bezug auf die Organspende &bdquo;ein klarer Befürworter der Widerspruchsregel" ist. Das heißt, grundsätzlich jeder Bürger ist Organspender, wenn er diesem Weg nicht persönlich ausdrücklich widersprochen hat. Sie gilt in zahlreichen europäischen Ländern, darunter Österreich, Polen, Portugal und Spanien. "Hier gibt es ein professionelles Programm" Ausschließlich in Deutschland gilt aktuell die sogenannte Entscheidungsregelung. Die Kassen informieren neutral über das Thema &bdquo;Organspende", damit jeder für sich eine Entscheidung hierüber treffen kann, die er dann in einem Organspendeausweis dokumentiert. Jeder Mensch müsse sich einmal in Ruhe hierüber Gedanken machen, appelliert Schipmann. Es sei auch möglich, nur bestimmte Organe für eine Transplantation freizugeben. Doch die Bereitschaft Organe zu spenden, stagniert in Deutschland auf niedrigem Niveau. 9.100 Patientinnen und Patienten warten laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf ein Spenderorgan, die meisten davon auf eine Niere. Im Vorjahr gab es in Deutschland insgesamt jedoch nur 913 Organspenden. Das sind 10,9 pro einer Million Einwohner. In Spanien liegt dieser Wert bei 38. Derweil begegnet Ralf Schipmann beim Rundgang durch die Station dem Patienten Karsten Gadow, selbst Mediziner. Zuletzt war der 58-jährige Düsseldorfer noch mit dem Rollator unterwegs. Jetzt geht er bereits routiniert mit Stöcken. &bdquo;Hier gibt es ein professionelles Programm", sagt Gladow über die Betreuung. Selbst mitmachen muss man allerdings schon. Das Resultat: &bdquo;brennende Oberschenkel", lacht Gadow.

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