Düsseldorf

Häftlinge in NRW-Gefängnissen werden immer aggressiver

Sie sind häufiger psychisch krank und oft drogenabhängig. Und zu allem Überfluss sind manche Haftanstalten überfüllt

Die JVA Bielefeld-Brackwede.  | © Alexander Lange

Lothar Schmalen
09.08.2018 | 09.08.2018, 17:39

Düsseldorf. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) nimmt bei der Beschreibung der Lage in den 36 Gefängnissen des Landes kein Blatt vor den Mund. Die Justizvollzugsanstalten sind nicht nur zu einem großen Teil in einem baulich schlechten Zustand, auch die Behandlung der Gefangenen wird immer schwieriger.

Biesenbach berichtet, dass der Anteil der ausländischen Gefangenen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sei. Er beträgt inzwischen 36,5 Prozent. In einer der größten Haftanstalten der Region, in der JVA Bielefeld-Brackwede, ist dieser Anteil zurzeit mit 42 Prozent sogar noch höher, berichtet der stellvertretende Anstaltsleiter Martin Wulfert.

Immer mehr psychisch labile Gefangene

Insbesondere Gefangene aus den nordafrikanischen Staaten seien zuletzt durch einen schwierigen Umgang aufgefallen, sagt Biesenbach. Viele Häftlinge können kein Deutsch. „Auch bei uns machen Häftlinge aus Marokko und Algerien Schwierigkeiten", bestätigt Wulfert. Allerdings sei es in diesem Jahr ruhiger geworden. „Vielleicht auch, weil wir verstärkt Dolmetscher bei unseren Gesprächen mit diesen Gefangenen einsetzen." Oft seien Konflikte durch Verständigungsschwierigkeiten eskaliert.

Das Bildungsniveau der Gefangenen sei in den vergangenen Jahren stark gesunken, sagt Minister Biesenbach. Außerdem fielen immer mehr Häftlinge dadurch auf, dass sie psychisch labil seien und an psychiatrischen Vorerkrankungen litten. „Bei ihnen hat der Konsum synthetischer Drogen die Persönlichkeit verändert und zu aggressivem Verhalten und Psychosen und Neurosen geführt", so Biesenbach.

Drogen sind ein immer größeres Problem

Dass Drogen ein immer größeres Problem im Gefängnis darstellen, bestätigt auch Wulfert. Biesenbach nennt erschreckende Zahlen. 70 Prozent der weiblichen und 65 Prozent der männlichen Häftlinge würden Drogen konsumieren.

Die Bediensteten im Justizvollzug seien längst nicht mehr nur für die Sicherheit im Gefängnis zuständig. „Sie sind Ausbilder, persönliche Betreuer, Dolmetscher, Sozialarbeiter und Psychologen", beschreibt der Minister die immer anspruchsvollere Arbeit im Gefängnis.

Personalgewinnung für diese schwierige Arbeit dürfte eine der größten Herausforderungen sein. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten NRW beklagt, dass von knapp 6.400 Vollzugsstellen jetzt schon 400 unbesetzt seien. Biesenbach plant noch 330 neue Stellen. Sie zu besetzen, wird nicht einfach sein.

Hunde sollen auch Handybatterien erschnüffeln

Einen Schub im Kampf gegen Drogen, aber auch gegen verbotene Handys im Gefängnis erhofft sich der Minister durch vierbeinige Helfer. Hunde könnten darauf trainiert werden, nicht nur Drogen, sondern auch Handybatterien zu erschnüffeln, berichtet er. „Wenn wir die Handys finden, kappen wir auch den Drogenschmuggel." Die derzeit benutzten Spürgeräte springen nur an, wenn die Handys benutzt werden.

Derzeit gebe es in NRW erst acht Drogenhunde in den 36 Gefängnissen. „Wenn die da sind, laufen die Wasserspülungen."
In der JVA Bielefeld-Brackwede ist inzwischen die Stelle für einen Hundeführer ausgeschrieben, berichtet Wulfert. Der neue Hundeführer und sein vierbeiniger Begleiter werden für mehrere Gefängnisse zuständig sein. Biesenbachs Ziel ist allerdings ehrgeiziger: „Möglichst ein bis zwei Hunde in jeder Anstalt."

Der Minister will noch viele andere Ideen realisieren. Dafür wird eine neue Landesjustizvollzugsdirektion im Ministerium eingerichtet. Biesenbach nennt sie „Taskforce". Das klingt nach schneller Eingreiftruppe und Action. Sie soll aber vor allem Ideenschmiede sein. Und die Ideen dann auch umsetzen.

INFORMATION


Zahlen und Fakten

In den 36 NRW-Gefängnissen gibt es 17.500 Haftplätze. Allerdings können 1.400 Zellen nicht genutzt werden, weil sie sanierungsbedürftig sind.


Mit zurzeit 16.219 Häftlingen sind die Gefängnisse voll, manche sogar überfüllt.
Um die Kapazitäten zu erweitern, werden unter anderem in Bielefeld-Brackwede ein neues Hafthaus mit 130 zusätzlichen Haftplätzen und in Münster ein neues Gefängnis gebaut. Außerdem plant der Justizminister den Bau zweier weiterer Anstalten.