
Düsseldorf. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) kritisiert, dass immer mehr Seitensteiger an Schulen als Lehrer tätig sind, ohne die geringste pädagogische Vorbildung zu haben. In Nordrhein-Westfalen sei es Praxis, dass Seiteneinsteiger sofort voll im Unterricht eingesetzt werden und ihre Einführung bereits bei vollem Unterricht erfolgt, erklärt der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann aus Paderborn.
In Nordrhein-Westfalen sind aufgrund des Lehrermangels besonders viele Seiteneinsteiger im Einsatz, vor allem an Grundschulen. Allein 2017 wurden insgesamt 700 Quereinsteiger eingestellt. In einer vom VBE in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage gaben im Bundesdurchschnitt 37 Prozent aller Schulleiter an, dass an ihren Schulen Seiteneinsteiger unterrichten, in NRW sind es 53 Prozent.
Beckmann und der VBE-Vorsitzende in NRW, Stefan Behlau, fordern, dass Seiteneinsteiger, bevor sie an Schulen eingesetzt werden, eine mindestens sechsmonatige Ausbildung erhalten. Eine Praxis, die das Bundesland Sachsen derzeit einführt. In der Schweiz werden Seiteneinsteiger laut Beckmann sogar ein Jahr lang auf den Unterricht vorbereitet.
"Das ist pädagogischer Wahnsinn"
Mehr als die Hälfte aller Seiteneinsteiger in Deutschland (51 Prozent) erhält laut der Forsa-Umfrage nicht einmal eine weitere berufsbegleitende Qualifizierung. „Das ist pädagogischer Wahnsinn", moniert Beckmann.
Die Schulpolitik in NRW bewerten die Schulleiter insgesamt mit der Schulnote 4 (ausreichend). Jeder Vierte allerdings gab den NRW-Schulpolitikern die Noten 5 oder gar 6. Die Umfrage fand im Januar und Februar statt. Als ihre größtes Problem sehen die Schulleiter in NRW den Lehrermangel an (NRW: 64 Prozent, BRD: 57 Prozent).
Auf dem zweiten Platz rangieren mit 23 Prozent Inklusion und Integration, gefolgt von Arbeitsbelastung und Zeitmangel (20 Prozent) und dem schlechten Zustand des Gebäudes (18 Prozent). Gewalt benennt dagegen nur ein Prozent aller Befragten als größtes Problem an ihrer Schule.
12 Prozent der Stellen an Grundschulen unbesetzt
Fast jeder zweite Schulleiter (44 Prozent in NRW, 36 Prozent bundesweit) kämpft mit dem Lehrermangel an seiner Schule. An Gymnasien ist der Prozentsatz dagegen deutlich geringer, dort ist der Lehrermangel offenbar nicht so groß. Laut Forsa-Umfrage sind bundesweit sechs Prozent der Lehrerstellen an weiterführenden Schulen und sogar zwölf Prozent der Stellen an Grundschulen nicht besetzt.
Laut Beckmann hat die Politik jahrelang verschlafen, die Ausbildungskapazitäten hochzusetzen. Der VBE-Vorsitzende fordert mehr Studienplätze für angehende Lehrer. Außerdem müssten für jede neue Anforderung, die die Politik an die Schulen stelle, zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden.
Beckmann kritisiert auch die Bundesregierung. Schon 2008 habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprochen, dass künftig zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts in Bildung investiert würden. Bis heute sei dieses Versprechen nicht eingelöst. So sei es kein Wunder, dass in der Forsa-Umfrage jeder sechste Schulleiter angebe, er könne seine beruflichen Aufgaben nicht zu seiner eigenen Zufriedenheit erfüllen. Bei den unter 40-Jährigen betrage der Anteil sogar ein Viertel. Überhaupt antworteten die jüngeren Schulleiter oft negativer als die älteren. „Die Politik ist auf dem besten Weg, die nächste Generation der Schulleiter zu ruinieren", mahnt Beckmann.
Die Forsa-Umfrage, an der 1.200 Schulleiter aus ganz Deutschland und 252 aus NRW teilnahmen, hat der VBE am Rande der großen Schulleiterkonferenz in Düsseldorf vorgestellt. Mit rund 2.500 Teilnehmern ist sie nach Angaben des Veranstalters die größte Plattform für Schulleitungen im deutschsprachigen Raum. Zahlreiche prominente Referenten wie etwa der FDP-Chef Christian Lindner, der frühere FIFA-Schiedsrichter Urs Meier, der frühere RTL-Sportchef Ulli Potowski sowie der Abenteurer Arved Fuchs sprechen auf der Konferenz zu den Teilnehmern.