1991: Als im Bordell „Casino Royal“ tödliche Schüsse fallen

Blomberg. Schwer bewaffnet und maskiert stürmen zwei Männer in den Bar- und Bordellbetrieb &bdquo;Casino Royal" in Blomberg. Mit Pistolen und einer abgeschnittenen Schrotflinte bedrohen sie das verängstigte Personal und zwei Gäste, sperren die Menschen in einen Raum ein und stecken sich 5.000 Mark Tageseinnahmen in die Taschen. Dann verschwinden die beiden Männer in die junge Nacht, an diesem 21. September 1991. Doch der Raubüberfall ist erst der Anfang. Vor dem Bordell sitzt Gisela D. (alle Namen geändert) im Fluchtauto. Sie ist die Ehefrau von einem der Täter, Frank D., und wartet auf ihre Komplizen. Doch so weit kommen Frank D. und Ivo J. gar nicht, denn sie werden gesehen. Von Erik F., 57 Jahre alt, aus Bad Pyrmont. Vermutlich ein später Gast, der das Bordell besuchen möchte. Er ist zur falschen Zeit am falschen Ort. Erschossen mit einer abgeschnittenen Schrotflinte Ivo J. überlegt nicht lange. Er zielt mit der Schrotflinte, drückt ab und schießt aus nächster Nähe auf Erik F. Der ist nicht sofort tot, schleppt sich noch schwer verletzt bis zum Eingang des Bordells und verblutet dort. Zu dem Zeitpunkt sind die Täter schon auf der Flucht in Richtung Lemgo – in einem alten BMW mit Bielefelder Kennzeichen. Eine Polizeistreife fährt zufällig an dem Bordell in Blomberg vorbei. Die Beamten finden die Leiche von Erik F. und leiten sofort die Fahndung ein. Polizisten aus Blomberg, Barntrup und Lemgo nehmen die Verfolgung auf. Das Täter-Trio kommt nicht weit. An einer Kreuzung in Lemgo kommt es zum Showdown. Wilde Schießerei an Lemgoer Kreuzung mit einem Toten Die Täter müssen während ihrer Flucht an einer roten Ampel halten. Hinter ihnen stoppt die Polizeistreife. Ihnen entgegen kommt ein ziviles Polizeifahrzeug, das sich quer stellt und dem Fluchtwagen den Weg versperrt. Im Auto geht es also nicht mehr weiter. Darum springen Frank D. und Ivo J. aus dem BMW und eröffnen das Feuer auf der Kreuzung in Lemgo. 23 Schüsse werden von Polizisten und Tätern abgegeben, ein Toter liegt am Boden. Ein Polizist wird später sagen, dass er sogar den Luftzug eines Geschosses über seinem Kopf gespürt habe. &bdquo;Plötzlich schaute ich in zwei Gewehrläufe. Ich war so geschockt, dass ich nicht schießen konnte", wird der Beamte zitiert. Frank D. schießt in dieser Nacht zuerst. Mit der Schrotflinte zielt er auf einen Polizisten in der Zivilstreife, trifft ihn aber nicht. Fünf Mal feuern Frank D. und Ivo J. auf die Beamten, wie durch ein Wunder wird keiner von ihnen verletzt. Anders Ivo J.: Einer der 18 Schüsse, die von den Polizisten abgefeuert werden, trifft den Jugoslawen. Ein Querschläger – J. stirbt noch auf der Kreuzung. Lange in Freiheit war er nicht. Erst am 4. September 1991 war er aus der JVA Detmold entlassen worden. Auch Frank und Gisela D. werden von Kugeln getroffen: Er am Arm, sie am Bein. Die Verletzungen sind nicht schwerwiegend und sie können noch in derselben Nacht verhaftet werden. Sie werden in die JVA Brackwede gebracht. Ein paar Tage später wird das Ehepaar angeklagt. Gemeinschaftlicher Mord, versuchter Mord und räuberische Erpressung lautet die Anklage. Prozess mit erhöhtem Sicherheitsaufwand Mehr als ein Jahr später beginnt am 3. Dezember 1992 vor der Großen Strafkammer am Detmolder Landgericht der Mordprozess. Wegen der Schwere der Taten erhöht die Strafkammer den Sicherheitsaufwand: Frank