Ein Videospiel gegen Rechtsextremismus - was steckt dahinter?

Bielefeld. Dass NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dem Extremismus den Kampf ansagt, ist schon lange klar. Dabei setzt er unter anderem auch auf multimediale Angebote, die sich an die Jugend richtet. Vor gut einem Jahr gingen zwei Youtube-Kanäle an den Start, die sich mit Satire aber auch handfesten Informationen über Extremismus richten. Nun wurde das neuste Projekt des NRW-Innenministeriums veröffentlicht: ein Computerspiel für Jugendliche. Ein bisschen passend ist es ja schon; immerhin ist der NRW-Verfassungsschutz seit vier Jahren auf der Computerspielemesse "Gamescom" vertreten, um über Extremismus aufzuklären. Im vergangenen Jahr stellte Reul hier die Youtube-Kanäle "Jihadifool" und "hinter.gründlich" vor. Werden in ersterem Salafisten mit Satire auf die Schippe genommen, liefert zweiteres erwiesene Fakten gegen Extremismus. Was steckt hinter "Leons Identität"? Und nun also ein Videospiel. Das Spiel trägt den Namen "Leons Identität". Es soll laut NRW-Innenministerium Kinder und Jugendliche über extremistische Einflüsse im Internet aufklären und ihre Medienkompetenz stärken. Der NRW-Verfassungsschutz und die Staatskanzlei haben das Projekt gemeinsam beauftragt und begleitet. "Das Netz ist die Dunkelkammer eines extremistischen Weltbildes und die Radikalisierungsmaschine des 21. Jahrhunderts. Deshalb ist es wichtig, dass der Staat hier maßgeschneiderte Angebote macht. Die Überzeugungen junger Menschen dürfen nicht von Populisten und Radikalen geprägt werden, da müssen und wollen wir mitmischen", kommentiert Reul. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz sieht die Digitalisierung des Extremismus als größte Herausforderung für alle Sicherheitsbehörden an. Auf der Suche nach dem Bruder Doch worum geht es in dem Spiel überhaupt? Leons Identität ist ein detektivisches Abenteuerspiel. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Jonas, der sich auf die Suche nach seinem vermissten Bruder macht. Jonas sucht in Leons Jugendzimmer nach Hinweisen und geht den Umständen seines mysteriösen Verschwindens auf den Grund, wobei er Leons langsames Abdriften in die rechtsextreme Szene nachzeichnet. nw.de hat das Spiel getestet. Das wichtigste vorab: Es gibt (noch) keine Browser-Version - das Spiel muss also runtergeladen werden. Das Spiel eigne sich laut Innenministerium für den Einsatz in Schulen. Das tut es allerdings erst, wenn die Browserversion tatsächlich verfügbar ist. Moderne Schnitzeljagd Das Spiel an sich ist tatsächlich eine Light-Version eines Abenteuerspiels. Salopp gesagt: eine moderne Schnitzeljagd. Der Spieler muss genau hinschauen, auch ein wenig kombinieren. Die Möglichkeiten, wo sich wichtige Hinweise zu Leons Aufenthalt verstecken könnten, sind riesig. Etwa in der Schublade? Im Schrank? Oder an seinem Computer? Wie kommt man überhaupt an die Daten, wenn das Passwort fehlt? Was haben all die dubiosen Bücher, Magazine und Poster zu bedeuten? Und welche Rolle spielen die vergangenen Wochen in Leons Leben? Leons Zimmer ist - das merkt der Spieler schnell - ein Sammelsorium aus verschiedenen Elementen des rechtsextremen Gedankenguts. Die Entwickler arbeiten dabei mit vielen Symbolen, die - zumindest in abgewandelter Form - auch unter echten Extremisten verbreitet sind. Rechte Rapper und Foren Da ist zum Beispiel ein gelbes Logo, das stark an das "Wappen" der Identitären Bewegung erinnert. Ein fiktiver Rechts-Rapper hat es Leon mit seinen hetzerischen Zeilen besonders angetan. Er tummelt sich zudem in einem rechten Forum und auch Online-Spiele spielen offenbar eine große Rolle in seiner Radikalisierung. In den Büchern oder Magazinen, die in Leons Zimmer liegen, wird beispielsweise die Verschwörungstheorie des "Großen Austauschs" verbreitet oder gegen die Regierung gehetzt. Die Grafik des Spiels lässt im ersten Moment auch darauf schließen, an wen sich das Projekt richtet: Kinder und Jugendliche. Auch die Steuerung ist eher schlicht gehalten. Was jedoch zu betonen ist: Der Spieler muss genau kombinieren und hinsehen, sich Details merken - und erkennen. Weshalb das Spiel bei Jugendlichen funktioniert Die Geschichte hinter dem Spiel taugt auch deshalb, weil sie zwar fiktiv ist - allerdings einen realen Bezug hat. Ein Ereignis wie dieses könnte tagtäglich passieren, weil Extremisten das Internet nutzen, um ihre Gedanken und Theorien zu verbreiten - und so neue Anhänger zu finden. Dabei dürfte gerade den jungen Spielern die Gefahr, die von Rechtsextremismus im Internet ausgeht, bewusst werden. Liebeskummer, Streit mit den Freunden, Schulstress - auch so manche Hintergründe zu Leons Verhalten und seinem Verschwinden dürften die meisten Teenager so ähnlich schon durchlebt haben. Gerade deshalb wirkt das Spiel in seiner Form aufklärend und sensibilisierend. Die Spielzeit, die für das Lösen des Rätsels gebraucht werden, ist nicht sonderlich hoch (bis zu einer Stunde). Auch deshalb ließe es sich gut in den Schulunterricht integrieren. Das Spiel ist laut Innenministerium offiziell geprüft und hat die Alterskennung "USK 12". Zum Spiel gehört eine Website, die eine Brücke in die reale Welt schlägt. Hier können die Spieler sich weiter informieren und valide Quellen sichten. Entwickelt wurde das Spiel gemeinsam mit bildundtonfabrik (btf), unter anderem mehrfacher Gewinner des Grimmepreises und des deutschen Videospielpreises 2019. "Was wir können, ist über Extremismus und Radikalisierung aufklären, was wir aber nicht können, ist ein Videospiel entwickeln", so Innenminister Reul. Das Gesamtbudget für die Entwicklung des Spiels betrug rund 220.000 Euro.

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