Studie der Uni Bielefeld

So rücksichtslos sind Großstadt-Kids

Forscher aus Bielefeld haben Kinder und Jugendliche zu sozialen Einstellungen befragt. Insbesondere Jungen zeigen sich hartherzig

Generation "Rücksichtslos"? Ein Drittel aller Jugendlichen hat keinen Gemeinschaftssinn. | © Bayer Vital GmbH/Getty Images

25.06.2019 | 25.06.2019, 12:36

Berlin (dpa). Ein Fünftel der Kinder und ein Drittel der Jugendlichen in deutschen Großstädten ticken nach einer neuen Studie nur wenig sozial. Wissenschaftler der Universität Bielefeld haben dafür von Dezember 2018 bis Februar 2019 in Berlin, Köln und Leipzig rund 1.000 Großstadtkids und ihre Eltern gefragt.

Aus Antworten der 6- bis 16-Jährigen für die Bereiche Empathie, Solidarität, Gleichgültigkeit und Ablehnung errechneten sie eine Quote für Gemeinschaftssinn. Jungen schnitten dabei deutlich schlechter ab als Mädchen. Für große Städte in Deutschland halten die Forscher ihre Ergebnisse für repräsentativ.

Abwertende Haltungen auch in der Mittelschicht

In den persönlichen Interviews sollten junge Leute in zwei Altersgruppen zum Beispiel Aussagen wie „Es macht mich traurig, wenn es anderen Kindern schlecht geht" oder „Wir nehmen in unserer Gesellschaft zu viel Rücksicht auf Versager" auf einer Skala zustimmen oder ablehnen. In der Untersuchung im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung waren jedem vierten Jungen zum Beispiel die Probleme anderer egal. Bei den Mädchen waren es 14 bis 16 Prozent. Insgesamt, so heißt es in der Studie, gebe es beim Thema Gleichgültigkeit gegenüber den Problemen anderer ein "bedenkliches Bild": Fast drei Viertel aller Befragten sei zumindest teilweise gleichgültig.

Holger Ziegler, Professor an der Uni Bielefeld, hat die Studie geleitet. - © Uni Bielefeld
Holger Ziegler, Professor an der Uni Bielefeld, hat die Studie geleitet. | © Uni Bielefeld


Studienautor Holger Ziegler sieht Gemeinschaftssinn als moralischen Kitt für eine Gesellschaft. Sorgen machen ihm vor allem Tendenzen, andere Gruppen und Schwächere abzuwerten. Das machen laut Studie 36 Prozent der Jungen und 22 Prozent der Mädchen. „Ob diese Abwertung zunimmt oder abnimmt können wir nicht sagen, weil es zu wenig Vergleichsdaten gibt", sagt er. „Die Abwertung von Ausländern, Arbeitslosen, Schwulen, Behinderten oder Obdachlosen ist aber auch dort verbreitet, wo wir sie nicht unbedingt vermuten: bei einem guten Fünftel der liberal-urbanen Mittelschicht.»

Ziegler betont, die Abwertung von Randgruppen und Schwächeren zeige sich in den Grundzügen bereits im Kindesalter, und nehme dann oft mobbingartige Ausprägungen an. Entsprechend gaben mehr als ein Viertel der Befragten an, schon einmal Opfer von Mobbing gewesen zu sein.