E-Zigaretten erhöhen Einstiegsrisiko fürs Rauchen

Berlin/Bielefeld. Die Zahl der Raucher in Deutschland ist seit Jahren rückläufig – vor allem bei Jugendlichen. Doch das gilt nur für den Konsum von Zigaretten. E-Zigaretten und Wasserpfeifen etablieren sich vor allem bei jungen Menschen, weil viele glauben, damit gesunde Alternativen zu nutzen. Das ist jedoch ein Irrglaube, wie Studien belegen. Vielmehr unterschätzen vor allem Jugendliche die gesundheitlichen Gefahren. Zudem erhöht der Konsum von E-Zigaretten das Einstiegsrisiko für Tabakkonsum, warnen die Kinder- und Jugendpsychiater in Deutschland. Sie fordern eine Ausweitung des Tabakwerbeverbots, um die großen Erfolge der Tabakprävention der vergangenen Jahre nicht zu unterlaufen. Trotz Warnhinweisen, steigender Preise und dem anstehenden Tabakwerbeverbot rauchen noch immer 28 Prozent der deutschen Bevölkerung. Im Vergleich zu vergangenen Jahrzehnten ist das jedoch ein guter Wert, denn seit Jahren ist die Zahl der Raucher in Deutschland rückläufig. Der Anteil rauchender Jugendlicher hat sich in den vergangenen 15 Jahren sogar um zwei Drittel verringert, mittlerweile rauchen nur noch sieben Prozent der Jugendlichen, wie eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt. Kritik üben die Psychiater vor allem an der Werbung der Hersteller Diesem Trend steht allerdings eine Negativentwicklung gegenüber, denn der Konsum von Wasserpfeifen und E-Zigarette steigt bei Jugendlichen rasant. Das Problem: "Während E-Zigaretten manche Erwachsene dabei unterstützen können, zeitweise auf Tabakprodukte zu verzichten, erhöhen sie für Jugendliche das Einstiegsrisiko für das Rauchen von Tabakzigaretten", warnt der ärztliche Direktor der LWL-Universitätsklinik Hamm für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Martin Holtmann. Kritik übt Holtmann vor allem an der Werbung der Hersteller: "Die Verknüpfung vermeintlich sauberer Produkte mit modernem Lifestyle und Werten wie Gesundheit, Gemeinschaftserleben und Leistungsfähigkeit muss als besonders gefährlich angesehen werden." E-Zigaretten verharmlosen laut Holtmann die Gefahren des Nikotinkonsums, indem sie Warnsignale herkömmlicher Zigaretten, wie den bitteren Geschmack und den Rauch, unterdrücken. "Die von den Herstellern propagierte Botschaft von der rauchfreien Zukunft, gekoppelt mit neuen Produkten und intensiver Werbung, gefährdet die Erfolge der Tabakprävention der vergangenen Jahre." "Jugendliche werden durch aromatischen Geschmack zum Konsum animiert" Jugendliche werden laut Holtmann durch die Werbung und den aromatischen Geschmack zum Konsum von E-Zigaretten animiert. Die Folge: "Jugendliche rauchen häufiger Zigaretten, wenn sie zuvor E-Zigaretten geraucht haben." Dieser Einfluss fällt nach Angaben des Mediziners vor allem in der Gruppe der Jugendlichen auf, die generell ein niedrigeres Risiko hat, überhaupt mit dem Rauchen zu beginnen. Diese Gefahr sieht auch der Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie am Evangelischen Klinikum Bethel, Morris Beshay: "Am besorgniserregendsten ist die Zahl der Jugendlichen, die sich den Konsum von E-Zigaretten angewöhnt haben, obwohl sie möglicherweise nie mit dem Rauchen herkömmlicher Zigaretten angefangen hätten. E-Zigaretten erhöhen also nicht nur das Einstiegsrisiko fürs Rauchen von Zigaretten, sondern schaffen auch eine neue Sucht." "Auch in nikotinfreien Produkten finden sich Nikotinreste" In einer E-Zigarette werden üblicherweise