Bielefeld

Brustkrebs: Experten wollen Screening ausweiten

Zehn Jahre nach der Einführung ist die Untersuchung der Brust bei Frauen etabliert

Den Krebs früh erkennen: Bei der Mammographie werden Aufnahmen von der weiblichen Brust gemacht. | © Diranuk

Martin Fröhlich
15.01.2016 | 15.01.2016, 06:00

Bielefeld. Es begann mit Klinkenputzen und Vertrauensbildung, inzwischen ist es längst etabliert: Seit zehn Jahren gibt es das Mammographie-Screening im Bereich Bielefeld/Gütersloh. Auch wenn die Diskussion um Sinn und Unsinn dieser Untersuchung auf Brustkrebs noch immer geführt wird: „Es ist ein erfolgreiches Programm, das vielen Frauen geholfen hat", sagt Ulrike Meyer-Johann, die verantwortliche Ärztin.

Rund 40.000 Frauen werden pro Jahr zur Erstuntersuchung eingeladen, etwa 30.000 folgen dem Ruf. „Damit haben wir eine Akzeptanzquote von über 70 Prozent", sagt Meyer-Johann. Ein Wert, der deutlich über dem Bundesschnitt liegt. Die Grafik zeigt, wie viele Verdachtsfälle pro Tausend Untersuchungen in den verschiedenen Altersgruppen gefunden werden. Streichen Sie über die Balken, um die konkreten Zahlen zu erfahren:

Die hohe Akzeptanz hängt auch damit zusammen, dass die Screeningeinheit Bielefeld/ Gütersloh schon so lange dabei ist. Sie war die dritte in Deutschland. Das war 2006. „Wir konnten so schnell starten, weil wir schon seit 2001 daran gearbeitet hatten und alles vorbereitet war", erklärt Harald Krüger, Geschäftsführer der radiologischen Großpraxis Diranuk, wo die Screeningeinheit angesiedelt ist.

2002 entschied der Bundestag, das Screening der Brust für Frauen im Risikoalter von 50 bis 69 flächendeckend einzuführen. Allerdings ist noch nicht klar, ob das so bleibt. Das Programm muss sich ständig Bewertungen unterziehen, die aktuelle Phase läuft bis 2019/ 20. Für die Ärzte, die an der wöchentlichen Fallkonferenz teilnehmen, steht außer Frage, dass das Programm fortgeführt werden muss. „Der Erfahrungsgewinn ist gigantisch", sagt Werner Bader, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde am Städtischen Klinikum Bielefeld. Es gebe nichts Vergleichbares in der Medizin. Er plädiert für eine Ausweitung.

Auch Angelika Cervelli, leitende Oberärztin des Brustzentrums am Städtischen Klinikum Bielefeld, hält das für wünschenswert: „Frauen, die zu Risikogruppen gehören, sollten schon vor dem 50. Geburtstag ein Anrecht haben."

Ulrike Meyer-Johann sagt dazu: „Wir sollten mindestens ab 45, besser schon ab 40 Jahren screenen und dann auch bis 75." Andere Länder gingen diesen Weg bereits. In Schweden habe die Untersuchung ab 40 die Mortalitätsrate noch einmal gesenkt. In Deutschland haben Frauen außerhalb der Screening-Altersgruppe nur bei konkretem Verdacht Anspruch auf eine Mammographie.

Auch die Taktung sei zu überdenken. Derzeit werden die Frauen alle zwei Jahre eingeladen. „Man könnte bei jüngeren Frauen alle 18 Monate untersuchen, mit steigendem Alter dann alle drei Jahre." Bei einer Befragung von Teilnehmerinnen gab es laut Diranuk vielfach den Wunsch, die Untersuchung auch nach 69. Lebensjahr noch fortzuführen.

Meyer-Johann hat Zehntausende Aufnahmen ausgewertet und sieht eine Entwicklung: „Wir finden Karzinome heute früher und können die Frauen besser behandeln." Um die Diagnostik weiter zu verbessern, nimmt die Screening-Einheit an einer Studie teil. Es geht um die Tomosynthese. Bei dieser werden Aufnahmen aus verschiedenen Winkeln erstellt. Die 3-D-Methode bringt genauere Ergebnisse als der 2-D-Standard, wird aber bislang nur bei Frauen angewendet, bei denen ein Verdacht auf ein Karzinom besteht (7 Prozent). Sollte die Studie die Überlegenheit der Tomosynthese belegen, würde Meyer-Johann die Methode „als grundlegende Untersuchung für alle einführen". Befürchtungen, wegen der mehrfachen Aufnahme erhöhe sich die Strahlendosis, entgegnet Harald Krüger: „Die Geräte kommen heute mit etwa 50 Prozent weniger Strahlung aus."

"Das toppt jede Interdisziplinarität"

Für Dominique Finas, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Evangelischen. Krankenhaus Bielefeld, ist die Systematisierung durch das Screening „dem früheren Ablauf, wo jeder Arzt sein eigenes Vorgehen hatte, weit überlegen". Cervelli sieht in den Fallkonferenzen einen wichtigen Vorteil. „Da sitzen Experten aus mehreren Brustzentren am Tisch, das toppt jede Interdisziplinarität."

Die Diskussion um den Nutzen flammt immer wieder auf. Hauptkritikpunkt: Die Sterblichkeitsrate bei Brustkrebs sei nicht nennenswert gesunken. „Man kann doch nicht nur auf die Mortalität schauen, um den Erfolg zu messen", sagt Werner Bader. Entscheidend seien auch längere Überlebensraten und die Chance auf mehr Lebensqualität für Frauen, bei denen durch einen frühen Befund die Brust erhalten werden kann und die axillären Lymphknoten noch nicht befallen sind. Ob die Mortalität günstig beeinflusst wird, lasse sich erst nach etwa 15 Jahren belegen.