Je kürzer die Elternzeit umso größer ist der Karriereknick der Frau

Potsdam/Bielefeld. Die Geschlechter stehen im Umbruch. Die Rede ist von neuen Vätern und Business-Mamas. Gefühlt entsteht in der Gesellschaft gerade die Abkehr vom klassischen Post-Geburts-Verlauf: Mama bleibt nicht mehr wie selbstverständlich zu Hause und Papa scheffelt die Kohle ran. Doch was passiert, wenn eine Frau sich in der Situation Kind tatsächlich der ursprünglichen Männerrolle annähert und umgekehrt? Genau diese Frage beschäftigte Lena Hipp, Professorin für Sozialstrukturanalyse an der Universität Potsdam und Leiterin der Arbeitsgruppe Arbeit und Fürsorge am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB). Denn trotz all dem gefühlten Umschwung wirken sich Kinder auch 2018 noch negativ auf das Arbeitsleben von Frauen aus.&bdquo;Frauen werden seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen, seltener befördert und verdienen weniger als Männer", sagt Hipp. Für ihre Studie hat sie gemeinsam mit ihrem Team 700 fiktive Bewerbungen an Arbeitgeber verschickt, die sich in allen wesentlichen Punkten ähnlich waren. Die Männer und Frauen hatten dieselbe Ausbildung, gleiche Qualifikationen, derzeit eine feste Anstellung und ein dreijähriges Kind. Nur ein Detail unterschied sich. Arbeitgeber entscheidet nicht rational Während eine Hälfte der Eltern nach der Geburt des inzwischen dreijährigen Nachwuchses für ein Jahr Elternzeit nahm, nahm die andere Hälfte nur zwei Monate. Die Ergebnisse waren erstaunlich. &bdquo;Ich hatte erwartet, dass Arbeitgeber rational entscheidet und die Frauen vorzieht, die nur kurz im Betrieb gefehlt hatten", erzählt Hipp. Genau das Gegenteil war der Fall. Die Frauen, die nach der Geburt des Kindes für ein Jahr Elternzeit genommen hatten, wurden anderthalb Mal so oft zum Vorstellungsgespräch eingeladen wie die Mütter mit zwei Monaten Elternzeit. Das war für Lena Hipp vor allem mit Blick auf das Alter des Kindes verwunderlich: &bdquo;Nach drei Jahren ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, ein zweites Kind zu planen. Nach dessen Geburt würde sich Elternzeitmuster ja wiederholen." Ganz anders verhielt es sich bei den Männern. Da war es völlig egal, ob die Väter zwei Monate oder ein Jahr zuhause blieben. Ihrer Karriere schadete beides nicht. Doch warum gibt es bei Frauen so einen signifikanten Unterschied? Eine Laborstudie mit Studierenden sollte Klarheit schaffen. Es ging um zwei Aufgaben: Die Studierenden sollten die Bewerbungsunterlagen der Mütter und Väter anhand eine Reihe von Kriterien bewerten&bdquo;Die Frauen mit zwei Monaten Elternzeit wurden als zu ehrgeizig und nicht teamfähig beschrieben. Doch der Mutter mit 12 Monaten Elternzeit wurde attestiert, sie könne Prioritäten richtig setzen", erzählt Hipp. Das Ergebnis zeigt, wie ambivalent die Frauen wahrgenommen werden. Frauen, die also nur kurz bei ihren Kind zuhause bleiben sind ihren Mitmenschen also scheinbar unsympathischer. Zugleich erwartet die Gesellschaft heutzutage von einer Mutter aber schon, dass sie recht schnell wieder im Job aktiv ist. Die Forscherin hat eine Botschaft für Frauen: &bdquo;Der Befund ist deprimierend, weil es Mütter eigentlich nur falsch machen können. Lange Elternzeit ist nicht gut, ganz kurze aber auch. . Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass sie einfach solange in Elternzeit gehen sollte, wie sie es als passend empfinden." Hipp teilt sich mit ihrem Mann die Elternzeit und ist damit die Ausnahme So hat sie es selbst getan. Gerade ist die 40-Jährige nämlich auch in Elternzeit. Sieben Monate nimmt sie für ihr drittes Kind, wie sie es auch für die zwei anderen getan hat. Damit gehört sie eher zu den Ausnahmen. &bdquo;Die häufigste Elternzeitdauer für Frauen ist heute noch immer 12 Monate und für Männer zwei. Mein Mann und ich haben uns die Elternzeit aufgeteilt – 50/50." In ihrem Umfeld hat sie hierfür kein negatives Feedback bekommen. Wenn, so glaubt die 40-Jährige, würde solche Kritik auch eher hinter dem Rücken geäußert werden. Ihr Mann hingegen hat viel positive Rückmeldung erhalten. &bdquo;Er hat oft gehört: Toll, dass du es machst. Aber in meinem Job wäre das nicht möglich", sagt Hipp und ergänzt: &bdquo;Das ist natürlich auch nur auf den ersten Blick ein Kompliment. Denn eigentlich versteckt sich hinter dieser Aussage: Mein Job ist wichtiger als deiner, deswegen kann ich das nicht so machen wie du." Väter, die in den ersten Monaten viel Zeit mit ihrem Kind verbracht haben, haben ein besseres Verhältnis zu ihm Dabei beweist eine ebenfalls jüngst erschienenen Untersuchung des Essener RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, dass Elternzeit sich positiv auf das Verhältnis zwischen Vater, Kind und auch dem Haushalt auswirkt. Denn Väter, die innerhalb der ersten Monate viel Zeit mit ihrem Nachwuchs verbracht haben, verbringen der Studie zufolge auch noch Jahre später mehr Zeit mit dem Kind. In den ersten sechs Lebensjahren des Kindes sind es den Untersuchungen zufolge täglich rund eineinhalb Stunden mehr, die Väter mit ihrem Kind verbringen, wenn sie Elternzeit genommen haben, als es noch ein Baby war. &bdquo;Auch wenn das meistens nur zwei Monate sind, verändert es langfristig die Rolle, die der Vater in der Familie hat", sagte der Wirtschaftswissenschaftler des Instituts, Marcus Tamm. Inzwischen nimmt jeder dritte Vater Elternzeit Das sei besonders deutlich im Vergleich von Vätern, die beim ersten nicht, wohl aber beim zweiten Kind Elternzeit genommen hätten. Das beweise, dass es sich tatsächlich auf die Elternzeit und nicht etwa den Charakter des Vaters beziehe. Welchen genauen Einfluss die Einführung der Elternzeit 2007 hat, ist nicht untersucht. Fest steht jedoch, dass es immer mehr Väter in Anspruch nehmen. Waren es 2007 nur drei Prozent der Väter, nimmt inzwischen jeder dritte Vater Elternzeit in Anspruch. Auf eine gleichberechtigte Weiterentwicklung der Elternzeit hofft auch Hipp. &bdquo;Ich kann es nicht seriös absichern, aber das Genderpaygap schließt nur sehr langsam. Ich bin nicht sehr optimistisch, dass sich für Frauen mit Kindern im Lebenslauf bald eine Besserung ergibt. Schön ist jedoch, dass bei den Männern ein Umdenken stattfindet."

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