Düsseldorf

NRW-Umweltminister Johannes Remmel: "Klimaschutz ist Sicherheitspolitik"

NRW-Umweltminister Johannes Remmel zur Krise der Grünen, zu den Erfolgen seiner Politik und zu Anfeindungen, die ihn persönlich treffen

Lothar Schmalen
31.03.2017 | 31.03.2017, 12:00

Düsseldorf. NRW-Umweltminister Johannes Remmel äußert sich im Interview zur Krise der Grünen, zu den Erfolgen seiner Politik und zu Anfeindungen, die ihn persönlich treffen.

Herr Minister Remmel, es sieht so aus, als wenn die Grünen in der Gunst der Wähler an Bedeutung verlieren würden - auch in NRW. Ist unser Eindruck richtig, dass das grüne Führungspersonal ziemlich ratlos in dieser Krise ist?
Johannes Remmel:
Von einer Krise würde ich nicht sprechen. Aber die schlechten Umfragewerte lösen natürlich Diskussionen aus. Es gibt nicht eine Erklärung, sondern viele. Alle setzen zurzeit auf ihren Kern. Bei der SPD ist das die zugeschriebene Kompetenz beim Thema soziale Gerechtigkeit, bei der CDU ist es - zugeschrieben - die innere Sicherheit oder die Wirtschaftspolitik. Unser Kern ist nach wie vor die Kompetenz in Umwelt- und Energiefragen. Was wir zurzeit nicht so richtig transportiert bekommen, ist, dass es Zusammenhänge gibt, beispielsweise zwischen Klimaschutz und Sicherheitspolitik. Viele Leute haben das Gefühl, dass das Flüchtlingsproblem erledigt ist, nur weil die Zahlen jetzt zurückgegangen sind. Dass wir in Wirklichkeit vor Fluchtbewegungen aus Afrika und Asien noch ganz anderen Ausmaßes stehen, wenn wir im Klimaschutz nicht schnell handeln, das müssen wir viel intensiver mit den Menschen besprechen.

Die Demoskopen sagen jedenfalls, dass Ihre Themen bei der Bevölkerung zurzeit nur eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielen. Macht Ihnen das keine Sorgen?
Remmel:
Wahlkampf ist eben ein Kampf. Und wir müssen dafür kämpfen, unsere Wähler an die Wahlurne zu bringen. Das ist uns im Gegensatz zu den großen Volksparteien in der Mitte noch nicht ausreichend gelungen. Und wir müssen natürlich die Fragen beantworten, die die Menschen zurzeit bewegen, aber auf unsere Art. Die innere und äußere Sicherheit in Deutschland wird maßgeblich bestimmt dadurch, wie wir in den Bereichen Ökologie-, Klimaschutz- und Friedenspolitik handeln.

Sie sind für viele - Stichworte: Jäger, Bauern, manche Unternehmer - das rote Tuch in der Landesregierung. Nicht wenige sagen: Dieser Mann mus weg. Wie gehen Sie mit diesen persönlichen Anfeindungen um?
Remmel:
Es gab schon einiges, was unter die Gürtellinie geht. Ich versuche dennoch, immer politisch zu antworten. Es ist auch nicht gerechtfertigt, weil ich immer für Dialog eingetreten bin. Offenbar aber gehört das zu einer bestimmten politischen Figur. Man braucht wohl ein Objekt, an dem man sich reiben kann.

Hat die Härte Sie überrascht?
Remmel:
Die wurde im Laufe der Landtagsperiode ja erst von bestimmten Verbänden hochgeschaukelt. Dahinter steckt ja auch eine gewisse Mobilisierungsschwäche der CDU. Und was die Unternehmer anbelangt: Ich werde vor Ort mit offenen Armen bei meinen zahlreichen Unternehmensbesuchen empfangen. Wenn es dann allerdings auf die Verbandsebene geht, wird es plötzlich schwierig - und das, obwohl wir uns als Landesregierung zum Beispiel für die EEG-Ausgleichsumlage von besonders energieintensiven Unternehmen stark eingesetzt haben. Warum? Weil wir Grüne diese Form der Industrie für den Standort Nordrhein-Westfalen brauchen. Und dann den Vorwurf von Verbandsseite zu erhalten, wir seien industriefeindlich, ist doch schizophren.

Gibt es Momente, in denen Sie denken: Muss ich mir das eigentlich antun?
Remmel:
Es gibt schon Vorgehensweisen, die an die Methoden des Rechtspopulismus erinnern. Wenn bei Demonstrationen Schilder hochgehalten werden, auf denen zu lesen ist: "Remmel ist das Krebsgeschwür des deutschen Jagdrechts", das ist natürlich nicht so ganz schön. Das sind Anwürfe, die einen nicht kalt lassen.

Erhalten Sie auch Hassmails? Wenn ja, was unternehmen Sie dagegen?
Remmel:
Hassmails erhalte ich nur in begrenztem Ausmaß, hauptsächlich in den Bereichen Windenergie und Jagdrecht. Das geht dann bis zu persönlichen Bedrohungen, die sich manchmal sogar gegen meine Familie richten.

Haben Sie schon einmal Anzeige erstattet?
Remmel:
Wir haben die entsprechenden Drohungen dem Staatsschutz gemeldet.

Noch eine Frage zum Jagdgesetz: Hätte nicht eine Volksinitiative, die 115.000 Unterschriften sammelt, wenigstens etwas Entgegenkommen verdient gehabt - schon aus Respekt vor dem demokratischen Instrument der Volksinitiative?
Remmel:
Vor den 115.000 Unterschriften und vor dem Instrument der Volksinitiative habe ich Respekt. Wir haben in dem Gesetz selbst festgeschrieben, dass es innerhalb bestimmter Fristen auf seine Wirksamkeit hin überprüft wird. Das kann aber natürlich erst nach einer gewissen Zeit geschehen. Das gilt auch für Verträge im Bereich Rotwild, die wir beispielsweise auch in Ostwestfalen-Lippe mit allen Beteiligten abgeschlossen haben. Dazu kommt dann aber noch der Ton, den der Sprecher der Volksinitiative angeschlagen hat. Da ist von einer "Vergewaltigung des Gesetzes", von Lügen ohne nähere Belege die Rede. Da drückt sich schon Hass aus. Hier wurden massive Emtionen angeführt, auf einer solchen Grundlage ist ein konstruktiver Ausgleich schwierig.

Was betrachten Sie als den wichtigsten Erfolg Ihrer bisherigen Arbeit?
Remmel:
Dass wir den Klimaschutz in einem Landesgesetz festgeschrieben haben. Wir sind im Gegensatz zum Bund auf einem guten Weg, unsere Klimaschutzziele mit einer CO2-Reduktion von mindestens 25 Prozent bis 2020 zu erreichen. In Nordrhein-Westfalen hat eben der Kohleausstieg schon begonnen. Auch die Entwicklung der Windenergie von 90 auf 580 Megawatt in 2016 ist schon beachtlich. Wir sind damit das bei der Windenergie führende Binnenland. Und immerhin arbeiten inzwischen 346.000 Menschen in der Umweltwirtschaft in NRW - das sind 20.000 Jobs mehr als vor vier Jahren. Und schließlich möchte ich noch unsere Initiative beim Tierarzneigesetz erwähnen, das auf Betreiben von NRW verändert worden ist. Die Antibiotikagabe konnte dadurch in nur drei Jahren halbiert werden, von 1.700 auf etwas mehr als 800 Tonnen.