Neue Rekordwerte ab 2025: Krankenkassen erwarten weitere Beitragssteigerungen

Berlin/Bielefeld. Die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung sind zum Jahreswechsel erneut auf ein Rekordhoch gestiegen. Inzwischen liegt der durchschnittliche Krankenkassenbeitrag bei 16,3 Prozent vom Bruttoeinkommen. Dabei wird es nach Angaben der Krankenkassen jedoch nicht bleiben. Angesichts der geplanten Klinikreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und weiteren Plänen warnen die Kassen vor einer Beitragswelle. &bdquo;Jede zusätzliche Belastung wird unweigerlich zu steigenden Zusatzbeiträgen führen, weil die Reserven der Kassen aufgebraucht sind“, warnt der Vorstand der Bertelsmann BKK, Thomas Johannwille, als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der sieben BKK in OWL. Grund für die erwarteten Beitragserhöhungen ist nach Angaben der Kassen der sogenannte Transformationsfonds, mit dem die Umstrukturierung der Kliniklandschaft finanziert werden soll. Mit dem Referentenentwurf der Krankenhausreform wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass der Fonds 50 Milliarden Euro umfassen soll, und dass die Kosten dafür die Bundesländer und die Krankenkassen jeweils zur Hälfte übernehmen sollen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen warnt deshalb vor Mehrausgaben in Milliardenhöhe, wodurch Beitragserhöhungen vorprogrammiert sind. Der Verband der Ersatzkassen rechnet damit, dass allein aufgrund der Reform der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz bis 2027 um 0,3 Prozentpunkte erhöht werden muss. Die DAK-Gesundheit rechnet 2025 bei der Krankenversicherung mit einem Beitragsanstieg von 0,5 Prozentpunkten und bei der Pflegeversicherung von 0,2 Prozentpunkten. Nach Angaben von DAK-Vorstandschef Andreas Storm gibt es in beiden Sozialversicherungen eine stärkere Ausgabendynamik als bisher erwartet. &bdquo;In der Krankenversicherung wird bis zum Ende des Jahres ein Defizit von bis zu 2,5 Milliarden Euro auflaufen. Das ist eine sehr vorsichtige Schätzung.“ Auch die Pflegeversicherung werde anders als von Lauterbachzugesagt nicht mit den Beitragseinnahmen auskommen, sondern im Minus landen. Ein Anstieg der Beiträge bei Gesundheit und Pflege von zusammen 0,7 Punkten bedeutet für Beschäftigte mit einem Bruttoeinkommen von 3.500 Euro eine Mehrbelastung von knapp 150 Euro im Jahr. Privatversicherte und Beamte müssen nicht zahlen Johannwille kritisiert, dass für die Finanzierung von Aufgaben von Bund und Ländern inzwischen automatisch die Kassen in die Pflicht genommen werden. &bdquo;Das heißt in der Konsequenz, dass die gesetzlich Krankenversicherten und ihre Arbeitgeber für Defizite aufkommen müssen, bei denen es sich eigentlich um gesamtgesellschaftliche Herausforderungen handelt.“ Die Klinikreform ist nach Angaben Johannwilles dringend notwendig, aber eine staatliche Aufgabe. &bdquo;Stattdessen werden wieder die gesetzlich Krankenversicherten belastet, während sich Privatversicherte und Beamte nicht an den Kosten beteiligen.“ Storm kritisiert Lauterbachs Plan als Sündenfall für die solidarische Finanzierung des Gesundheitssystems. &bdquo;Es kann doch nicht sein, dass die gesetzlich Versicherten einseitig belastet werden. Das ist eine klassische Umverteilung von unten nach oben, die ich einem sozialdemokratischen Gesundheitsminister nicht zugetraut hätte.“ Bund könnte den Zusatzbeitrag deutlich senken Aus Sicht von Johannwille herrscht im Gesundheitssystem ein Ungleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben. &bdquo;Wir haben nicht zu wenig Geld im System. Doch anstatt die Strukturen zu optimieren, wurde in den vergangenen Jahren mehrfach auf Rücklagen der Kassen zurückgegriffen.“ Diese Rücklagen sind nach Angaben des Kassenchefs aber eigentlich dafür da, um den Beitragssatz möglichst konstant zu halten. &bdquo;In der Folge müssen immer mehr Krankenkassen ihre Beiträge erhöhen, um die Patientenversorgung zu sichern.“ Allein die sieben BKK in OWL haben laut Johannwille 2021 und 2023 zusätzlich zu den laufenden Zahlungen 68 Millionen Euro aus ihren Rücklagen an den Gesundheitsfonds abführen müssen. Das ist jedoch noch nicht das Ende, da die geplante Krankenhausreform einen erneuten Rückgriff auf Gelder der Krankenkassen vorsieht. &bdquo;Ein ähnliches Prinzip beobachten wir in der Krankenversicherung der Bürgergeldempfänger. Hier leistet der Bund seit Jahren zu geringe Beiträge. Die fehlenden Gelder in Höhe von zehn Milliarden Euro pro Jahr werden allein von den gesetzlich Versicherten getragen“, moniert Johannwille. Durch einen Ausgleich des Bundes ließe sich der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung nach Angaben des Kassenchefs rein rechnerisch von aktuell 1,7 Prozent auf 1,2 Prozent senken. &bdquo;Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wurde diese Fehlverteilung erkannt und Besserung gelobt.“ Umgesetzt wurde das Versprechen bislang aber nicht. &bdquo;Das kann so nicht weitergehen.“ Storm geht davon aus, dass die Krankenkassen zum Jahreswechsel 2024/2025 nur noch über Rücklagen in Höhe von 5,5 Milliarden Euro verfügen und damit gerade noch die Höhe der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve erreichen, wenn die Politik nicht gegensteuert. &bdquo;Das hat es seit der Einführung des Gesundheitsfonds vor 15 Jahren nicht gegeben“, moniert Storm. &bdquo;Die Krankenkassen fahren auf der Felge.“ Beitragserhöhungen auch in der Pflegeversicherung Lauterbach hat jedoch noch weitere Pläne mit den Mitteln der Krankenkassen. So plant der Bundesgesundheitsminister derzeit die Schaffung von zusätzlichen Medizin-Studienplätzen, die die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von bis zu 660 Millionen Euro pro Jahr fördern sollen. Laut Storm ist es unstrittig, dass mehr Studienplätze nötig sind. &bdquo;Das ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuermitteln bezahlt werden muss.“ Auch bei der Pflegeversicherung rechnet Storm damit, dass die gesetzliche Mindestrücklage zum Jahresende unterschritten wird. Dann sei wegen einer Neuregelung in der letzten Pflegereform automatisch eine Beitragserhöhung nötig. Das habe Lauterbach offensichtlich nicht kommen sehen. &bdquo;Das ist ein klassisches Eigentor der Ampel.“

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