aromatisierte Flüssigkeiten elektrisch verdampft. Diese Flüssigkeiten, auch Liquids genannt, befinden sich in einer Kartusche neben einem Akku und einem elektrischen Heizelement. So entsteht kein Rauch, sondern ein Aerosol, das eingeatmet wird. Beshay warnt vor den gesundheitlichen Folgen dieses Konsums: "Trotz der Versprechen der Hersteller finden sich auch in angeblich nikotinfreien Produkten häufig noch Nikotinreste. Zudem nehmen Konsumenten Schwermetalle, Feinstaub und Aromen zu sich, die nachweislich Gefäßen, Schleimhäuten, der Lunge und dem Herzmuskel schaden." Der Bielefelder Lungenspezialist verweist auf eine aktuelle Studie aus den USA, die die Risiken des Dampfens in einer Langzeituntersuchung belegt. Demnach steigt das Risiko für Herzerkrankungen sowie für chronische Lungenkrankheiten wie COPD, Asthma und Bronchitis, wenn man E-Zigaretten konsumiert. Besonders gefährlich ist nach Angaben der US-Forscher der gleichzeitige Konsum von E-Zigaretten und herkömmlichen Zigaretten. Das Risiko für Lungenkrankheiten liegt in solchen Fällen 230 Prozent höher als bei abstinenten Menschen. Gefährdet sind auch ungeborene Kinder Gefährdet sind laut Beshay auch ungeborene Kinder: "Erste Studien weisen daraufhin, dass sich Schwangere durch den Konsum von E-Zigaretten nicht nur selbst schaden, sondern auch ihrem Kind, weil die Aufnahme der Stoffe die embryonale Entwicklung stört. Besonders gefährdet ist auch bei Ungeborenen der Herzmuskel." Werdende Eltern unterschätzten häufig die Risiken des Dampfens von E-Zigaretten, ergänzt die deutsche Lungenstiftung. Trotz mittlerweile bekannter Risiken, die durch Langzeitstudien belegt wurden, werben Hersteller von E-Zigaretten noch immer mit ihren harmlosen Produkten. Auf der Homepage der deutschen E-Zigaretten-Marke "Innocigs" heißt es beispielsweise, dass Langzeitstudien belegen, dass der Konsum von E-Zigaretten keine gesundheitlichen Folgen hat. "Bei Tabakzigaretten hat es Jahrzehnte gedauert, bis wissenschaftlich belegt wurde, dass Rauchen tödlich sein kann. Auch bei E-Zigaretten hieß es anfangs wegen einer fehlinterpretierten Studie, dass der Konsum harmlos ist. Aber das stimmt nicht", sagt Beshay. "In einer der ersten Studien zur E-Zigarette war das Ergebnis, dass Raucher, die von Tabakzigaretten auf E-Zigaretten umsteigen, gesundheitlich profitieren. Dieses Ergebnis wurde in der Öffentlichkeit jedoch mit der Annahme gleichgesetzt, dass E-Zigaretten auch für Nicht-Raucher harmlos sind. Ein fataler Irrglaube, dessen gefährliche Folgen wir jetzt beobachten." Psychiater fordern ein Tabakwerbeverbot, das auch E-Zigaretten umfasst Auch die US-Studie belegt, dass ein konsequenter Umstieg von herkömmlichen Zigaretten auf E-Zigaretten die gesundheitlichen Risiken senken kann, doch das macht nach Angaben der Studienautoren kaum jemand. Die meisten Raucher, die zu E-Zigaretten wechseln, rauchen weiterhin auch Tabak. Die Kinder- und Jugendpsychiater in Deutschland fordern deshalb ein striktes und umfassendes Werbeverbot für E-Zigaretten und alle Tabakprodukte. Holtmann und seine Kollegen fordern Maßnahmen zur Durchsetzung des Jugendschutzgesetzes sowie für eine unabhängige Erforschung der Risiken der E-Zigaretten. Diese Forderung unterstützt auch Beshay: "Wir müssen alles daran setzen, die Erfolge der Tabakprävention nicht zu unterlaufen, indem wir aufklären und die irreführende Werbung der Hersteller verbieten."

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