D. wird von SEK-Beamten bewacht, Zuschauer müssen mehrere Überprüfungen durchlaufen. Ein auffälliger Angeklagter sitzt der Staatsanwaltschaft im Gericht gegenüber: Braune Lederjacke, halblange dunkle Haare, Tätowierungen im Gesicht, an Hals und Armen. Und er ist nicht einverstanden mit den &bdquo;unmenschlichen Haftbedingungen" der JVA Brackwede. &bdquo;Deshalb befinde ich mich zusammen mit zehn Mitgefangenen seit 17 Tagen im Hungerstreik", sagt D. Seit mehr als zehn Monaten wird er zu diesem Zeitpunkt wegen Fluchtgefahr in strenger Einzelhaft gehalten. Das Gefängnis und den Gerichtssaal hat Frank D. schon oft von innen gesehen. Er ist mehrfach vorbestraft, saß insgesamt zwölf Jahre im Gefängnis – und das im Alter von 31 Jahren. Diebstahl, räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung. Die Liste ist lang. Im Knast genießt er wegen seiner Brutalität hohes Ansehen, doch draußen ist er ein Nichts, schlussfolgert der Vorsitzende Richter. Ein ungewöhnliches Trio Im Prozess wird klar: Der Raubüberfall auf das Bordell war von langer Hand geplant. Frank D. und Ivo J. haben sich bei einem Gefängnisaufenthalt in der JVA Detmold kennengelernt. Frank D. ist von Ivo J. beeindruckt gewesen. Gisela D. lernte ihren Ehemann im März 1991 kennen und heiratete ihn zwei Monate später. Sie war zuvor noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen – ganz im Gegensatz zu ihrem Mann. Zunächst hatte sie einen positiven Einfluss auf Frank D., doch nach einiger Zeit wurde sie ihm hörig. Das ungewöhnliche Trio hatte sich gefunden. Ein Gutachter attestiert den Eheleuten während des Prozesses einen hohen IQ. Frank D. kommt auf 122 Punkte, Gisela D. auf 127 - beide liegen damit weit über dem Durchschnitt. Sie wollte ursprünglich Kfz-Mechanikerin werden, verdiente ihr Geld dann aber als Prostituierte. Die &bdquo;rosarote Zeit" war mit den Ereignissen des 21. Septembers 1991 schlagartig vorbei. Vor Gericht schweigt das Ehepaar. Würdigt sich keines Blickes, will sich scheiden lassen und wirkt vom Geschehen unbeeindruckt. Frank D., geboren in Köln, hatte eine schwierige Kindheit. Er war schon mit acht Jahren völlig verwahrlost und polizeibekannt. Er sagt von sich selbst, dass er von Beruf ein Verbrecher ist, heißt es in einem Bericht vom 17. Dezember 1992. Harte Strafen Nach vier Verhandlungstagen wird das Urteil gegen das Noch-Ehepaar verkündet. Frank D. hat seinen Hungerstreik mittlerweile abgebrochen. &bdquo;Nehmen Sie ein bisschen Rücksicht auf meine Frau. Für mich ist ja alles gelaufen", sagt er, bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzieht. Er wird zu 14 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Sie bekommt acht Jahre hinter Gittern. Beide hätten keine Reue oder Mitleid mit den Hinterbliebenen gezeigt, begründet das Gericht. Was aus den Verurteilten geworden ist, bleibt offen. Gisela D. hat ihre Haftstrafe bereits 2000 abgesessen, Frank D. 2006. Sein Verteidiger Oliver U. erinnert sich noch an den Mann mit den Tätowierungen im Gesicht: &bdquo;Er wurde in die JVA Celle verlegt. Ich weiß, dass er dort eine Schusterlehre gemacht hat. Er hat mir immer wieder geschrieben, darum habe ich ihn noch aktuell im Kopf". Ob Frank D. noch in Sicherungsverwahrung sitzt, sagt sein Rechtsanwalt nicht. Was bleibt sind Erinnerungen an eine grauenvolle Nacht, bei der niemand etwas gewonnen hat.

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