Eugen Drewermann feiert den 80. Geburtstag - und will weiter in Freiheit arbeiten

Paderborn. Auf den ersten Blick ist es ein ganz normaler Tag in Paderborn. Das Zentrum der Domstadt erwacht an diesem Vormittag langsam zum Leben, die Sonne taucht die malerische Kulisse des Paderquellgebiets in ein sanftes Licht. Auf dem Domplatz herrscht Markttreiben, wie an jedem Mittwoch. Die Stimmung ist gelöst – und doch ist etwas anders als sonst. Der Marktbereich ist abgesperrt, ein Sicherheitsmann begrüßt jeden Marktbesucher, freundlich aber bestimmt, mit dem Satz: &bdquo;Bitte setzen Sie einen Mund-Nase-Schutz auf." Das Corona-Zeitalter verlangt seinen Tribut, hier wie anderswo. Doch was macht das alles mit uns Menschen? Und sind die sonstigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die von den Behörden angeordnet werden, im Sinne eines humanen Zusammenlebens aller hinzunehmen? Eugen Drewermann ist der kritischste Geist, den die Domstadt hervorgebracht hat Diese Frage und viele andere Fragen treibt bis heute den wohl kritischsten Geist um, den die Domstadt jemals hervorgebracht hat: Eugen Drewermann, der an diesem Samstag seinen 80. Geburtstag feiert. &bdquo;Menschliche Nähe – für das Immunsystem ist das die bessere Antwort", ist Drewermann überzeugt. &bdquo;Dass wir uns menschliche Nähe nur erlauben können, wenn wir einen Impfstoff gefunden haben, ist eine merkwürdige Vorstellung", fügt der Theologe und Psychoanalytiker nachdenklich hinzu. Mit ihm sitze ich unter freiem Himmel zusammen bei einem Kaffee, nur wenige hundert Meter vom Kardinal-Degenhardt-Platz entfernt, benannt nach jenem Paderborner Erzbischof, der Drewermann am 8. Oktober 1991 die katholische Lehrbefugnis und ein Jahr später das Priesteramt entzog; es ging um Differenzen in der Moraltheologie und der Bibelauslegung. "Mir ist wichtig, den christlichen Glauben weiterzugeben" &bdquo;Mir ist nicht wichtig, was 1992 als Person über mich entschieden wurde. Mir ist wichtig, den christlichen Glauben weiterzugeben", sagt Drewermann. Die Einschnitte in seinem Berufsleben Anfang der 90er Jahre haben den Querdenker Drewermann zu dem gemacht, was er bis heute ist: Ein freiheitsliebender Humanist, der Obrigkeiten jedweder Gestalt kritisch hinterfragt, angetrieben von seiner ureigenen Art der Bibelauslegung (Drewermann: &bdquo;Sie kann mit Bildern und Visionen unser Leben verändern"). Sich die Welt untertan zu machen, habe Jesus nicht gewollt. Dass Machthaber sich anmaßten, über Leben und Tod entscheiden zu können, kontert Drewermann mit dem Zitat des Neuen Testaments: &bdquo;Wer an mich glaubt, wird den Tod nicht kennenlernen." Es sei wichtig, die Frage über Leben und Tod in die Hände Gottes zurückzugeben. Drewermann spricht in geschliffenen Worten, denen klare Gedanken vorausgegangen sind – so wie man ihn seit Jahrzehnten kennt. Freiheit, Güte, Selbstbestimmung und Menschlichkeit Ein Privileg, das in diesem Alter nicht jedem beschieden ist, wie der Theologe selbst weiß. Themen wie Freiheit, Güte, Selbstbestimmung und Menschlichkeit seien keineswegs nur ein kirchliches Problem. Bis in die 1970er Jahre habe es in Deutschland eine Bücherzensur gegeben. &bdquo;Was darf man lesen und sagen?" – diese Frage sei bis heute aktuell. So nimmt Drewermann in vielen zentralen Fragen des Lebens bis heute kein Blatt vor den Mund. Immer wieder kultivierte Feindbilder etwa sind ihm ein Dorn im Auge. &bdquo;Wir teilen die ganze Welt in Gut und Böse. In China sind die Feinde, weil sie nicht gut sind", stellt er fest. &bdquo;Was wir sind, ist das Gute, besser kann es nicht sein", hält Drewermann uns allen den Spiegel vor. Vorstellungen, die ihm aufgrund seiner christlichen Überzeugung gegen den Strich gehen. Denn schließlich habe der Westen unter anderem den Golfkrieg zu verantworten; sieben arabische Staaten seien zerbombt worden. Die Botschaft Jesu helfe bei der Auseinandersetzung mit dem, was Menschen anrichteten, sagt Drewermann, der aktuell an drei Bänden zum Thema &bdquo;Christentum und Strafrecht" arbeitet. Eine provokante These darin: &bdquo;Mit Strafen verschlimmern wir alles." Seine Arbeit will Drewermann "in voller Freiheit" fortführen Die Arbeit geht Drewermann also auch über seinen 80. Geburtstag hinaus nicht aus, die er in &bdquo;voller Freiheit" fortführen möchte, wie er sagt. Getreu seiner Erkenntnis: &bdquo;Man sollte jeden Tag so leben, als wenn es der letzte wäre, mit dem Elan, als wenn es der erste wäre."

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