Düsseldorf NRW-Wahlplakate: So bewerten Experten die Werbetafeln der Parteien

Düsseldorf. Reportagig sollen sie wirken, modern sowieso, mit einem eindeutigen Claim, wie es in der Werbesprache heißt – einer Botschaft, die wohl alle Parteien in Nordrhein-Westfalen genau so teilen würden: &bdquo;Es geht um unser Land." So hat es die FDP auf ihre Wahlplakate geschrieben – Magenta auf Gelb. Ihr Chef Christian Lindner gibt den Startup-Manager. So ernst seine Miene auf dem großformatigen Schwarz-Weiß-Foto, so bissig die Ansprache – Fundamentalopposition, hineingegossen in ein hippes, kantiges Design. Zwei Wochen vor der Landtagswahl in NRW treten die Parteien die zweiten Wellen ihrer Werbekampagnen los. Auf einigen lässt sich die Stimmungslage der Politiker ablesen; bei den mitregierenden Grünen zuallererst, die ob ihrer schlechten Umfragewerte den Holzhammer herausholen und nun ganz auf die Zweitstimme für eine rot-grüne Koalition setzen. &bdquo;Grafisch gut durchgestaltet", sagt Dirk Fütterer, Professor für Typografie und Kommunikationsdesign an der FH Bielefeld. Gleichzeitig findet er die Plakate &bdquo;inhaltlich etwas harmlos, fast schon beliebig". Dagegen geht die CDU auf Angriff. &bdquo;Sie geriert sich als Protestpartei", sagt Fütterer und verweist auf den Wahlspruch: &bdquo;Uns reichts! Wir wählen CDU." So ganz versteht er nicht, was sich die Partei bei der orangefarbenen Kante gedacht hat, die sich aus dem Bild herausbohrt. &bdquo;NRW geht vor – indem es das Plakat von hinten durchschlägt?" Was die visuelle Kommunikation angeht, gebe es überhaupt einige Ungereimtheiten bei der Partei von Armin Laschet. "Ernsthaft konservativ" Man kann den CDU-Motiven auch etwas abgewinnen. Auf Jutta Ströter-Bender, Kunstprofessorin an der Uni Paderborn, wirken die Aushänge &bdquo;ernsthaft konservativ". Sie signalisierten Beständigkeit, womit sie ihren Auftrag ja schon erfüllten. An die Union denkt Fütterer gleichfalls, wenn er die Plakate der Sozialdemokraten vor Augen hat. &bdquo;Hannelore Kraft als lächelnde Landesmutter, ein Wir-Gefühl, ein Zusammenrücken – das erinnert mich sofort an Angela Merkel." Die &bdquo;gefühlige, stringente Kampagne" der NRW-Regierungspartei SPD &bdquo;zielt aufs Herz", meint der Designprofessor. Zugleich löse sie eine &bdquo;beschwichtigende, beruhigende Grundstimmung" aus, gepaart mit einer Prise &bdquo;Lifestyle-Ästethik". Ströte-Bender ist sich nicht so sicher, ob die SPD auf die Weise in ländlichen Regionen oder bei Studenten punktet. Der &bdquo;Malocher"-Ansatz verfängt aus ihrer Sicht eher in den Großstädten. Auch Fütterer warnt, die SPD müsse aufpassen, dass die Reklame &bdquo;nicht zu simpel daherkommt". Die Fotos hält er jedenfalls für hochwertiger als die der CDU. &bdquo;Kraft hatte offenbar den besseren Art-Director." Plakate für den Klassenkampf Ziemlich weit vorne liegt nach der Meinung des Designprofessors die gedruckte Wahlkampagne der Linken. &bdquo;Die Plakate zielen auf Klassenkampf, klar", manchmal ist ihm das &bdquo;zu propagandistisch". In der knallroten Farbgebung und ihrer Direktheit &bdquo;bringen sie die Botschaften der Partei aber kämpferisch auf den Punkt", sagt Fütterer. &bdquo;Der angewinkelte Arm, die geballte Faust, der Slogan Zeig Stärke – das ist konzeptionell auf den Punkt." Dagegen wirkten die Aussagen der Grünen wie Kirchentagsbotschaften. Unten in der Tabelle rangiert indes die Alternative für Deutschland. &bdquo;Schon recht schwach, was die Partei anbietet", sagt Fütterer. Die AfD versucht es mit einfallslosen, bisweilen naiven Motiven (pinke Glühbirnen) und geklauten Wortspielen (&bdquo;Energiewendehälse"), denen jeder Witz fehlt. Was man auf den Plakaten lese, sei &bdquo;eine Ansammlung von Plattitüden". Dagegen scheint die Piratenpartei, noch im nordrhein-westfälischen Landtag vertreten, auf feenhaften Zauber zu hoffen. So sehen zumindest ihre Plakate aus, &bdquo;Köpfe vor einer Computerspiel-Optik". Orange auf Violett – Geschmackssache. Davor ein frommer Wunsch des jeweiligen Landtagskandidaten (&bdquo;Geile Politik") und eine gezielte, etwas zudringliche Ansprache: &bdquo;Männlich, ledig, jung sucht Deine Stimme." Trotzdem, &bdquo;mir ist das zu unkonzentriert, zu bemüht trendig", sagt Fütterer. "Engagiert, überzeugend und ernst" Wenn man schon überzeichnet, dann so wie die FDP. Da ist man sich einig: Ströte-Bender ist das Plakat der Liberalen noch am ehesten im Kopf geblieben – Lindner also, &bdquo;gut fotografiert, nicht frontal, sondern durch das Bild laufend, engagiert, überzeugend und ernst". Wobei Designprofessor Fütterer auch bei ihm einen Makel erkennt. Auf dem Plakat, auf dem er sich über die &bdquo;dreckigen Schulen" beschwert, geht der FDP-Vorsitzende an einer Mauer mit Graffiti vorbei – &bdquo;was bei jungen Leuten ja eher als Subkultur verstanden wird", bemerkt Fütterer streng. Insofern öffnet sich auf dem Wahlplakat eine Text-Bild-Schere: Das Motiv soll in seiner gesamten, angeblich photoshopfreien dokumentarischen Gestaltung jugendlich wirken. Die Ansprache richte sich aber eher an ein älteres Publikum. &bdquo;Das ist nicht zuende gedacht."