Frau Bohn, aktuelle Umfragen zeigen, dass der Klimaschutz für die deutsche Bevölkerung mittlerweile ein wichtiges Thema geworden ist. Viele geben an, sie versuchten, im Alltag nachhaltiger zu handeln, etwa den Stromverbrauch senken, mehr saisonale Lebensmittel einkaufen. Hat sich mit dem steigenden Klimabewusstsein auch die Einstellung gegenüber Weihnachten verändert, das als Fest der Verschwendung gilt?
Obwohl das Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz gewachsen ist, zeichnen sich laut Statistiken keine großen Veränderungen hin zu einem wirklich „nachhaltigen“ Weihnachtsfest ab. Und das liegt sicherlich auch daran, dass Weihnachten in vielerlei Hinsicht ein mit Konsum einhergehendes Fest ist und bleibt. Und hier geht es gar nicht mal „nur“ um die Geschenke. Der ganz überwiegende Teil der Bräuche, die in Deutschland mit Weihnachten verbunden werden, sind potenziell mit Konsum verbunden: sei es der Kauf eines Weihnachtsbaumes, neuer Weihnachtsdekoration, das Weihnachtswichteln. Das entspricht nicht unbedingt den Nachhaltigkeitskriterien.
Kein Fest rührt so viele Emotionen auf wie Weihnachten. Lieb gewonnene Familientraditionen werden gepflegt. Überlagert das die guten Vorsätze, in diesem Jahr vielleicht weniger zu schenken, auf den Tannenbaum zu verzichten oder an Heiligabend ein vegetarisches Menü zu kochen?
Hier spielen sicher viele Faktoren eine Rolle, darunter auch Emotionen. Traditionen vermitteln uns Sicherheit, ein Gefühl von Heimat und gerade in diesen Zeiten, in denen so viele furchtbare Nachrichten belasten und Angst machen, auch einen gewissen Trost. Da ist die Hürde, genau diese Traditionen infrage zu stellen, selbstverständlich groß.
Darüber hinaus sind natürlich noch andere Faktoren mit ursächlich dafür, dass es trotz guter Absichten oft nicht gelingt, Weihnachten „nachhaltiger“ zu feiern. Soziale Gepflogenheiten zum Beispiel, die es vielen unmöglich erscheinen lassen, ohne ein kleines „Stehrümchen“ in der Adventszeit eine Einladung wahrzunehmen. Ob alle Deko-Gegenstände, die in dieser Zeit verschenkt werden, wirklich gebraucht werden? Auch die Werbung großer Unternehmen trägt natürlich einen Anteil dazu bei, die uns suggeriert: Einfach mal „nichts“ schenken. Das geht eigentlich gar nicht, irgendwas braucht jede und jeder. Nur in der Theorie ist es einfach, sich diesen äußeren Einflüssen zu entziehen.
Schenken macht vielen Menschen eine Freude, ist aber nicht zwingend mit materiellen Dingen verbunden. Haben Sie Vorschläge?
Zum Beispiel, dass man „Zeit statt Zeug“ schenkt und diese Zeit dann wiederum nicht mit Konsum füllt, sondern beispielsweise mit einem Spieleabend oder einem Ausflug in die Natur. Oder gebrauchte Produkte verschenkt, das ist bei Büchern für Klein und Groß oder Kleidung oft wirklich gut möglich - und das auch „offline“ in Second-Hand-Läden und auf Bücherbasaren.
„Anders“ schenken kann natürlich auch bedeuten: weniger schenken. Häufig entwickeln sich über die Zeit ja Automatismen, in der Familie schenken alle einander etwas für einen bestimmten Betrag. Das könnte man mal hinterfragen: Wie wäre es mit einem Wichteln unter dem Tannenbaum, bei dem jedes Familienmitglied nur ein Geschenk erhält? Oder mit „Spenden statt Schenken“? Ich persönlich kenne viele Menschen, die sich freuen, wenn sie kein Geschenk erhalten, sondern stattdessen eine Spende für einen gemeinnützigen Zweck in ihrem Namen getätigt wird.
(epd)