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Fleischkonzern aus dem Kreis Gütersloh trotzt der Krise und plant neue Investitionen

„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, gab vor gut einem Jahr der frisch ins Unternehmen geholte Sanierer zu. Wie hat sich die Lage seither entwickelt? Ein Überblick.

Die TFB-Produktionsstätte im Versmolder Ortsteil Loxten wird derzeit modernisiert. | © TFB

14.11.2024 | 14.11.2024, 08:04

Versmold. Es ist gut ein Jahr her, da sparte der seinerzeit frisch ins Unternehmen geholte Sanierer Georg Hürth nicht an Deutlichkeit. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand und können nicht mehr alles zu jedem Preis machen“, fasste er die Lage des angeschlagenen Fleischwarenherstellers zusammen, verwies auf massiv gestiegene Schweinepreise, die Probleme der Inflation sowie spürbar sinkende Nachfrage nach Wurstwaren.

Eine „umfangreiche Transformation“ soll das aus den beiden Familienbetrieben Reinert und Kemper hervorgegangene Unternehmen „The Family Butchers“ zurück in die Erfolgsspur bringen. Auf Nachfrage geht die InFamiliy Foods Holding als Dachkonzern auf aktuelle Entwicklungen ein.

Zwei Standorte weniger innerhalb eines halben Jahres

Transformation - das bedeutet im Klartext zunächst auch schmerzhafte Einschnitte. Zum 30. April 2024 wurde das Werk in Neuenkirchen-Vörden geschlossen. 290 Stellen fielen dort weg. Bereits ein halbes Jahr zuvor hatte TFB die Produktionsstätte im baden-württembergischen Lörrach (Schinken Einhaus GmbH & Co. KG) aufgegeben. Davon waren etwa 40 Arbeitsplätze betroffen.

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TFB stellt heute Wurst- und Fleischwaren an vier Standorten mit sechs Produktionsstätten her: am Hauptsitz in Loxten, im niedersächsischen Nortrup, in Cloppenburg sowie in Rumänien. 2.300 Mitarbeiter erzielen Unternehmensangaben zufolge einen Jahresumsatz von 720 Millionen Euro.

Knapp 80 Mitarbeitende wechselten den Standort

Die Werksschließung in Neuenkirchen hatte unmittelbar Auswirkungen auf die Produktionsstätten in Nortrup und Versmold. Wie das Unternehmen auf Nachfrage mitteilt, sind 16 Mitarbeitende nach Loxten gewechselt.

Die Produktionskapazitäten hier wurden nicht erhöht. Anders am Werk 1 in Nortrup, wo 62 einstige Neuenkirchener Beschäftigte arbeiten und verlagerte Produktlinien zu einer Erhöhung der Produktionsleistung geführt haben.

TFB möchte Produktionsvolumen wieder erhöhen

Vor gut einem Jahr hatte die umstrukturierte TFB-Geschäftsführung angekündigt, die jährlich produzierte Tonnage bei TFB von gut 120.000 auf 97.000 zu reduzieren. Begründet wurde dies mit der Anpassung an Marktentwicklungen und den Werksschließungen. Inzwischen geht CEO Georg Hürth wieder von einer Erhöhung aus.

Hans-Ewald Reinert (l.) und Georg Hürth. - © Marc Uthmann
Hans-Ewald Reinert (l.) und Georg Hürth. | © Marc Uthmann

„In den verbliebenen sechs Produktionsstätten führten und führen wir unsere geplanten Investitionen durch. Das aktuelle Produkt- und Kundenportfolio entwickelt sich gut – sowohl im Bereich Preiseinstieg als auch im Bereich der Marken, sodass wir mit einem Zuwachs der Marktanteile rechnen“, erklärt das Unternehmen.

Gegenüber der „Lebensmittelzeitung“ wird ein Ziel von 110.000 Tonnen pro Jahr angegeben - ein Zuwachs, der fast das frühere Niveau bedeuten würde.

Wursthersteller möchte mehr Rohstoff-Sicherheit

Wer wieder mehr produzieren möchte, braucht Liefersicherheit beim Rohstoff. Dem Bericht der „Lebensmittelzeitung“ zufolge hat sich TFB auf Partnersuche begeben, um „einen strategischen Nachteil gegenüber Tönnies und Westfleisch wettmachen zu können“, die ihren Wurstherstellern innerhalb der Konzerne (Zur-Mühlen-Gruppe sowie Gustoland) durch eigene Schlachtung und Zerlegung den direkten Zugriff garantieren können.

Bei TFB, so heißt es im LZ-Bericht, habe es angesichts rückläufiger Schlachtzahlen und unbeständiger Preise mehrfach Probleme gegeben.

TFB prüft verschiedene Optionen

Angesprochen auf die Partnersuche und möglicherweise auch Unternehmensbeteiligungen teilt TFB mit: „Wir sehen uns sehr genau die Rohstoffseite an und prüfen hier verschiedene Optionen: Es geht zum einen um strategische Liefervereinbarungen und möglicherweise auch um Kooperationen.“

Wie weit diese Gespräche fortgeschritten sind, dazu macht man keine Angaben. „Das ist ein laufender Prozess. Haben Sie deshalb Verständnis, dass wir nicht näher darauf eingehen können.“

Versmolder Standort wird modernisiert

Etwas konkreter wird TFB bei den Investitionsplänen für den Versmolder Standort, an dem 665 Mitarbeitende beschäftigt sind. Das Rohwurstwerk soll modernisiert werden. „Wir investieren in die Infrastruktur, beispielsweise in den Brandschutz und in die Modernisierung der Kälteanlagen, und stellen den Standort damit zukunftssicher auf“, heißt es.

