Der aussichtslose Weg zum Medikament für einen todkranken Coronapatienten

Bielefeld. Es sind verzweifelte Situationen, in denen jede Minute zählt. Wenn ein mit dem Covid 19-Virus infizierter Patient in eine lebensbedrohliche Lage gerät, dann ergreifen die behandelnden Ärzte im Klinikum jeden Strohhalm, um das Möglichste für seine Rettung zu tun.So auch im Fall eines Patienten auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Ostwestfalen-Lippe. Der Zustand des 61-Jährigen ist lebensbedrohlich, die Nieren versagen ihren Dienst, der Patient wird beatmet. Doch um das Leben des dreifachen Vaters will das Ärzteteam mit allen Mitteln kämpfen. Die Idee: eine Behandlung mit dem Medikament Remdesivir. Die Nachfrage war exorbitant hoch Dieses Präparat wird versuchsweise in wenigen Fällen bei schwer erkrankten Covid-19-Patienten eingesetzt. Doch der Anruf beim Hersteller Gilead Sciences, der seinen Sitz im kalifornischen Foster City (USA) hat und über einen Ableger in Planegg bei München verfügt, hinterlässt beim Ärzteteam Ernüchterung. Tags zuvor hat das Unternehmen entschieden, das Medikament nur noch an Schwangere oder Patienten abzugeben, die unter 18 Jahre alt sind. &bdquo;Warum nur?", fragt man sich in der Klinik. Die Nachfrage sei einfach in aller Welt exorbitant hoch gewesen, heißt es in einer Erklärung von Gilead Sciences. Man arbeite daran, &bdquo;so schnell wie möglich" wieder erweiterte Zugangsmöglichkeiten zu dem Präparat in Zusammenarbeit mit den zuständigen Zulassungsbehörden herzustellen. Der Patient ist lebensbedrohlich erkrankt &bdquo;Wir wissen, dass Patienten und ihre Familien auf der ganzen Welt warten", schreibt Daniel O’Day, CEO des Arzneimittelherstellers, in einer persönlichen Stellungnahme zur Entscheidung in seinem Hause. Eine Position, die dem betroffenen Patienten in seiner lebensbedrohlichen Situation natürlich nicht weiterhilft. Gut 1.000 Patienten haben das Medikament zuvor bereits erhalten, das Medizinern zufolge verhindern kann, dass sich das Virus im Körper des Patienten verdoppelt. &bdquo;Individuelle Heilversuche" nennt man diese Form der Verabreichung eines Medikamentes, das noch über keine offizielle Zulassung verfügt. So erläutert es eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums. Bange Stunden für das Ärzteteam &bdquo;Das Unternehmen muss dem zustimmen", fügt die Sprecherin hinzu. In diesen Fällen werde das Präparat vom Unternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt. In Fachkreisen gilt Remdesivir, das zuvor bereits zur Behandlung von Ebola-Patienten eingesetzt wurde, als das bisher einzige Präparat, dass in Fällen einer Covid 19-Infektion eine positive Wirkung entfalten kann. So durchleben die Ärzte des todkranken Patienten in OWL bange Stunden und einige schlaflose Nächte, da sie im Ungewissen sind, ob ihr Patient über den Berg kommt. Doch sie haben zunächst Glück. Die Nieren des 61-Jährigen haben wieder ihre Funktion aufgenommen, die Laborwerte bessern sich. Der Zustand des Familienvaters insgesamt bleibt jedoch ernst; er muss weiter beatmet werden. Es bleiben viele Fragen und Nachdenklichkeit Es bleiben viele Fragen und große Nachdenklichkeit. Die behandelnden Mediziner des aktuell betroffenen Patienten sind sich bewusst, dass die Verfügbarkeit des Medikamentes Remdesivir weltweit begrenzt ist. Und natürlich sehen auch sie, dass die Anwendung im Einzelfall keineswegs eine Erfolgsgarantie beinhaltet. Auch wissen sie, dass es bis zur endgültigen Zulassung eines neuen Medikamentes immer ein weiter Weg ist. Die Erfahrungen des Contergan-Skandals in den 1960er Jahren sind noch vielen sehr präsent. Und doch zerreißt es in diesen Tagen viele Fachleute in der Medizin, dass sie diesen letzten, möglicherweise Hoffnung verheißenden, Strohhalm in Ausnahmefällen wie diesen derzeit nicht ergreifen können. Denn natürlich möchten sie jedem Patienten und jeder Patientin bestmöglich helfen. So bleibt nur die Hoffnung und der dringende Appell an Hersteller und die Zulassungsbehörden, Remdesivir möglichst rasch wieder für mehr Betroffene verfügbar zu machen. Einer der behandelnden Ärzte ist überzeugt, dass es für die Medizin bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie weiter schwierig bleibt. Er sagt: &bdquo;Das wird nicht die letzte Schwierigkeit, auf die wir zulaufen."

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