Nach Laschet-Besuch: Was die Flutopfer so wütend macht

Düsseldorf/Heimerzheim. &bdquo;Versprechen gelten nichts, Herr Laschet! Haben Sie mal eine Woche lang im Schlamm gelebt?" Seinen Besuch im 6.000-Einwohner-Ort Heimerzheim hatte sich Armin Laschet anders vorgestellt. Als sich der NRW-Ministerpräsident kürzlich über die Lage nach dem Hochwasser erkundigen wollte, wurde er von Bewohnern scharf kritisiert. Tage später ist die Stimmung noch immer angespannt, wie Bürger im Gespräch mit dieser Zeitung berichten. Die Landesregierung reagiert. Die Wassermassen Mitte Juli haben große Teile des Ortes zwischen Bonn und Köln zerstört. Zwar hat die Flut einige Häuser verschont, dennoch sind alle Heimerzheimer von den Folgen betroffen. Die Versorgungssituation ist angespannt. Drei Arztpraxen, die Post, zwei Banken, drei Apotheken, eine Schule und zwei Kindergärten liefen voll Wasser. Zwei Bewohner starben. Tobias Leuning hat vor wenigen Tagen den Angehörigen der Verstorbenen kondoliert. Leuning ist Vorsitzender der heimischen SPD; sein Vater Ortsvorsteher. &bdquo;Das ist eine sehr belastende Zeit für uns." Der Heimerzheimer stand nur wenige Meter entfernt, als Laschet den Ort besuchte – und den Ärger der Bewohner aus nächster Nähe abbekam. &bdquo;Sie werden es bei der Wahl merken", sagte ein Bürger zur mitgereisten CDU-Bürgermeisterin der Gemeinde Swisttal. &bdquo;Und Sie leider auch", fügte der Bürger in Richtung von Laschet an. Tobias Leuning hat das nicht überrascht. &bdquo;Ich fand es gut, dass Laschet unseren Ort besucht hat, aber ich wusste, dass er sich warm anziehen muss." Die Menschen fühlten sich mit ihren Sorgen alleingelassen, die Behörden seien nicht präsent genug. Doch das sei noch nicht alles. "Warum wurde der Katastrophenfall beendet?" Leuning bewertet die Lage nach der Flut durchaus differenziert. Retter von Bundeswehr, Polizei und THW seien schnell vor Ort gewesen. Doch nach einigen Tagen, als die letzten Keller leergepumpt waren, hätten sich die professionellen Hilfskräfte zurückgezogen. Dadurch sei in Heimerzheim eine Art Vakuum entstanden – das Gefühl, dass die Bewohner von nun an auf sich allein gestellt seien. Als &bdquo;sehr gefährlich" bezeichnet Leuning diese Stimmung. &bdquo;Warum wurde der Katastrophenfall beendet, wenn hier doch noch nichts funktioniert?" Alexander Sauk erlebt das aktuell gleich in dreifacher Hinsicht. Seine jüngste Tochter soll in wenigen Tagen erstmals in die Kita gehen und sein Sohn eingeschult werden. Doch sowohl Kita als auch Grundschule standen nach der Flut voll Wasser und sind nicht mehr nutzbar. Die Grundschüler sollen nun in das Gebäude der Gesamtschule ausweichen, für die 86 Kindergartenkinder werden Container auf einem freien Feld aufgebaut. &bdquo;Die Kommune hat schnell geholfen, es geht in Trippelschritten voran", lobt der 36-jährige Sauk. Warmes Wasser hat seine Familie noch immer nicht; beide Autos wurden durch die Flut zerstört. Dennoch klingt der Familienvater überraschend zuversichtlich. &bdquo;Meckern nützt ja nichts." Bisheriges Geld des Landes reicht nicht aus So wie Leuning glaubt aber auch Sauk, dass die drei Millionen Euro, die das Land als kommunale Soforthilfe für die Gemeinde Swisttal vorsieht, bei Weitem nicht ausreichen wird. &bdquo;Davon können wir nicht einmal den Müll beseitigen." Bei allem Optimismus äußert der Familienvater auch Kritik. Was die Menschen im Ort umtreibe, sei die Frage, ob genügend für den Hochwasserschutz getan werde. &bdquo;Was unternehmen die Behörden, damit so etwas nicht wieder vorkommen kann?" Vor allem zur nahe gelegenen Steinbachtalsperre, die bei der Flut zu brechen drohte, hätten die Bürger Fragen. &bdquo;Warum stand sie so voll? Hätte man sie nach den ersten Warnungen entwässern müssen?" Politiker Leuning fordert nun maximale Aufklärung. EU-Behörden und Wetterdienste hätten präzise vor dem Starkregen gewarnt. &bdquo;Kam das überhaupt in den Kommunen an? Warum wurden wir nicht gewarnt?", fragt Leuning. Diese Fragen stellten sich die Bewohner nun; sie müssten unbedingt beantwortet werden – notfalls auch durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, so Leuning. Das sei eine zwingende Voraussetzung dafür, um einen weiteren Vertrauensverlust in die staatlichen Institutionen zu verhindern. &bdquo;Es geht darum, Lehren aus der Situation zu ziehen." Land schickt erneut Soldaten in die Gebiete Das Land schätzt die Schäden durch das Hochwasser allein in NRW auf 13 Milliarden Euro. Als einen ersten Schritt hatte es 200 Millionen Euro bereitgestellt. Die Bund-Länder-Runde einigte sich kürzlich zudem auf einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 30 Milliarden Euro. Zusätzlich gab die Landesregierung in dieser Woche bekannt, dass sie 400 Soldaten in die betroffenen Gebiete schicken wird, um bei den weiteren Aufräumarbeiten zu helfen. Das betrachtet Franziska Weigel, die in Heimerzheim wohnt und in einer der Apotheken arbeitet, mit gemischten Gefühlen. Die Hilfe im Ort sei bislang vor allem aus dem privaten Bereich gekommen, erzählt sie. So seien zum Beispiel mehrere Handball- und Fußballmannschaften nach Heimerzheim gereist, um beim Aufräumen zu helfen. Doch jetzt seien vor allem die Behörden gefragt, findet die Apothekerin. &bdquo;Die Stimmung ist noch immer schlecht." In ihrem Privatauto verteilt Weigel aktuell Corona-Impfstoff an umliegende Arztpraxen, da der Firmenwagen nach der Flut nicht mehr nutzbar ist. In der Apotheke stand das Wasser 1,60 Meter hoch. Das Gebäude ist ein Sanierungsfall. Deshalb seien nun vor allem Installateure, Elektriker und weitere Handwerker wichtig. "Ich bin mir nicht sicher, wie sinnvoll es jetzt noch ist, erneut Soldaten zu schicken", sagt Weigel. Auch Weigel beschäftigt die Frage, warum die Bürger nicht vor den Wassermassen gewarnt wurden. Armin Laschet hat sie das bei dessen Besuch aber nicht gefragt. &bdquo;Da hatte ich wahrlich Besseres zu tun."

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