Paderborn

Zum Fall Frauke Liebs: Mutter hält "eine Aufklärung für möglich"

Ingrid Liebs spricht zehn Jahre nach dem Verschwinden ihrer Tochter über Spekulationen zum Fall Wilfried W.

Unvergessen: Liebe Worte und ein Foto erinnern an das Verbrechen an Frauke Liebs. | © Tyler Larkin

20.06.2016 | 20.06.2016, 18:30

Paderborn. Während Deutschland die Fußballweltmeisterschaft im Juni 2006 im eigenen Land feiert, verschwindet in Paderborn die 21-jährige Frauke Liebs. Vier Monate später entdeckt ein Jäger ihre Leiche. Auch zehn Jahre später ist der Mord an der Schwesternschülerin ungeklärt. Doch die Ermittlungen der Mordkommission Bosseborn geben Grund zu Spekulationen. Fraukes Mutter Ingrid Liebs spricht im Interview mit Dirk Bentfeld von Radio Hochstift über die Mutmaßungen, ihre Hoffnungen und ihren Verlust. Fotografieren lassen möchte sie sich nicht.

Mahnende Erinnerung: An der L 817 wurde die Leiche von Frauke Liebs gefunden. Ein Kreuz hält die Erinnerung wach. - © Tyler Larkin
Mahnende Erinnerung: An der L 817 wurde die Leiche von Frauke Liebs gefunden. Ein Kreuz hält die Erinnerung wach. | © Tyler Larkin

Frau Liebs, heute vor zehn Jahren ist ihre Tochter verschwunden. Es gibt das Sprichwort: „Die Zeit heilt alle Wunden". Wie gehen Sie heute mit der schrecklichen Geschichte um?
Ingrid Liebs
: Es mag sein, dass die Zeit einige Wunden heilt, aber sie schließt keine Lücken. Und die Lücke, die durch Fraukes Tod entstanden ist, die bleibt. Die wird auch als solche empfunden – nicht nur von mir, auch von ihren Geschwistern. Deshalb ist das Sprichwort „Die Zeit heilt alle Wunden" ein sehr schwacher Trost.

In Gedanken ist sie immer bei Ihnen?
Liebs
: Ja, das ist so. Sie ist im Grunde immer Teil der Gedanken geblieben.

Sehr problematisch ist sicherlich, dass die Tat bis heute nicht aufgeklärt ist. In Zusammenhang mit den Fällen in Höxter-Bosseborn gibt es jetzt neue Mutmaßungen. Wie beurteilen Sie diese Spekulationen?
Liebs
: Ich weiß nicht, ob es einen Zusammenhang gibt. Ich habe mit der Polizei am Freitag vor einer Woche ein ausführliches Gespräch geführt. Dort hat man mir glaubhaft versichert, dass die Handys, die man bei Wilfried W. gefunden hat, noch nicht ausgewertet sind. Es werde noch eine ganze Weile dauern, bis über eine Auswertung vielleicht erste Aussagen auch von Seiten der Polizei getätigt werden können. Die Aussagen, die als Spekulation in dieser Zeitung waren, waren offenbar vom Anwalt von Angelika W. gestreut, nicht von der Polizei.

Es hieß, dass Handydaten Übereinstimmungen aufweisen. Darauf gibt es keine wirklichen Hinweise?
Liebs
: Das kann ich nicht beurteilen. Mir hat die Polizei jedoch gesagt, sie sei noch nicht soweit, dass sie dazu definitive Aussagen machen könne. Und das glaube ich im Moment, auch aufgrund der Hintergründe, die mir erklärt wurden.

Die erste SMS nach dem Verschwinden ihrer Tochter am 20. Juni 2006 ist vom Sendemast in Nieheim-Entrup aufgefangen worden. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass sie sich dort aufgehalten hat.
Liebs: Nein. Der Abstrahlwinkel des Mastes in Nieheim-Entrup, einer sehr dünn besiedelten Gegend, geht sehr weit. Sogar so weit, dass der Aufenthaltsort in der Gegend zwischen Bad Driburg und Altenbeken oder südlich von Bad Driburg gelegen haben könnte. Wenn man sich dort die Abstrahlwinkel anschaut, ist der Aufenthaltsort nicht automatisch Nieheim. Das ist damals von einem Fallanalytiker in Düsseldorf festgelegt worden und war daher Ermittlungsgrundlage.

Information
Chronologie im Fall Frauke Liebs

20. Juni 2006: Frauke Liebs schaut mit Freunden in der Paderborner Innenstadt das Fußball-WM-Spiel England gegen Schweden. Gegen 23 Uhr verlässt sie den Irish-Pub und will in die 1,5 Kilometer entfernte Wohnung gehen.

22. bis 27. Juni: Frauke Liebs meldet sich telefonisch bei ihrem Mitbewohner und bei ihren Geschwistern. Die Anrufe sind verstörend. Frauke Liebs klingt wie in Trance und kündigt immer wieder an, dass sie bald zurückkommen wird.

4. Oktober 2006: Ein Jäger findet den bereits skelettierten Leichnam von Frauke Liebs in einem Waldstück in Lichtenau an der L?817. Die Obduktion kann die Todesursache nicht klären.

Haben Sie persönlich Hoffnung, dass der Fall jetzt noch aufgeklärt werden kann?
Liebs: Das ist so ein ambivalentes Gefühl. Auf der einen Seite wäre ich natürlich sehr froh, wenn sich der Fall klären würde. Wenn ich wüsste, was passiert ist, und warum das passiert ist. Auf der anderen Seite habe ich natürlich Bauchschmerzen, wenn ich an dieses Pärchen denke, an Wilfried W. mit seinem Hintergrund und seinen offenbar abartigen Veranlagungen. Dann weiß ich nicht, ob ich mir gerade das als Aufklärung wünschen sollte.

Aber Sie haben dennoch Hoffnung, dass es eine Aufklärung geben kann?
Liebs
: Ich hoffe das, ja. Es wäre gut. Ich weiß nur nicht, ob es solch ein Täter wie Wilfried W. sein sollte. Ich halte das für möglich, nach allem, was ich gehört habe.

Haben Sie vor, jetzt Schritte zu unternehmen, um mehr zu erfahren?
Liebs
: Ich kann in dieser Angelegenheit nichts tun. Das ist Sache der Polizei und ich denke, sie wird noch eine ganze Weile brauchen, bis sie wirklich das Material ausgewertet hat. Ich bin aber sicher, dass mit Ralf Östermann, der damals den Fall Frauke geleitet hat, und der auch diese Kommission begleitet, jemand da ist, der ein Auge darauf hat, ob es Hinweise gibt, die zur Klärung des Falls meiner Tochter beitragen können.