Schwerte

Genossen feiern ihren Martin Schulz

Politischer Aschermittwoch: Einfache, klare Sätze des SPD-Kanzlerkandidaten treffen den Nerv der Zuhörer.

Sie sind es: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft posieren für die Fotografen. | © Foto: dpa

Lothar Schmalen
02.03.2017 | 02.03.2017, 06:00

Schwerte. Schon eine halbe Stunde vor Beginn ist der Saal im „Freischütz" rappelvoll. Knisternde Spannung liegt in dem Traditionslokal im Wald bei Schwerte in der Luft. Mehr als 700 Genossen warten auf den großen Moment. Als dann Martin Schulz unter den Jazzklängen von „Oh, when the Saints go marchin’ in" den Saal betritt, kennt der Jubel keine Grenzen mehr. Es ist, wie wenn die nahe Borussia aus Dortmund ein Tor geschossen hätte – die Sozialdemokraten sind aufgeputscht wie seit den Zeiten von Willy Brandt nicht mehr.

Selbst der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Norbert Römer, sonst nicht unbedingt ein Volkstribun, überschlägt sich beim politischen Aschermittwoch seiner SPD-Region Westliches Westfalen: „Die Partei brennt vor Kampfeswillen", ruft er und erntet den nächsten Begeisterungssturm. „Zeit für Martin", „Jetzt ist Schulz!" steht auf den roten Schildern, die viele der Besucher hoch recken. Schmalzbrote, Frikadellen und das eine oder andere Glas Pils haben die Stimmung unter den Genossen angeheizt.

Auch Hannelore Kraft, die am 14. Mai in NRW wieder zur Ministerpräsidentin gewählt werden will, brandet Jubel entgegen. Sie, die mit ihrem Mitstreiter Norbert Römer lange auf Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidat gesetzt hatte, ist längst umgeschwenkt. Auch sie profitiert von Schulz. Die Euphorie führt sie möglicherweise einfacher als gedacht zum dritten Mal in die Düsseldorfer Staatskanzlei. 700 Menschen erheben sich und klatschen frenetisch in die Hände, als sie in den Saal ruft: „Wir stehen auf gegen die, die unsere Gesellschaft spalten wollen. Wir stehen auf gegen die Rassisten und die Demokratiefeinde."

Martin Schulz weckt Emotionen

Und doch ist Hannelore Kraft, die Nummer 1 der SPD in Nordrhein-Westfalen, an diesem Abend nur die Nummer 2. Denn der Star ist der bärtige Mann aus Würselen, der inzwischen bekanntesten Kleinstadt Deutschlands. Und der scheint wie geschaffen für Veranstaltungen wie diese. Martin Schulz hämmert einfache, klare Sätze in den Saal. Ein paar Beispiele:

  • „Wir wollen stärkste Kraft in Deutschland werden."
  • „Ich will Bundeskanzler werden."
  • „Die AfD ist eine Schande für Deutschland."
  • „Es geht nicht gerecht zu in diesem Land."

Mit solchen Botschaften weckt der Kanzlerkandidat Emotionen. So einfach ist das Rezept von Martin Schulz.

Für Differenzierungen, für detaillierte Inhalte ist an einem Abend wie diesem eh kein Platz. Stattdessen formuliert er klare Botschaften gegen den neuen US-Präsidenten Trump, gegen den ungarischen Ministerpräsidenten Orban, gegen die türkische Regierung, für ein solidarisches Europa. Und der Freiheit der Medien als einem Grundpfeiler der Demokratie widmet Schulz sogar einen ganzen Absatz. „Wer die freie Presse einschränken will, wer kritische Berichterstattung als Lügenpresse diffamiert, der legt die Axt an unsere Demokratie", ruft er.

Kommunalpolitik als Basis allen politischen Engagements

Und natürlich singt er das hohe Lied der Kommunalpolitik als die Basis allen politischen Engagements, das hohe Lied der kleinen Leute, aus deren Milieu er selbst stammt. Am Ende feiert der Saal ihn. Minutenlang. Mit rhythmischem Klatschen. Und mit dem alten Bergmannslied „Der Steiger kommt".

Es ist, als habe die alte Tante SPD eine Verjüngungskur durchlaufen. Und die Befürchtung, dass der so unerwartete und plötzliche Höhenflug der Sozialdemokraten irgendwann doch wieder vorbei ist, wird kleiner.