Interview mit Joachim Stamp über die Masken-Affäre

Herr Stamp, steht die Teststrategie für NRW?Joachim Stamp: Ja, die Strategie steht. Vieles ist vorbereitet, technische Neuerungen ermöglichen und erfordern aber immer wieder Anpassungen. Das ist ein laufender Prozess. Entscheidend ist dabei, was uns der Bund zur Verfügung stellt. Da gab es leider immer wieder Defizite in der Kommunikation und der Beschaffung. Gibt es in dieser Woche für jeden Bürger einen kostenlosen Schnelltest?Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat Montag erklärt, dass in NRW sofort damit gestartet werden kann. Die politischen Verantwortlichen schieben sich die Zuständigkeiten hin und her. Gesundheitsminister Spahn sagte, dass sich Bundesländer beim Beschaffen der Tests um ihre Verantwortung drücken würden.Ich möchte Herrn Spahn daran erinnern, dass er zum Beispiel im November angekündigt hat, dass sich alle Lehrer und Erzieher in wenigen Tagen selber testen lassen können. Da ging es aber in Wirklichkeit nur um die Rechtsgrundlage. Die notwendigen Tests waren nicht vorhanden. Das hatte also mit der Praxis nichts zu tun. Es ist aus meiner Sicht kein seriöser Umgang in der Kommunikation mit den Bürgern, wenn Herr Spahn Dinge, die existenziell für die Menschen und das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland sind, mal so eben auf Twitter ankündigt, die dann aber nicht gehalten werden können. Das sind deutliche Worte...Was ich kritisiere, sind die steilen Ankündigungen beim Impfen und Testen, die sich dann anschließend nicht in der Praxis umsetzen lassen. Ich glaube, dass dadurch sehr viel Vertrauen verloren gegangen ist. Befürchten Sie, dass Bereitschaft und Geduld der Bürger, den Corona-Beschlüssen zu folgen, in den nächsten Wochen weiter schwinden werden?Wir haben jetzt eine sehr schwierige Phase in den nächsten Wochen vor uns. Zugleich ist durch das Impfen eine deutliche Erleichterung am Horizont. Wir müssen aufpassen, dass wir auf dem Weg dorthin konzentriert bleiben, um das Erreichte nicht zu gefährden. Wir müssen nüchtern abwägen, wo man die größten Schäden abwenden muss. An welche Bereiche denken Sie?Insbesondere der Handel ist am Anschlag. Hier und in der Außengastronomie müssen zügig – möglichst zum 22. März – weitere Öffnungsschritte folgen. Es geht um Tausende Existenzen. Wie lange sind Einschränkungen noch vertretbar?Es gibt in einer pandemischen Ausnahmesituation eine Berechtigung für Grundrechtseingriffe. Aber nur, um zu vermeiden, dass unser Gesundheitssystem nicht überfordert ist. Das war auch eigentlich mal der Grundkonsens für die Corona-Maßnahmen. Das wurde Stück für Stück erweitert und dabei mit Langzeitfolgen argumentiert. Ein Staat darf aber nicht mit Spekulationen auf mögliche Gefahren die Grundrechte seiner Bürgerinnen und Bürger beschränken. Da braucht es eine andere Sensibilität. Was bedeutet das?Wir müssen sehen, dass wir durch unsere Schutzmaßnahmen nicht andere Schäden anrichten. Jede Einschränkung muss permanent gerechtfertigt werden, sonst kommen wir in eine völlige Schieflage. Wenn wir über Lockerungen sprechen, geht es eben nicht um Öffnungsorgien, sondern die Rücknahme von Grundrechtseinschränkungen. Man darf sich nicht an Dinge und Begriffe gewöhnen, die mit unserem freiheitlichen Rechtsstaat nichts mehr zu tun haben. Brauchen wir nach der Pandemie eine grundlegende Reform unseres Staates?Wir müssen nach der Krise prüfen, wo sich Bürokratie so verselbstständigt hat, dass zum Beispiel die Regelung Tausender Einzelfälle letztlich das große Ganze lahmlegt. Wir brauchen aber auch einen Ruck in der Gesellschaft, was die Frage angeht, mit welchem Tempo und mit welcher Leistungsbereitschaft gearbeitet wird. Wenn wir glauben, wir könnten jetzt in eine Entschleunigungsphase gehen, wie in eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich, dann werden wir aus der Krise nicht rauskommen, sondern nur, wenn wir alle die Ärmel hochkrempeln und anpacken. Wir brauchen einen positiven Leistungsbegriff. Der fällt umso schwerer, wenn man sieht, dass sich Spitzenpolitiker in dieser Krise finanziell bereichern. Was sagen Sie zu den Masken-Affären von Unionspolitikern?Das ist widerlich. Das ist für die vielen Menschen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, die bis zum Umfallen arbeiten, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, einfach unerträglich. Es wäre ein wichtiges Zeichen, wenn diejenigen, die dort Kasse gemacht haben, die entsprechenden Beträge für gemeinnützige Zwecke spenden. Ist das in Ansätzen mit dem Masken-Deal Armin Laschets mit dem Unternehmen Van-Laack in NRW vergleichbar?Nein, im Gegenteil. Es ging in NRW darum, in höchster Not Masken zu beschaffen. Da hat aber niemand eine Provision bekommen. Zwei persönliche Fragen: Werden Sie kommissarischer NRW-Ministerpräsident, wenn Laschet Kanzler werden sollte?Ich würde mich freuen, wenn Armin Laschet Kanzler würde. Wenn es dadurch eine Übergangsphase in NRW zu bewältigen gibt, wird es eine geeignete Lösung geben. Es geht jetzt aber um die Bekämpfung einer historischen Pandemie. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Haben Sie Gefallen daran gefunden, zu regieren?Wir Freie Demokraten haben das Ziel, in NRW die erfolgreiche Koalition auch über die Legislaturperiode hinaus fortzusetzen. Es wäre gut, wenn das Land Kontinuität hat. Als FDP im Bund müssen wir insgesamt mit allen demokratischen Parteien koalitionsfähig sein – und da sind wir zum Beispiel in erfolgreichen Dreier-Koalitionen in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein. In Nordrhein-Westfalen werden wir aber für die Fortsetzung des vertrauensvollen Zweier-Bündnisses aus FDP und CDU kämpfen.

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