9.000 infizierte Ärzte und Pfleger in Deutschland: So ist die Situation in OWL

Berlin/Bielefeld. Keine andere Berufsgruppe ist während der Coronakrise einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt als Mediziner und Pflegekräfte. Sie kämpfen um das Leben schwer kranker Covid-19-Patienten. Die Nähe zu Infizierten ist dabei unvermeidbar. Deshalb zählt auch immer mehr medizinisches Personal zu den Opfern der Krise. In Italien sind bereits mehr als 150 Ärzte und Pflegekräfte infolge einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Doch wie ist die Situation in Deutschland und OWL? Zentral erfasst wird die Zahl der Corona-Fälle im Gesundheitssektor in Deutschland nicht. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schätzt die Zahl der Infizierten in Krankenhäusern, Praxen, Dialyseeinrichtungen und im Rettungsdienst auf 9.000, wovon 7.500 als genesen gelten. Allerdings gab es bislang auch 14 Todesfälle. Die Zahl der Corona-Fälle im Gesundheitssektor entspricht etwa fünf Prozent aller Fälle in Deutschland. RKI vermutet noch höherer Fallzahlen im Gesundheitssektor Zum Vergleich: In Italien entsprechen die 16.600 Corona-Fälle im Gesundheitssektor nach Angaben des nationalen Gesundheitsinstituts bereits zehn Prozent der Gesamtzahl. In Italien wird die Zahl der Infizierten im Gesundheitssektor jedoch zentral erfasst. Da das in Deutschland nicht der Fall ist, geht das RKI davon aus, dass es mehr als 9.000 Betroffene geben könnte, da bei 41 Prozent der Corona-Fälle in Deutschland Angaben zum Beruf fehlen. Auch in OWL bestehen Meldelücken. Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Wenn sich medizinisches Personal mit dem Coronavirus infiziert, muss dies laut Infektionsschutzgesetz dem Gesundheitsamt gemeldet werden. Allerdings erfassen viele Gesundheitsämter die Berufe der Infizierten nicht, so auch in der Region. Einen exakten Überblick haben deshalb nur die Einrichtungen im Gesundheitssektor. Eine Umfrage bei den großen Kliniken in der Region zeigt, dass sich auch in OWL Mediziner und Pflegekräfte infiziert haben, allerdings im geringen Umfang. Antikörpertest offenbart eine unentdeckte Corona-Infektion Im evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) gab es nach Angaben von Sprecherin Sandra Gruß bislang lediglich 16 Corona-Fälle, wovon zehn Betroffene schon wieder genesen sind. &bdquo;Es war zum Glück niemand auf eine intensivmedizinische Betreuung angewiesen, allerdings hatten einige Kollegen sehr zu kämpfen", erklärt der ärztliche Direktor, Thomas Vordemvenne. Im Klinikum Detmold wurden laut Sprecher Christian Ritterbach 29 Mitarbeiter positiv getestet und in den Mühlenkreiskliniken (MKK) im Kreis Minden-Lübbecke gab es 75 Fälle. &bdquo;Die überwiegende Anzahl ist wieder gesundet und befindet sich wieder im Dienst", ergänzt Sprecher Christian Busse. Neben Abstrichen bieten die MKK ihren Mitarbeitern in Risikobereichen seit zwei Wochen auch Antikörpertests an. &bdquo;Damit können aktuelle asymptomatische und bereits abgelaufene Infektionen ermittelt werden. In 186 Proben konnte so ein bisher unerkannter Fall entdeckt und mit PCR-Abstrich bestätigt werden." Hoher Aufwand in Kliniken, um Personal und Patienten zu schützen Der Aufwand zum Schutz des Personals und der Patienten ist in den Krankenhäusern hoch. Schutzausrüstung, Besucherstopp, Absage planbarer Eingriffe und großflächige Screenings. Die Kliniken handeln streng nach der Vorgaben des RKI, gehen zum Teil aber noch darüber hinaus. &bdquo;Bei uns werden nicht nur die Mitarbeiter der Corona-Stationen mit Schutzmasken ausgestattet, sondern alle", erklärt Vordemvenne. &bdquo;In Hochrisikobereichen wie der Anästhesie arbeiten unsere Ärzte auch auf den Normalstationen mit Schutzausrüstung, wenn sie Patienten intubieren. Denn auch wenn Patienten keine Symptome zeigen und negativ getestet wurden, können sie andere infizieren." In den MKK müssen Mitarbeiter die Pausen in den Sozialräumen nach Angaben von Sprecher Busse zeitlich versetzt und mit Abstand verbringen. &bdquo;Außerdem ist das Tragen von chirurgischen Mund-Nasen-Schutz im Dienst mittlerweile an allen Standorten Pflicht", sagt Busse. Zudem werden alle Mitarbeiter bereits bei geringfügigen Erkrankungssymptomen getestet und bis zum Ergebnis aus dem Dienst genommen. Ärztlicher Direktor Vordemvenne: "Die Präventionsmaßnahmen wirken" Trotz des großen Aufwands gibt es laut Vordemvenne jedoch keinen 100-prozentigen Schutz für das Personal. &bdquo;Die Maßnahmen dienen zur Risikominimierung, mehr ist leider nicht möglich. Die geringen Fallzahlen machen aber deutlich, dass die Präventionsmaßnahmen wirken." Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will ab Mai wieder mehr planbare Operationen in Krankenhäusern zulassen. Das EvKB plant für die kommende Woche das Hochfahren des elektiven Programms. &bdquo;Allerdings langsam und kontrolliert, denn wenn wieder mehr Patienten ins Krankenhaus kommen, steigt das Infektionsrisiko", erklärt Vordemvenne. Zudem warnt der Mediziner davor, zu früh und zu schnell zum Normalbetrieb zurückzukehren. &bdquo;Wir müssen weiterhin Kapazitäten für Covid-19-Patienten frei halten, denn wir wissen noch nicht, wie die Lockerungen die Fallzahlen beeinflussen werden. Wir stehen noch immer am Anfang der Epidemie."

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