
Bielefeld. Deutschland muss endlich die Führungsrolle übernehmen. Das ist die Position von Wladimir Klitschko. Er ist nicht nur Ex-Boxweltmeister, sondern eine der prominentesten Stimmen der Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges setzt er sich als Botschafter für sein Land ein – für humanitäre, finanzielle und militärische Unterstützung.
„Es gab Tage, da habe ich 20 bis 30 Tote gesehen“, sagt Klitschko mit stockender Stimme. Jeder neue Tag sei für ihn heute ein Geschenk. Manchmal habe er nicht mehr daran geglaubt, noch welche zu erleben.
Warum er bei der Cheftagung der Katag-Gruppe in Bielefeld spricht? Klitschko ist auch Botschafter einer bekannten deutschen Modemarke. Was zunächst irritiert, löst sich schnell auf, wenn er über Unabhängigkeit, Demokratie und Freiheit spricht. Er nutzt seine Bekanntheit, um bei Wirtschaft und Politik für diese Grundwerte zu werben.
Europa müsse auf sich selbst aufpassen
Die Katag, Europas größte Verbundgruppe im Textil- und Bekleidungshandel, lädt jährlich zur Cheftagung. Sie versammelt führende Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – in diesem Jahr mit einem deutlich politischen Akzent.
Klitschko betont, dass die Verteidigung der Ukraine die Verteidigung der freien Demokratie in Europa bedeutet. Er warnt: Europa müsse auf sich selbst aufpassen. Er berichtet aber auch persönlich von seinen Erfahrungen an der Front. Auch mit Waffen. Besonders bewegend: Obwohl russischsprachig aufgewachsen, spricht er seit drei Jahren kein Wort Russisch mehr – als Protest gegen das, was sein Land erleiden muss.
Ukraine-Krieg: Merz verteidigt Waffenfreigabe
Auch Katag-Chef Daniel Terberger hält eine Ruckrede: Er will seine Gäste auf die Chancen in der Zukunft einschwören. „Es täte uns gut, nicht alles schlecht zu reden“, sagt er. Natürlich dürfe man den Krieg und andere Probleme nicht ausblenden, müsse sich den Realitäten stellen. „Aber wir dürfen auch stolz sein auf das, was wir haben“: Eine starke Demokratie, ein sicheres Land und hohen Wohlstand. Er wolle damit nichts beschönigen. „Aber als Wirtschaft müssen wir positiv denken. Wir müssen an uns glauben.“ Wenn Europa zusammenstehe, entstünden Chancen. „Wir können daraus lernen. Egal ob in der Außenpolitik oder im Handel.“
Wolodymyr Selenskyj in Berlin
Einen Tag nach Klitschkos Besuch in Bielefeld kommt am Mittwoch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Berlin, um Bundeskanzler Friedrich Merz zu treffen. Merz wolle bei dem Treffen Schritte hin zu weiteren Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland beraten. Demnach wolle der Bundeskanzler mit dem ukrainischen Präsidenten auch über Pläne für ein neues Sanktionspaket der EU gegen Russland sprechen.
So lief die Veranstaltung 2024: Politik-Schelte mit Humor bei der „Cheftagung“ in Bielefeld