Experte zu Politikern als Impfvorbilder: „Das kann die Impfbereitschaft erhöhen“

Köln/Berlin. Der Beginn der Impfkampagne gegen das Coronavirus lässt erstmals Hoffnungen auf ein Ende der Pandemie zu. Entscheidend ist nun, dass sich möglichst viele Menschen gegen das Coronavirus impfen lassen, damit eine Herdenimmunität erreicht wird. Um dieses Ziel trotz aufkommender Virusmutationen zu erreichen, rechnen Experten damit, dass sich zwischen 60 und 90 Prozent der Bevölkerung impfen lassen müssen. Doch ist die Impfbereitschaft in Deutschland dementsprechend hoch? Politiker bezweifeln das und fordern, dass sie ebenso wie in anderen Ländern vorrangig geimpft werden sollten, um als Vorbilder für die Impfung zu werben. Ein Weg, der in bestimmten Bevölkerungsgruppen funktionieren kann, sagt Gesundheitswissenschaftler Holger Pfaff. Prominente Politiker aus dem Ausland, wie Israels Premier Benjamin Netanjahu, Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis oder der designierte US-Präsident Joe Biden haben die erste Impfung gegen das Coronavirus bereits erhalten. Sie zählen zu den ersten Empfängern der Schutzimpfung in ihren Heimatländern. Das Ziel: Vertrauen in die Sicherheit der Impfung schaffen und auf die Bedeutung der Immunisierung aufmerksam machen. Während die Fotos der Politiker beim Piks in den Oberarm um die Welt gehen, zeigen sich deutsche Politiker deutlich zurückhaltender. Die Bundesregierung lässt einen Großteil der Bevölkerung vor. Impf-Reihenfolge: Politiker stehen an fünfter Stelle Die Reihenfolge der Impfungen in Deutschland ist einer Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums festgelegt, die auf der Empfehlung der Ständigen Impfkommission aufbaut. Aufgebaut ist die Reihenfolge in sechs Stufen. Politiker stehen an fünfter Stelle, allerdings lediglich Personal in Schlüsselpositionen in Landes- und Bundesregierung. Früher werden Politiker also nur dann geimpft, wenn sie älter als 65 Jahre alt sind, an einer relevanten Vorerkrankung leiden oder engen Kontakt zu einem Pflegebedürftigen, einer Schwangeren oder einer anderen Person mit erhöhtem Risiko haben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte diese Entscheidung bereits vor dem Impfbeginn am 27. Dezember: &bdquo;Wir haben bewusst gesagt, wir beginnen zuerst mit einem Impfangebot an die besonders Verwundbaren." Auch die Führungskräfte und Mitarbeiter des Impfstoff-Herstellers Biontech haben sich nach Angaben der Unternehmensgründer Ugur Sahin und Özlem Türeci noch nicht impfen lassen, weil sie sie staatlich vorgegebene Impfreihenfolge einhalten wollen. Vorwürfe von Impfgegnern gegen Politiker Impfgegner werfen Politikern und auch Sahin und Türeci vor, dass sie sich deshalb nicht impfen lassen, weil eine Impfung gegen das Coronavirus gefährlich ist. Eine nachträgliche Priorisierung von Politiker ist aber wohl nicht ausgeschlossen, denn Spahn sagte vor dem Impfstart auch: &bdquo;Sollte es zu einem gegebenen Zeitpunkt auch Sinn machen, Vertrauen zu stärken, ist jeder von uns als erstes bereit, sich auch impfen zu lassen." Mit Blick auf die Reaktionen von Impfgegnern und die geringe Impfbereitschaft einiger Berufsgruppen wie der Pflege, mehren sich in der öffentlichen Debatte nun die Stimmen, dass Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens als Vorbilder vorangehen und möglichst schnell geimpft werden sollten. &bdquo;Es gibt verschiedene Theorien, die besagen, dass Vorbilder das Verhalten Einzelner beeinflussen können", erklärt Gesundheitswissenschaftler Holger Pfaff vom Institut für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung der Universität Köln. &bdquo;Menschen sind darauf geeicht über Vorbilder zu lernen" Dazu zählt zum einen die Theorie des überlegten Handelns nach Martin Fishbein und Icek Ajzen. &bdquo;Das tatsächliche Verhalten einer Person wird von ihrer Verhaltensabsicht bestimmt und die wiederum resultiert aus Normen", sagt Pfaff. &bdquo;Gilt es als soziale Norm, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, folgen dieser Norm viele Menschen." Auch die Theorie Lernen am Modell von Albert Bandura zeigt laut Pfaff, dass Menschen das Verhalten von Vorbildern nachahmen. &bdquo;Menschen sind darauf geeicht, über Vorbilder zu lernen, so sind wir alle groß geworden." Das bedeutet nach Angaben des Gesundheitswissenschaftlers jedoch nicht, dass durch Vorbilder alle Menschen von einer bestimmten Handlung wie einer Impfung überzeugt werden können. &bdquo;Wie in vielen Bereichen teilt sich die Gesellschaft häufig in drei Gruppen. Das erste Drittel ist begeistert dabei, das zweite Drittel wartet ab und das dritte Drittel ist dagegen." Vorbilder sind laut Pfaff vor allem für die abwartende, unentschlossene Gruppe wichtig, in Teilen aber auch für die ablehnende Gruppe. &bdquo;Vorbilder müssen als Idole begeistern" Allerdings nur, wenn das Vorbild auch passe, sagt Pfaff. &bdquo;Hier müssen Vorbilder gefunden werden, die aus der Gruppe kommen und als Idole begeistern und ihre Anhänger mitreißen." Für die einen sind das Politiker, für die anderen Sportler, Sänger oder Schauspieler. &bdquo;Häufig sind das Personen des öffentlichen Lebens, das ist aber kein Muss." Als Strategie zur Erhöhung der Impfbereitschaft reicht es nach Einschätzung Pfaffs deshalb nicht aus, dass möglichst schnell prominente Politiker geimpft werden. &bdquo;Hier müssen zunächst Bevölkerungsgruppen mit geringer Impfbereitschaft und ihre Idole identifiziert und dann geimpft werden." Wichtig sei zudem, dass die Vorbilder authentisch agieren. &bdquo;Nur zu sagen, ich mache das, damit sich mehr Menschen impfen, reicht nicht." Sicher ist laut Pfaff jedoch, dass sich auch mit Hilfe von Vorbildern nie alle Bürger überzeugen lassen. &bdquo;Es wird immer einen Teil der Bevölkerung geben, der ablehnt." &bdquo;Menschen handeln, wenn sie sich anfällig und bedroht fühlen" Wichtiger als Vorbilder für eine hohe Impfbereitschaft ist nach Einschätzung Pfaffs eine gute, schliche und transparente Aufklärung. &bdquo;Außerdem müssen sich Menschen, bevor sie handeln, anfällig und bedroht fühlen. Angesprochen werden muss das Herz mit Emotionen und der Kopf mit Zahlen rund um die Pandemie." Da sich viele Ärzte und Pflegekräfte aufgrund ihrer Erfahrungen im Beruf nicht anfällig oder bedroht fühlen, lassen sich laut Pfaff so viele von ihnen nicht gegen Grippe und wohl auch nicht gegen das Coronavirus impfen. &bdquo;Sie sind täglich einem hohen Risiko ausgesetzt, erkranken aber nicht. Die Folge: Sie fühlen sich unverwundbar."

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