Heimatschutz: Deshalb gibt es den neuen Freiwilligendienst der Bundeswehr

Höxter. "1", schallt es über den Sportplatz der General-Weber-Kaserne in Höxter. "Mehr!", brüllen die 21 Rekruten zurück, nachdem sie sich aus dem Liegestütz wieder nach oben gewuchtet haben. Nach zehn Wiederholungen ist es fürs Erste genug, die Körper sind warm. Kein Wunder, denn das Training wird nicht in luftiger Sportkleidung, sondern in Uniform absolviert - und das in der prallen Sonne. Viel Zeit zum Durchatmen bleibt allerdings nicht, denn im Anschluss müssen die neuen Rekruten zeigen, wie fit sie seit Beginn der Grundausbildung Anfang April geworden sind. Denn auch, wenn sie ihren Wehrdienst im frisch ins Leben gerufenen Heimatschutz absolvieren, die Grundausbildung ist für alle ein Muss. Die 21 Rekruten gehören zu den insgesamt 320 Soldatinnen und Soldaten deutschlandweit, die im April als erster Jahrgang ihren freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz leisten. An elf Standorten der Streitkräftebasis und an zwei Standorten der Luftwaffe findet die siebenmonatige militärische Ausbildung statt - der Standort in OWL für die militärische Grundausbildung ist die General-Weber-Kaserne in Höxter. In dieser Zeit sollen die Soldaten nicht nur auf den Dienst an der Waffe vorbereitet werden, sondern auch ihre körperliche Leistungsfähigkeit steigern. Deshalb steht für die 21 Rekruten das Soldaten-Grundfitness-Tool auf dem Programm. Körperliche Fitness zentral Christoph Machel, David Schibelle und Maximilian Koslik sind eine der ersten, deren Zeit gestoppt wird. Neben ihrer Uniform tragen sie nun ihren Helm, Handschuhe und eine Schutzweste - ein Zusatzgewicht von etwa 15 Kilogramm. Die erste Aufgabe besteht darin, möglichst schnell einen Pilonenparcour abzulaufen, danach einen Stück "über den Boden zu gleiten" und wieder zum Ausgangspunkt zurückzulaufen. Im Anschluss müssen die Rekruten einen Sandsack ziehen, um den Transport von verwundeten Kameraden und Kameradinnen nachzuempfinden. Wieder am Startpunkt zurück, müssen sich die Soldaten zwei schwere Kanister schnappen und die über das Gelände tragen. In der letzten Übung sind dann noch einmal die Armmuskeln gefragt: Ein weiterer Kanister muss auf eine Gitterbox gehieft werden, das Beladen eines Militärfahrzeugs soll so trainiert werden. Schon nach kurzer Zeit rinnt den drei Rekruten der Schweiß über die Stirn. Damit die Muskeln nicht ihren Dienst quittieren und die drei durchhalten, feuern die Kameraden von der Seitenlinie aus an. Und das hilft. Alle drei erreichen erschöpft, aber zufrieden das Ziel. Das Sportprogramm macht für Maximilian Koslik den Reiz des Wehrdienstes aus. Nach dem Abitur hat sich der 20-jährige Bielefelder für ein BWL-Studium entschieden. Bis das allerdings beginnt, möchte er noch etwas erleben, Neues lernen. Kein einfacher Wunsch mitten in der Pandemie. Deshalb entscheidet er sich für den Wehrdienst im Heimatschutz. Denn bis zum Semesterbeginn ist seine aktive Dienstzeit vorbei. Das von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ins Leben gerufene Pilotprojekt sieht im Anschluss an die aktive Zeit eine Reservedienstzeit von weiteren fünf Monaten in den nächsten sechs Jahren vor. Die können individuell auf die weitere Laufbahn der Rekruten abgestimmt werden. Maximilian Koslik wird diese dann in den Semesterferien absolvieren. Das plant auch David Schibelle. Der 23-jährige Versmolder hat sein Studium aufgrund der Pandemie pausiert und suchte eine Alternative. Ob er sich auch einen längerfristigen Dienst in der Bundeswehr vorstellen kann, weiß er noch nicht. Die ersten Wochen haben ihm aber gut gefallen. "Ich bin gerne draußen, das ist einfach meins. Die Orientierung im Gelände, einfach nur mit Karte und Kompass und mal ohne Google Maps, das hat mir großen Spaß gemacht." Aufbau der Reservistenbasis Für Christoph Machel ist entscheidend, dass er Menschen helfen möchte. Der 25-jährige Duisburger hat nach dem Fachabitur eine Ausbildung zum Elektriker gemacht, weil er vor der Bundeswehr noch Berufserfahrung sammeln wollte. Für ihn ist der Heimatschutz eine gute Möglichkeit, die Bundeswehr überhaupt erst einmal kennenzulernen, ohne sich gleich langfristig zu verpflichten. Was ihm aber schon gut gefällt, ist die Kameradschaft. "Die Belastungen sind schon hoch, aber man kann alles schaffen. Vor allem, wenn man von den Kameraden angefeuert wird. Wir vergleichen uns zwar auch, aber das ist kein Neid, sondern eher Ansporn, es beim nächsten Mal besser zu machen." Für die Bundeswehr ist der Aufbau einer solchen Reservistenbasis innerhalb der Streitkräfte in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Nicht nur die Pandemie habe gezeigt, dass die Bundeswehr auch im Rahmen der Amtshilfe wichtige Aufgaben übernehme, erklärt Brigadegeneral Torsten Gersdorf. Vielmehr habe sich auch die Sicherheitslage seit 2014 entscheidend verändert. Die Annektion der Krim durch Russland und die militärische Aufrüstung an der ukrainischen Grenze mache die Bündnisverteidigung zu einer Kernaufgabe. In Krisenlagen sei es Aufgabe des Heimatschutzes, die für die Bündnisverteidigung wichtige Infrastruktur zu schützen. Aufgrund der geostrategischen Lage Deutschlands mitten in Europa sei das Bundesgebiet ein rückwärtiger Raum für derartige Situationen. Deshalb solle unter anderem durch den neuen Freiwilligendienst eine derartige Reserve aufgebaut werden. Das Projekt sei bislang sehr gut angelaufen, betont Gersdorf. Es hätten für den ersten Ausbildungsstart zusätzliche Plätze geschaffen werden müssen. Auch die Plätze ab Oktober seien begehrt.

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