Projekt des Landes Wie junge Frauen in NRW vor Zwangsheiraten geschützt werden können

Düsseldorf/Bielefeld. Auch in NRW kommt es vor, dass junge Frauen mit ihren Familien in den Sommerurlaub fahren und anschließend nicht mehr wiederkehren, weil sie in den Heimatländern der Familien verheiratet wurden, gegen ihren Willen. Für die Betroffenen handelt es sich um eine schier aussichtslose Situation, doch es gibt Hilfe, unter anderem in Bielefeld. Sylvia Krenzel ist Leiterin der Beratungsstelle des Mädchenhauses Bielefeld. Das Angebot gibt es seit 14 Jahren. Seitdem haben sich mehr als 2.200 Ratsuchende gemeldet. Die Fälle seien sehr verschieden, sagt Krenzel, nennt aber ein klassisches Beispiel: Eine 18-jährige Schülerin meldet sich online bei der Beratungsstelle und beschreibt ihre Angst vor einer anstehenden Zwangsheirat, sobald die Familie in den Sommerferien in die Türkei reist. Die junge Frau hatte einen heimlichen Freund, ist aufgeflogen, musste sich von ihm trennen und erfährt seitdem in ihrer Familie großen Druck sowie Beschimpfungen und Bedrohungen. In solchen Situationen greifen Beratungsstellen wie das Mädchenhaus Bielefeld ein. &bdquo;Wir suchen gemeinsam Auswege und entscheiden nie über den Kopf der Betroffenen hinweg", sagt Krenzel. Oft helfe der Kontakt zu Schulsozialarbeitern. Wenn sich die Situation zuspitzt und die Anzeichen einer Zwangsheirat verdichten, kann es auch sein, dass die Beratungsstellen eine Flucht organisieren, eine Anonymisierung und Unterbringung, zum Beispiel in einem Frauenhaus. &bdquo;Oft ist das für Betroffene aber nicht vorstellbar, da sie dann von ihrer Familie verstoßen werden und sich zumeist sehr schuldig fühlen", so Krenzel. Patriarchalische Wertevorstellung Hinter dem Phänomen Zwangsheirat stecke meist eine patriarchalische Wertevorstellung. Das Motto: &bdquo;Ohne Familie bist du nichts." In 90 Prozent der Fälle handele es sich um junge Frauen, oft um die 18 Jahre alt. Die meisten leben in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland und stammen aus Syrien, Marokko, Albanien, dem Irak oder der Türkei. NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach betont, dass Zwangsheiraten strafbar sind. Der Polizei wurden im vergangenen Jahr in NRW offiziell 26 Fälle gemeldet; davor waren es 14. Die Dunkelziffer sei viel höher, so Scharrenbach. Das NRW-Gleichstellungsministerium startet eine Kampagne für Betroffene. In insgesamt 23 Städten werden knapp 1.700 Plakate in Bussen und Bahnen des öffentlichen Personennahverkehrs zu sehen sein. Ebenso ein Kampagnenspot im Fahrgast-TV auf rund 1.000 Monitoren, so das Ministerium. In knapp 2.000 Schulen werden Flyer mit Hilfsangeboten verteilt. Die zwei Beratungsstellen in NRW verzeichnen insgesamt pro Jahr rund 200 Fälle von Zwangsheirat. Zwei Drittel der Hilfesuchenden melde sich über einen Zweitkontakt, zum Beispiel einem Schulsozialarbeiter. Schule sei ein wichtiger Schutzfaktor, da oft Mitschülern oder Lehrern auffallen würde, dass mit den Betroffenen etwas nicht stimme. Durch Corona, vermuten Experten, sei dieser Schutzfaktor zuletzt wesentlich geringer ausgefallen. Manchmal, so Krenzel, sei den Eltern gar nicht bewusst, dass sie mit einer Zwangsheirat ihren Kindern etwas Schlimmes tun würden. Und die jungen Frauen wiederum würden ihre Familien nicht gern verlassen. &bdquo;Sie wollen sie einfach lieben können, ohne sich selber aufzugeben."

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