Hilfe bei Corona-Folgen: Post-Covid-Ambulanzen über Monate ausgebucht

Detmold/Essen. 1,45 Millionen Menschen haben in Deutschland eine Infektion mit dem Coronavirus überstanden. In der Statistik gelten sie als genesen. Auch dann, wenn sie noch Monate nach überstandener Infektion an den Folgen von Covid-19 leiden. In vielen Fällen sind sie damit jedoch allein. Betroffene fühlen sich von Medizinern nicht ernst genommen, weshalb die wenigen spezialisierten Post-Covid-Ambulanzen in Deutschland einen enormen Zulauf haben, so wie aktuell in Essen. Als im Frühjahr 2020 die ersten Covid-19-Patienten aus dem Universitätsklinikum Essen wieder entlassen werden können, merken die Mediziner schnell, dass die Patienten noch an den Folgen der Erkrankung leiden. &bdquo;Viele waren auch noch infektiös, weshalb wir sie wegen fehlender ambulanter Versorgung in ein potentielles Nirwana entlassen mussten", erklärt der Direktor der Klinik für Infektiologie der Universitätsmedizin Essen, Oliver Witzke. &bdquo;Die Folgen von Covid-19 können sehr vielfältig und langwierig sein" Um das zu verhindern, schaffen Witzke und seine Kollegen kurz darauf die Post-Covid-Ambulanz. Die Sprechstunde richtet sich an Patienten nach einer durchgemachten Infektion mit dem Coronavirus. Nötig ist neben einem positiven Nachweis des Coronavirus auch eine Überweisung vom Hausarzt. &bdquo;Wir bieten betroffenen Patienten eine ganzheitliche Untersuchung mit infektiologische Beratung und Statuserhebung an", sagt Witzke. Seit März wurden dort bereits weit mehr als 1.000 Patienten behandelt. &bdquo;Nicht alle, aber viele Covid-19-Patienten leiden auch noch Monate nach überstandener Infektion an den Folgen der Erkrankung", erklärt Witzke. Am häufigsten klagen Patienten über chronische Müdigkeit, eingeschränkte körperliche Belastbarkeit und psychische Beschwerden. &bdquo;Die Folgen können sehr vielfältig und langwierig sein, weshalb es für betroffene Patienten auch wichtig ist zu erfahren, dass sich viele Symptome auch wieder bessern." Viele Betroffene leiden laut Witzke an diffusen Symptomen, weshalb bei der Behandlung der ganzheitliche Blick auf den Patienten wichtig ist. &bdquo;In der Klinik haben wir den Vorteil, dass alle Fachdisziplinen und auch die Technik für bildgebende Verfahren zur Verfügung stehen." &bdquo;Die Sprechstunde ist aktuell bis Juni ausgebucht" Die Nachfrage nach einer Behandlung in der Post-Covid-Ambulanz ist gewaltig. &bdquo;Die Sprechstunde ist aktuell bis Juni ausgebucht, da wir derzeit natürlich auch noch mitten in der zweiten Welle der Pandemie stecken und täglich circa 140 akut kranke Covid-19-Patienten stationär oder gar auf der Intensivstation versorgen müssen", sagt Witzke. &bdquo;Wir hoffen, dass der Lockdown bald Wirkung zeigt und wir mit der zunehmenden Immunisierung der Gesellschaft durch die Impfungen, bald wieder mehr Ressourcen in die Ambulanz investieren und diese auch erweitern können." Doch ein extra Budget für die Ambulanz gebe es aktuell leider nicht. Betroffene fühlen sich nicht ernst genommen Der Infektiologe wünscht sich zudem, dass in der Öffentlichkeit mehr über die Langzeitfolgen durch Covid-19 gesprochen wird. &bdquo;Stattdessen konzentriert sich die Diskussion aktuell auf angebliche Langzeitschäden durch Impfungen gegen das Coronavirus." Dieser Kritik schließen sich auch viele Betroffene an. &bdquo;Langzeitfolgen haben für viele Covid-19-Patienten zur Folge, dass sie leiden, immer wieder ins Krankenhaus müssen und auch Monate nach überstandener Infektion nicht wieder arbeitsfähig sind. Trotzdem gelten sie in der öffentlichen Wahrnehmung als genesen", erklärt Paul E. aus dem Kreis Lippe, der im Mai 2020 mit weiteren Betroffenen die Homepage und gleichnamige Facebook-Seite &bdquo;Covid-19-Langzeitbeschwerden" gegründet hat. Seinen Namen möchte der 33-Jährige nicht öffentlich machen, weil er in der Vergangenheit für seine Äußerungen angegriffen wurde, vor allem in den sozialen Netzwerken. Betroffene schildern in der Gruppe 100 unterschiedliche Symptome In dem Forum tauschen sich inzwischen mehr als 1.800 Betroffene über ihr Leben mit Langzeitfolgen aus. Sie schildern 100 unterschiedliche Symptome sowohl nach schweren, als auch nach leichten Krankheitsverläufen, teilen aber auch viele Erfahrungen, wie die schwierige Suche nach einer passenden Behandlung. &bdquo;Viele Betroffene berichten, dass ihre Beschwerden von ihren Ärzten nicht ernst genommen werden und so bleiben sie mit ihrem Leid alleine." Deshalb hat die Gruppe bereits im Sommer in einem Brief an die Bundesregierung gefordert, dass weitere fachübergreifende Post-Covid-Ambulanzen in allen Teilen Deutschlands als Anlaufstelle für Betroffene entstehen, aber auch zur Förderung der Erforschung von Langzeitfolgen. &bdquo;Wichtig ist auch die Anerkennung von Covid-19 als Langzeiterkrankung und die damit verbundene Arbeitsunfähigkeit", sagt Paul E. Zudem setzen sich die Betroffenen für Leitlinien zur Versorgung Betroffener ein, damit künftig alle möglichst gut behandelt werden können. Infektiologe Witzke und seine Kollegen von der Universitätsmedizin Essen haben bereits mit Medizinern der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LVR-Klinikums Essen, der Ärztekammer Nordrhein sowie des Gesundheitsamtes Essen Empfehlungen zur Nachsorge von Covid-19-Patienten veröffentlicht. &bdquo;Um auch weniger erfahrene Ärzte in Kliniken und Praxen bei der Behandlung zu unterstützen, geben wir unser Wissen weiter", so Witzke.

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