Die neue SPD-Gruppe „SPDpur 2030" (urspünglich „Die wahre SPD") hat sich mit einem Appell zur Erneuerung und zur Neuwahl der Parteispitze zu Wort gemeldet. Unter der Überschrift „Aufbruch durch Klarheit" fordert die Gruppe, deren Sprecher der Herforder Bürgermeister Tim Kähler ist, alle Bewerber um den Parteivorsitz auf, ihr inhaltliches Konzept über Inhalte, Struktur und Kultur der Partei vorzulegen.
Gabriel: "SPD inzwischen linker als die Linkspartei"
Der Appell ist zunächst von zehn Sozialdemokraten als Erstunterzeichner unterschrieben worden. Prominentester Unterzeichner ist der frühere SPD-Vorsitzende und Ex-Außenminister Sigmar Gabriel. Wie zu hören ist, hat er den Text des Appells stark mitgeprägt. „Die SPD ist inzwischen linker als die Linkspartei geworden und ökologischer als die Grünen", kritisiert Gabriel. Er sei sicher, dass die Mehrheit der Mitglieder diese Entwicklung ablehne.
Unterschrieben haben neben Tim Kähler auch der frühere NRW-Landesvorsitzende Michael Groschek und führende Kommunalpolitiker aus mehreren Bundesländern. Mit Elke Christina Röder, Oberbürgermeistern der Stadt Norderstedt (Schleswig-Holstein), ist nur eine Frau dabei.
In dem dreiseitigen Appell fordert die Initiative mehr inhaltliche Klarheit und ein Bekenntnis zum Regierungshandeln. Zum Bild der Zerrissenheit gehöre auch, dass der Führungsanspruch der Parteispitze in der Vergangenheit immer wieder aus der zweiten Reihe der Partei konterkariert worden sei. „SPDpur 2030" fordert deshalb die Reduzierung der Vize-Parteichefs von bisher sechs auf nur noch drei.
Kommunalpolitiker sollen größere Rolle spielen
Ehrenamtliche Kommunalpolitiker sollen eine größere Rolle als bisher in der Parteiführung spielen. Berufspolitiker dürften nur noch maximal die Hälfte des Parteivorstands stellen, um „wieder mehr Alltagswissen aus den unterschiedlichen Berufen und aus den Städten und Gemeinden" einzubringen. Außerdem spricht die Gruppe sich für „offene Vorwahlen" bei der Aufstellung von Wahlkreis- und Spitzenkandidaten aus.
Die SPD will auf einem Bundesparteitag im Dezember eine neue Parteispitze wählen und darüber entscheiden, ob sie die Große Koalition in Berlin fortsetzen soll. Die Bewerbungsfrist für Kandidaten um den Parteivorsitz läuft noch bis zum 1. September. Bislang haben sich drei Tandems beworben: die aus Bielefeld stammende Ex-NRW-Familienministerin Christina Kampmann und Staatssekretär Michael Roth, die Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach und Nina Scheer, sowie die Oberbürgermeister aus Flensburg und Bautzen, Simone Lange und Alexander Ahrens. Lange kandidierte bereits gegen Andrea Nahles, unterlag 2018 aber mit 27,6 Prozent der Stimmen.
Lauterbach: "Fast AfD-Positionen"
Zwei der Bewerber, Christina Kampmann und Karl Lauterbach, gehen gleich in Abwehrstellung gegen „SPDpur 2030" und sprechen von Spaltung. Dabei gerät vor allem die Passage über die Migrationspolitik im Papier der Initiative in die Kritik (s. Wortlaut im Info-Kasten). Kampmann sagt, Deutschland brauche keine Abschottung, Einwanderung sei sogar volkswirtschaftlich sinnvoll. Sie fordert Gabriel auf, die SPD nicht weiter zu spalten.
Karl Lauterbach versteigt sich gar zur Aussage, die Gruppe vertrete in der Migrationsfrage „fast AfD-Positionen". Tim Kähler dazu: „Wer unsere Passage zur Migrationspolitik liest, erkennt: Das ist purer Unsinn." Kähler betont, die Initiative wolle kein neuer Arbeitskreis der SPD sein, sondern ein Diskussionsforum. Ziel sei, bei der Überwindung der Parteikrise zu helfen. Inzwischen gibt es eine Facebook-Seite „SPDpur 2030". Ein erstes Diskussionstreffen steigt am 29. August im Herforder Museum Marta.
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INFORMATION
„Für eine erfolgreiche Migrationspolitik vor Ort. Das heißt: Wir müssen das Engagement in den Ländern Afrikas und anderen Regionen, aus denen Zuwanderung erwächst, verstärken. Wir müssen dort helfen, eine gute Zukunft möglich zu machen. Deshalb müssen wir uns wirtschaftlich, sozial und beim Kampf gegen Korruption, Gewalt und Bürgerkriege stärker engagieren. Zum Land der guten Hoffnung müssen die Heimatländer werden. Dabei stellen wir das Recht auf Asyl nicht infrage. Gelingende Integration braucht Integrationsbereitschaft auf beiden Seiten und eine europäische Koordination."