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Zusätzlich sollen neue Produktlinien eingeführt werden, die durch Werksschließungen umgelagert wurden, andere wiederum würden beendet. „Alle Maßnahmen werden während des laufenden Produktionsbetriebs umgesetzt“, heißt es vom Unternehmen.

In der aktuellen Planungsphase könne man noch keine konkreten Informationen zum zeitlichen und finanziellen Umfang nennen.

TFB sieht sich finanziell gut aufgestellt

Investitionen und wieder steigende Nachfrage - der angeschlagene Wursthersteller sendet damit ein kleines Zeichen der Erholung. Oder nicht?

Ausdrücklich weisen die beiden Gesellschafter Dr. Wolfgang Kühnl (ehemals Kemper) und Hans-Ewald Reinert (vorher Reinert) gegenüber der „Lebensmittelzeitung“ Gerüchte der Branche zurück, wonach die Partnersuche finanzielle Gründe habe. „Wir sind durchfinanziert und abgesichert“, wird Kühnl darin zitiert.

Auch in verschiedenen Pressemitteilungen betonte das Unternehmen zuletzt, dass die bisher getätigten Schritte des Transformationsprozesses TFB gut für die Herausforderungen der Zukunft aufstellten.

Wurst-Spezialisten stellen sich breiter auf

Stichwort Zukunft. Die Familien-Fleischer mit Hans-Ewald Reinert und Dr. Wolfgang Kühnl an der Konzernspitze haben bereits vor einigen Jahren begonnen, das Unternehmen breiter aufzustellen. Längst sehen sie sich nicht allein als Wurst-Spezialisten, sie wollen Ernährungs-Experten sein.

„Wir wollen allen Menschen – ungeachtet ihrer Ernährungsgewohnheiten – nachhaltig produzierte und hochwertige Proteinquellen bieten. Dafür müssen wir noch mutiger, schneller und innovativer agieren“, formulieren sie ihre Vision und bekunden den Willen, mit InFamily Foods „etwas Großes zu schaffen“.

Zwei weitere Säulen bei InFamily Foods

Neben TFB gehören zum Konzern zwei weitere Säulen: die Veggie-Sparte The Plantly Butchers (TPB) und The Cultivated B (TCB), das Technologien für kultiviertes Fleisch aus dem Labor entwickelt.

The Plantly Butchers haben mit ihrer Marke "Billie Green" kontinuierlich Marktanteile gewonnen. - © impact Agentur für Kommunikation GmbH
The Plantly Butchers haben mit ihrer Marke "Billie Green" kontinuierlich Marktanteile gewonnen. | © impact Agentur für Kommunikation GmbH

Im September 2022 lassen die Macher als Umsatzziel verlauten: „InFamily Foods will in drei Jahren die erste Milliarde knacken.“ Bis dahin ist es noch ein Jahr.

Billie Green in der Erfolgsspur

Die Entwicklungen bei TPB mit Sitz in Osnabrück jedenfalls stimmen die Verantwortlichen zuversichtlich. 2022 wurde die neue Marke „Billie Green“ auf den Markt gebracht. Vor einem Jahr lag die Mitarbeiterzahl bei 39, seitdem ist das Team auf 50 Personen gewachsen.

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„Der Fokus unserer Arbeit liegt weiterhin auf der Entwicklung neuer und innovativer Produkte, und das hat sich ausgezahlt: The Plantly Butchers ist bereits heute auf Platz 3 der erfolgreichsten Hersteller für vegane Fleischalternativen in Deutschland“, teilt TPB mit.

Junges Unternehmen im Ausland aktiv

Ebenso ist man mit Billie Green auf dem österreichischen Markt vertreten, und im Oktober weiter in den Schweizer Markt beim Handelspartner Migros expandiert. Das Sortiment von Billie Green umfasst 15 vegane Produkte, die bei 33 Handelspartnern geführt werden. Besonders gefragt seien dabei die veganen Salami-Snacks sowie die veganen Schinkenwürfel und Bacon-Alternativen.

„Wir konnten uns in den Kategorien für pflanzliche „Snacks“ sowie „Bacon/Speck“ - gemessen am Umsatz - als Marktführer etablieren“, so TPB - das Unternehmen kündigt weitere Produkteinführungen Anfang 2025 an. Im ersten Jahr hat das Start-up einen Umsatz von zehn Millionen Euro erzielt, im zweiten Jahr wurde dieser verdoppelt.

Tochter TCB will Technologien liefern

Einen „nächsten Meilenstein in der Proteinversorgung der Zukunft“ vermeldete die Holding im September 2023 und informierte über die Pläne von TCB, ein hybrides Wurstprodukt (ähnlich eines Hot Dogs) zulassen zu wollen. Man sei in erste Gespräche mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eingestiegen.

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Angesprochen auf den aktuellen Stand lässt das Unternehmen mitteilen: „Cultivated B versteht sich in erster Linie als Technologielieferant. Im Fokus stehen die Entwicklung passgenauer Bioreaktoren, die Produktion von Nährmedien und Zelllinien sowie die Forschung und Entwicklung weiterer Proteinproduktionen wie Präzisionsfermentation.“

Fleisch aus dem Reagenzglas in der Warteschleife

TCB mit Sitz in Heidelberg verfügt derzeit über ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Deutschland sowie eine Produktionsstätte in Kanada. Kunden sind unter anderem Unternehmen, die in die Produktion von kultiviertem Fleisch aktiv werden möchten.

Zum eigenen Vorverfahren für die Zulassung schreibt TCB: „Die EFSA erarbeitet zurzeit Kriterien zur Zulassung von kultiviertem Fleisch. Bis hier Klarheit herrscht, haben wir unseren Antrag in Europa on hold gesetzt.“ Soll heißen: Er befindet sich in der Warteschleife.