Knochenjob bei klirrender Kälte: Durch die Nacht mit einem Zusteller

Bielefeld. Bevor er noch einmal über einen Schneehügel stolpert, knipst Udo Pundmann lieber seine Stirnlampe an. Mehr denn je gilt für ihn heute: Sicherheit zuerst. Pundmann wuchtet einen Handkarren durch die frostige Februarnacht; gerade hat er Zeitungen abgeholt, die er gleich in Bielefelder Briefkästen stecken wird. Minus zwölf Grad hin oder her – "alles Einstellungssache", sagt er. Pundmann funzelt in die Polarluft. Kurz nach zwei, eine Zigarette noch, dann geht es bergan. "Wenn's normal läuft, sind wir um sechs durch." Hinten gleitet ein ICE über die Brücke, Schnee weht auf die Straße – immerhin, die Züge der Ost-West-Verbindung fahren wieder im geregelten Takt. Im Gegensatz zu den städtischen Schneefahrzeugen und den Winterdiensten großer Wohnungsgesellschaften. Er hatte Schwierigkeiten mit der Bandscheibe, nun stapft er stoisch durch den Schnee Einer Kollegin sei es in der Früh dann doch zu gefährlich geworden, sagt Pundmann. "Sie ist nach Hause gefahren. Ich sagte, Mädchen, mach mal." Der 63-jährige ehemalige Textilhändler hatte einmal größere Schwierigkeiten mit der Bandscheibe, nun stapft er stoisch durch den Schnee. "Ich kenne hier jeden Briefkasten", sagt er im ersten seiner beiden Bezirke, und man glaubt es ihm sofort. Nur für die Namen der Probeabos prüft er den Lieferzettel von der Logistik. Udo Pundmann trägt seit mehr als zehn Jahren unsere Zeitung aus, an jedem Erscheinungstag, ob es regnet oder eben schneit. Früher habe er auch mal "Springer gemacht", sagt Pundmann. Womit nicht der Verlag gemeint ist, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Logistiksparte, die Touren flexibel übernehmen, wenn der lokale Stammzusteller Urlaub hat oder krank geworden ist. Vor allem donnerstags habe er häufig "schwer geschleppt", wenn auch die umfangreichen überregionalen Wochenzeitungen ausgeliefert werden mussten. "Da spürte man dann ab und an mal die Zigaretten." So einen Winter habe er bislang nur ein Mal gesehen Pundmann ist noch gut bei Puste, als in der grimmigen Kälte ein grimmiger Deutscher Boxer auftaucht. Der Mann mit den Zeitungen bleibt gelassen. Er kennt ja nicht nur jeden Briefkasten, sondern auch jeden Hund in seinen Zustellbezirken. Trotzdem gibt er später zu: "Den möchte ich nicht in Aktion sehen." Als die arktische Kaltluft zu Beginn der Woche Nordrhein-Westfalen geflutet hat, war Pundmann einer der wenigen Zusteller, die sich auf die Straße getraut haben, erzählt er mit Stolz in der Stimme. So einen Winter habe er bislang nur ein Mal gesehen: Als Gefreiter bei der Bundeswehr gehörte er bei der Schneekatastrophe 1978/79 zu den ersten Helfern. Vor allem der Norden versank in Massen von Schnee, ganze Ortschaften waren von der Außenwelt abgeschnitten. Meterhohe Schneewehen – wie zu Beginn dieser Woche In Schleswig-Holstein sackte die Temperatur um 20 Grad ab, es schneite ebenfalls tagelang. Der Sturm hinterließ meterhohe Schneewehen – wie zu Beginn dieser Woche. "Wir sind damals hoch nach Rendsburg, Flensburg und Neumünster gefahren", sagt Pundmann. In der Region habe es so gewaltige Verwehungen gegeben, dass "dreistöckige Häuser einfach weg waren". Er hat damals den Lastwagen mit Lebensmitteln gefahren. "Die waren natürlich kalt, als wir ankamen." Lenkhilfen waren in den alten Bundeswehrtransportern noch nicht eingebaut. "Da haste Oberarme gekriegt!" Zeitungszusteller, häufig sind das ältere Menschen, die sich noch fit genug fühlen für eine Aufgabe an der frischen Luft. Pundmann hat lange Fußball gespielt, zentrales Mittelfeld in der Bezirksklasse. "Klar bleibe ich durch den Job aktiv", sagt er. Was ihm aber noch viel wichtiger sei: "Ich bin mein eigener Herr."

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