
Berlin. Wenn es eine Sache gibt, bei der sich die schwarz-rote Koalition einig ist, dann diese: Die deutsche Wirtschaft soll nach mehr als zwei Jahren Rezession endlich wieder wachsen. Als ersten Schritt in diese Richtung hat Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) an diesem Mittwoch, 4. Juni, im Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland eingebracht. Koalitionsintern läuft das 25-seitige Gesetzespaket unter dem Titel „Wachstumsbooster“.
Klingbeil hat vier steuerliche Stellschrauben ausgemacht, an denen er drehen will, damit die Konjunktur wieder anspringt. Auf Steuereinnahmen in Höhe von 46 Milliarden Euro will er dafür bis 2029 verzichten.
Das erste Projekt ist der Klassiker unter den Wirtschaftshilfen: Abschreibungen auf Investitionsgüter sollen erleichtert werden. Normalerweise schreiben Unternehmen neu angeschaffte Maschinen oder Büroausstattungen über die Jahre ihrer Nutzung linear ab. Klingbeil will nun eine degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) von 30 Prozent ermöglichen.
Das heißt: Unternehmen sollen bereits im Jahr des Kaufs eines Wirtschaftsguts 30 Prozent der Anschaffungskosten mit ihrem Gewinn verrechnen können – und entsprechend weniger Steuern bezahlen. Im zweiten und dritten Jahr sollen erneut 30 Prozent auf den restlichen Buchwert geltend gemacht werden können. Die kurzfristige Möglichkeit zur Senkung der Steuerlast werde Investitionen in die Transformation der Wirtschaft anreizen, hofft der Vizekanzler.
Klingbeil will betrieblich genutzte E-Autos fördern
Nach dem gleichen Prinzip funktioniert Klingbeils zweites Vorhaben: die steuerliche Förderung betrieblich genutzter Elektroautos. Satte 75 Prozent des Kaufpreises sollen Firmen für alle zwischen dem 30. Juni dieses Jahres und dem 1. Januar 2028 neu angeschafften Elektrofahrzeuge schon im Anschaffungsjahr abschreiben können.
Außerdem will der Finanzminister die Bruttopreisgrenze für die besondere steuerliche Förderung elektrischer Dienstwagen von derzeit 70.000 auf 100.000 Euro erhöhen. Auch Fahrer elektrischer Oberklasse-Fahrzeuge kommen damit in den Genuss besonders niedriger Steuern.
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Ferner will der Finanzminister die Unternehmen dazu bringen, mehr Geld in die Forschung zu investieren. Von 2026 bis 2030 soll die Obergrenze zur Bemessung der steuerlichen Forschungszulage von zehn auf zwölf Millionen Euro steigen. Zudem sollen förderfähige Anwendungen ausgeweitet und die Verfahren mithilfe pauschaler Abschläge entbürokratisiert werden.
Senkung der Körperschaftssteuer kommt später

Auf das letzte vermeintliche Sofort-Projekt der Koalition werden die Unternehmen hingegen noch eine Weile warten müssen: die Senkung der Körperschaftsteuer. Vor allem die Union hatte darauf in den Koalitionsverhandlungen gedrängt. Erst im voraussichtlichen Wahljahr 2028 soll der aktuelle Körperschaftsteuersatz von 15 auf 14 Prozent sinken. In Ein-Prozent-Schritten soll es danach weitergehen, bis im Jahr 2032 ein Steuersatz von zehn Prozent erreicht ist.
Die Gesamtsteuerlast für Unternehmen werde dann nur noch 25 statt der heute knapp 30 Prozent betragen, heißt es aus dem Finanzministerium. Das sei auch international ein wichtiges Zeichen und stärke die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.
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Mischung aus Genugtuung und Ungeduld
Wirtschaftsvertreter kommentierten die Pläne der Koalition mit einer Mischung aus Genugtuung und Ungeduld. Zwar sei es gut, dass die Bundesregierung das Versprechen zügiger Entlastung halte, sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Allerdings fehlten die Maßnahmen für den Mittelstand. „Investitionserleichterungen helfen vor allem der Industrie“, erklärte Jandura.
Meinung: Finanz-Versprechen des Bundes sind ein Meilenstein für die Länder
Vielen Mittelständlern fehle inzwischen das nötige Investitionskapital, um von verbesserten Abschreibemöglichkeiten zu profitieren, so Jandura weiter. „Nach drei Jahren der Stagnation steht vielen Unternehmen das Wasser bis zum Hals.“ Die Lösung aus Sicht des BGA-Präsidenten: Die Senkung der Unternehmenssteuern müsse schneller kommen.
Dafür allerdings fehlt der Regierung das Geld, zumal sich in den Ländern bereits Widerstand formiert. Da die Hälfte des Aufkommendes der Körperschaftsteuer in die Landeshaushalte fließt, haben die Landesregierungen ein Mitspracherecht. Sie könnten das Gesetz bei den Beratungen im Bundesrat, die voraussichtlich nach den Sommerferien stattfinden, aufhalten oder ganz zu Fall bringen.
CDU-Politiker Voigt: Es braucht grundlegende Lösung

„Ein Investitionsbooster ist sinnvoll – aber wer bestellt, muss auch bezahlen“, sagte Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt auf Anfrage dieser Redaktion. „Wenn der Bund Steuersenkungen beschließt, dürfen die Länder mit den Einnahmeausfällen nicht allein gelassen werden“, so Voigt weiter. Zu Recht stehe das Konnexitätsprinzip im Koalitionsvertrag. Statt bei jeder Entscheidung der Legislatur neu zu feilschen, brauche es eine grundlegende Lösung, forderte der CDU-Politiker. „Das stärkt Vertrauen – und schafft Tempo.“
Finanzminister Kingbeil zeigt sich trotz der Bedenken zuversichtlich. „Mein Ziel ist es, dass die Menschen in diesem Jahr sehen, dass sich etwas tut“, sagte er am Dienstag bei einem Besuch in Hamburg und fügte hinzu: „Jetzt ist es Zeit zu investieren.“