Sterben in der Krise: Palliativmedizin nimmt Patienten Angst und Atemnot

Bielefeld/Berlin. Es sind entsetzliche Szenen, die sich aktuell in Krankenhäusern in Italien und anderen Ländern abspielen. Ärzte und Pflegekräfte berichten von Covid-19-Patienten, die unter Tränen um Kontakt zu ihren Angehörigen bitten und bei vollem Bewusstsein das Gefühl haben, langsam zu ertrinken. Die Berichte stammen aus Krankenhäusern, in denen aufgrund der Pandemie Ausnahmezustand herrscht. Mit Blick nach Italien fürchten sich auch in Deutschland Menschen vor einem einsamen und leidvollen Tod. Doch im Gegensatz zu den italienischen Kliniken haben die Krankenhäuser in Deutschland Zeit, sich auf die Versorgung schwer kranker Corona-Patienten vorzubereiten. &bdquo;Der Blick aus der Ferne lässt vermuten, dass insbesondere die Kliniken in Italien von der großen Anzahl schwer kranker Patienten überrollt worden sind", erklärt der Chefarzt der Klinik für Palliativmedizin im evangelischen Klinikum Bethel (EvKB), Florian Weißinger. &bdquo;Diese Überforderung hat dafür gesorgt, dass in einigen Fällen nicht mehr ausreichend Zeit, Personal und Ressourcen für die bestmögliche medizinische Versorgung aller Patienten zur Verfügung standen, auch nicht für die Sterbebegleitung." Palliativmedizin ermöglicht menschenwürdiges Sterben Die Palliativmedizin ermöglicht nach Angaben Weißingers jedoch auch schwer kranken Covid-19-Patienten ein menschenwürdiges Sterben. &bdquo;Wir können mit Hilfe von Medikamenten Atemnot und damit verbundenes Leid sowie Angst nehmen", erklärt Weißinger. &bdquo;Diese Mittel können so weit dosiert werden, dass der Patient schläft." Zudem ermöglichen die Mitarbeiter im EvKB trotz hoher Hygienestandards, dass ein Angehöriger beim Sterbeprozess dabei sein darf. &bdquo;Auch in Krisenzeiten muss sterben menschenwürdig bleiben, dafür tun wir alles." Bislang sind in Deutschland mehr als 1.860 Menschen (Stand 8. April) infolge einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen liegt nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bei 82 Jahren. Der Großteil litt an Grunderkrankungen. Allerdings verlaufen 80 Prozent der Infektionen in Deutschland mild. &bdquo;Das Coronavirus kann die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen. Bei schweren Krankheitsverläufen leiden Patienten an einer beidseitigen Lungenentzündung. Das Vermögen der Sauerstoffaufnahme nimmt stark ab, die Atemfrequenz erhöht sich und die Patienten haben Luftnot", erklärt Pneumologin Sandra Delis. &bdquo;In solchen Fällen werden manche Patienten in eine Vollnarkose versetzt, intubiert und durch ein Beatmungsgerät unterstützt. Symptome wie Luftnot und Angst können medikamentös gut behandelt werden, kein Patient muss leiden." In extremen Fällen reicht irgendwann jedoch auch die Beatmung nicht mehr aus, sodass der Patient verstirbt. Manche Patienten entscheiden sich gegen eine Beatmung Doch nicht alle Covid-19-Patienten sterben auf der Intensivstation. &bdquo;Es gibt auch Patienten, die bereits in einer Patientenverfügung festgelegt haben oder sich während der Behandlung dazu entschieden haben, dass sie nicht intensivmedizinisch versorgt oder beatmet werden möchten. Das sind häufig Patienten, die bereits vorher schwer krank waren", erklärt Delis, die als Oberärztin im Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin tätig ist. &bdquo;In solchen Fällen werden die Patienten auf einer normalen Station versorgt und palliativmedizinisch begleitet. Delis engagiert sich auch in der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie sowie in der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, die bereits mehrere Handlungsempfehlungen zur Behandlung von Covid-19-Patienten entwickelt haben. &bdquo;In Deutschland hatten wir im Gegensatz zu Italien Zeit, um uns auf die Krise vorzubereiten und diese Zeit haben wir intensiv genutzt." "In keinem deutschen Krankenhaus herrschen Zustände wie in Italien." In keinem deutschen Krankenhaus herrschen nach Angaben Delis vergleichbare Zustände wie in Italien. Das bestätigt auch der Bielefelder Palliativmediziner Weißinger. &bdquo;Alle Bereiche des Krankenhauses arbeiten daran, eine Überforderung des Systems zu verhindern. Wir haben uns gedanklich, strukturell und räumlich vorbereitet, indem wir Kapazitäten geschaffen und Medikamente bevorratet haben. Zudem sind wir in einem stetigen interprofessionellen Austausch, damit alle Patienten bestmöglich versorgt werden, auch am Lebensende." Weißinger hofft deshalb, dass auch in den nächsten Tagen und Wochen die Bürger weiter mithelfen, indem sie Kontakte meiden und Abstand halten. &bdquo;Wenn das weiterhin so gut läuft, glaube ich, dass das Gesundheitssystem diese Krise ohne Überforderung der Krankenhäuser bewältigen kann."

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