Corona-Patienten gehen vor – Kliniken sollen planbare OPs verschieben

Bielefeld/Höxter. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bläst gegen Covid-19 zum Angriff. Er appelliert in einem Schreiben vom Freitag an die Krankenhaus-Geschäftsführer, "grundsätzlich alle planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe in allen Krankenhäusern ab Montag auf unbestimmte Zeit" zu verschieben und auszusetzen. Das heißt: Kliniken und Krankenhäuser sollen Betten und Kapazitäten für Corona-Patienten frei halten. Hintergrund ist ein Beschluss der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten vom Vortag. Nach Informationen von nw.de werden die Krankenhäuser in der Region Spahns Empfehlungen nachkommen. Unklar scheint bisher jedoch der Zeitpunkt des Behandlungs- und Operationsstopps. Dem Vernehmen nach wird das Städtische Krankenhaus Bielefeld Spahns Maßgabe im Laufe der kommenden Woche umsetzen. Eine offizielle Stellungnahme der Klinik liegt allerdings nicht vor. Im Gespräch mit nw.de erklärt Christian Jostes, Geschäftsführer des Klinikum Weser-Egge (KHWE) mit vier Standorten im Kreis Höxter, dass sich das Klinikum "nicht verweigern" werde, wenn es einen entsprechenden Erlass des Landes gebe. Mehrbedarf an Intensivpersonal durch mehr Intensivbetten Eine Sprecherin des St.-Vincenz-Krankenhauses in Paderborn teilt auf Nachfrage mit: "Der 'Corona-Stab' der St. Vincenz-Krankenhaus GmbH hat heute Mittag getagt und umfängliche Maßnahmen besprochen. Die Details werden nun ausgearbeitet". Umfängliche Informationen gebe es in der kommenden Woche. "Ab sofort werden wir soweit medizinisch vertretbar, alle planbaren Operationen und Eingriffe auf unbestimmte Zeit absetzen. Dasselbe gilt für die stationäre Aufnahme elektiver Patientinnen und Patienten und die Einbestellung der Patientinnen und Patienten in die Sprechstunden", positioniert sich Maren Thäter, Vorsitzende Geschäftsführerin des Evangelischen Klinikums Bethel (EVKB), indes am klarsten. Indem planbare, elektive Operationen wie zum Beispiel ein künstliches Hüftgelenk verschoben werden, sollen "zusätzliche freie Kapazitäten bei der akuten Grundversorgung und insbesondere auf den Intensivstationen" entstehen, so Spahn. Mehr Intensivbetten bedeuten aber auch einen Mehrbedarf an Intensivpersonal – und das obwohl der Gesundheitssektor traditionell unter Fachkräftemangel leidet. Eine Lösung könnte laut Spahn sein, Ärzte und Pfleger von anderen Stationen abzuziehen. Er empfiehlt deshalb, das Personal möglichst jetzt schon darauf vorzubereiten. Studenten und Ruheständler als Lösung für die Pflegefrage Wie das EvKB vorgehen will, erklärt Maren Thäter: "Wir haben eine Art Kaskade definiert und Stationen identifiziert, die wir für die Behandlung von aufnahmepflichtigen Patienten nutzen können. Durch diesen Stufenplan wird eine stationsübergreifende Personalplanung möglich." Im Notfall, so Spahns Vorschlag, sollen die Krankenhäuser auch Studenten und Ruheständler akquirieren – obwohl gerade Letztere ihres Alters wegen zur Risikogruppe gehören. Das EvKB plant mit den Azubis der eigenen Pflegeschule. "Parallel dazu haben wir die seit 2017 berenteten Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte angeschrieben." Jens Spahn ist die Tragweite seines Appells bewusst. Allerdings führten die dramatischen Entwicklungen in Italien vor Augen, wie diese Pandemie ein Gesundheitssystem an seine Grenzen und darüber hinaus treiben könne. Die Zustände des Gesundheitssystems in Norditalien seien in weiten Teilen als "humanitäre Notlage" zu bezeichnen. "Die Maßnahmen machen einerseits Sinn, andererseits aber auch Sorge", sagt Christian Jostes vom KHWE. Denn das Geld verdiene das Krankenhaus eben genau mit jenen Maßnahmen, die jetzt verschoben werden sollen. Arbeitsfähigkeit der Kliniken im Mittelpunkt Spahn aber hat den Kliniken zugesichert, dass die Krankenkassen die Folgen abfangen. Krankenhäuser und Kassen vereinbaren normalerweise im Voraus Budgets, die von bestimmten Fallzahlen bei OPs ausgehen. Erfüllt ein Haus die Fallzahl nicht, müsste es Einbußen hinnehmen. Was sagen die Kassen dazu? Der Vorstandschef der AOK Nordwest, Tom Ackermann, erklärt: "Sollte es aufgrund der Coronavirus-Pandemie zu erhöhten Aufwänden in den Krankenhäusern kommen, sichern wir den Kliniken schnelle und unbürokratischen Lösungen zu." Die Versorgung der Patienten und die Arbeitsfähigkeit der Kliniken stünden im Mittelpunkt. Auch der Vorstandsvorsitzende der Viactiv, der größten Betriebskrankenkasse in NRW, ist für eine flexible Vorgehensweise: "Wir müssen den Krankenhäusern den Rücken freihalten und können sie nicht dafür bestrafen, wenn sie in dieser Situation vernünftig reagieren", so Reinhard Brücker.

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