Größer als Fall Lügde

Weitere Festnahme in neuem Missbrauchsfall - Ermittlungen gegen Netzwerk

Die Zahl der Beschuldigten und Opfer wird immer höher. Fast 300 Polizisten ermitteln in dem Fall mit dem Ursprungsort Bergisch-Gladbach. Es gibt Kritik an der Justiz.

In diesem Haus in Alsdorf in NRW wurde ein Verdächtiger festgenommenen und seine Wohnung durchsucht. | © picture alliance/dpa

Lothar Schmalen
21.11.2019 | 21.11.2019, 14:16

Düsseldorf/Bergisch-Gladbach. Wer geglaubt hat, der Fall des schweren Kindesmissbrauchs auf dem Campingplatz in Lügde sei nicht mehr zu überbieten, sieht sich durch die Ermittlungen gegen ein Netzwerk von Missbrauchsbeschuldigten getäuscht. Dabei wird das Ausmaß der Straftaten immer noch größer. Inzwischen gibt es 23 Beschuldigte in ganz Deutschland, von denen acht in Haft sind, und 20 Opfer. Fast täglich werden es mehr, weil die Sichtung des beschlagnahmten Datenmaterials erst begonnen hat.

Hunderte Beamte ermitteln

Inzwischen ermitteln Hunderte Beamte in der „Besonderen Aufbauorganisation Berg" an dem Tatkomplex. Ihren Sitz hat die riesige Polizei-Kommission im Polizeipräsidium Köln. Ermittler aus ganz NRW sind beteiligt.

Am Mittwoch erst wurde am Ursprungsort der Ermittlungen, in Bergisch-Gladbach, erneut ein 32-jähriger Tatverdächtiger festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, zwei Kinder missbraucht und kinderpornografisches Material im Netz verbreitet zu haben – ein Vorwurf, der sich in ähnlicher Weise gegen viele der Beschuldigten richtet.

Zögerliche Justiz in der Kritik

Noch nie ist der Zusammenhang von Kindesmissbrauch und Verbreitung von Kinderpornografie so deutlich geworden wie im Tatkomplex von Bergisch-Gladbach. In den Chats, in denen die Beschuldigten unterwegs waren, waren nur diejenigen angesehen, die selbst neues Filmmaterial von Missbrauchstaten beisteuern konnten. Insgesamt sprechen die Ermittler von bis zu 1.800 Chat-Teilnehmern.

Längst ist auch – ähnlich wie im Fall Lügde – die zunächst zögerliche Herangehensweise der Justiz ins Fadenkreuz der Kritik geraten. Denn der zweite Festgenommene in dem Tatkomplex, ein 26-jähriger verheirateter Bundeswehrsoldat aus Wesel, hatte bereits Anfang Juni vor Polizei und Jugendamt zugegeben, seinen fünfjährigen Stiefsohn, seine dreijährige leibliche Tochter und seine dreijährige Nichte missbraucht zu haben.

Späte Festnahme

Dennoch veranlasste die Staatsanwaltschaft Kleve weder eine Festnahme noch eine Hausdurchsuchung. Erst als nach der Festnahme eines Beschuldigten in Bergisch-Gladbach am 22. Oktober Hinweise auf den Soldaten in Wesel ergaben, wurde der 26-Jährige festgenommen.

Unklar ist noch, ob dem Mann aus Wesel dadurch weitere Missbrauchstaten an seiner dreijährigen Tochter ermöglicht wurde. Denn: Klar ist, dass es einen weiteren schweren Missbrauch an seiner Tochter zwischen April und der Festnahme am 23. Oktober gab. Nach Angaben des Abteilungsleiters Strafrecht im NRW-Justizministerium, Christian Burr, liegen den Ermittlern Hinweise vor, wonach sich der Vorfall am Wochenende 24./25. August ereignet haben könnte.