Tönnies gründet neue Klimaplattform

Fleischkonzern Tönnies bindet Landwirte in Nachhaltigkeitskonzept ein

Ein neues Portal soll helfen, die Klimabilanz der Lieferbetriebe zu verbessern

Moderne Schweinemast setzt auf Nachhaltigkeit und behält auch die Klimaziele im Blick. | © Tönnies

Matthias Bungeroth
21.11.2023 | 21.11.2023, 05:00

Rheda-Wiedenbrück. Nutztierhaltung in Deutschland ist kein Auslaufmodell. Davon sind die Experten des Fleischkonzerns Tönnies mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück fest überzeugt. Mehr noch: Der Fleischgigant mit einem Jahresumsatz von gut 6,2 Milliarden Euro legt nun auch eine neue „Klimaplattform Fleisch“ auf, die zeigen soll, dass Nutztierhaltung in Deutschland Klimaziele und Nachhaltigkeit einbinden und positiv weiterentwickeln kann.

Die Plattform, in die sich landwirtschaftliche Betriebe einbringen sollen, wird am kommenden Mittwoch, 22. November, auf einem „Zukunftsforum Landwirtschaft“ in Rheda-Wiedenbrück vorgestellt. Zu den Gästen gehören NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) und Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV).

Experten aus dem Hause Tönnies erläuterten auf Anfrage dieser Zeitung die wichtigsten Aspekte. „Wir wollen damit den Stein ins Rollen bringen für eine Brancheninitiative“, sagt Thomas Dosch, Chef des Hauptstadtbüros von Tönnies und von Tönnies Bio. Damit sollen die Vorgaben des seit Ende August geltenden, neuen Gesetzes für die Tierhaltung weiterentwickelt werden, wie es heißt.

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Familienbetriebe sind unverzichtbar

„Wir wollen die deutsche Landwirtschaft stärken“, unterstreicht auch Franziska Elmerhaus, Projektleiterin in der Stabsstelle Landwirtschaft bei Tönnies. Denn die heimische Landwirtschaft und hier insbesondere die große Zahl der Familienbetriebe sei für Tönnies unverzichtbar. „Der deutsche Markt ist und bleibt für den Lebensmittelproduzenten der wichtigste Markt.“

Die hinterlegten Parameter in der „Klimaplattform Fleisch“ sollen dazu beitragen, die Klimabilanz der fleischproduzierenden Betriebe zu verbessern. Tönnies arbeitet laut eigenen Angaben mit rund 11.000 Lieferbetrieben in Deutschland zusammen.

Mit von den Betrieben auf der Plattform erfassten Daten soll es laut Dosch möglich sein, eine Transparenz für die Klimarelevanz der Nutztiere wie zum Beispiel der Schweine herzustellen und eine CO?-Bilanz für jeden Betrieb auszuweisen. In die Berechnung fließen Faktoren aus der Tierhaltung, der Tiergesundheit oder Kennzahlen aus der Fütterung ein, die Auskunft über gute landwirtschaftliche Praxis geben soll.

Verbesserung des Güllemanagements

Zur nachhaltigen Fütterung zählen beispielsweise dem Bedarf angepasste Fütterungskonzepte, die Verwendung entwaldungsfreien Sojas oder alternativer Eiweißträger sowie der Einsatz von Nebenprodukten aus der Lebensmittelerzeugung. Zur Verbesserung des Güllemanagements sind Angaben zur Güllelagerung und -aufbereitung sowie ein Vorrang für Wirtschaftsdünger vorgesehen.

Erste Partnerbetriebe, berichtet Dosch, hätten die Plattform bereits genutzt. Eine Serie von Regionaldialogen mit der Landwirtschaft sei diesem Schritt vorausgegangen. Der Wille zur Beteiligung sei groß, denn man nehme wahr, dass die Betriebe in der Öffentlichkeit schlechter dargestellt würden, als die Branche es verdient habe.

„Wir sind ein Gunst-Standort“, betont Elmerhaus, denn Deutschland gehöre weltweit zu den Ländern mit den besten Bedingungen für die Produktion von Fleisch. Aber die Zahl der entsprechenden landwirtschaftlichen Lieferbetriebe habe in den vergangenen zehn Jahren um etwa die Hälfte abgenommen. „Das ist nicht gut“, so Dosch. Gerade die Fleischproduktion in regionalen Kooperationen, wie sie auch in Westfalen-Lippe bestehe, sei für eine nachhaltige, kreislauforientierte Landwirtschaft unverzichtbar. Mit der neuen Plattform wolle man unter diesen Betrieben auch einen positiven Wettbewerb um die besten Konzepte in Gang setzen.

Das Konzept muss Kunden überzeugen

Wichtig ist den Betreibern der „Klimaplattform Fleisch“ nach eigener Aussage, dass diese „kein bürokratisches System“ ist; die Teilnahme an dem System „ist kein Kostenfaktor“, betont Dosch. Klar ist für ihn, dass das Konzept letztlich vor allem die Kundinnen und Kunden überzeugen muss. „Wir befinden uns in einem Spannungsfeld auskömmlicher Preise für Betriebe und möglichst günstiger Verbraucherpreise.“

Dieses Spannungsfeld soll auch dadurch etwas aufgelöst werden, dass Effizienz in das System mit aufgenommen wird. „Ein Schwein, das 100 Kilogramm wiegt, kann nicht finanziert werden, wenn davon bei uns nur 30 Kilogramm als Lebensmittel auf den Teller kommen. Es muss uns gelingen, dass wir die kompletten 100 Kilogramm in Wert setzen“, unterstreicht Dosch. Und wenn in Deutschland nur Filet, Schinken und Schnitzel nachgefragt würden, dann müssten fettige Schweinebäuche oder Schweineschwänzchen in Länder verkauft werden, die diese als Spezialitäten bevorzugen. „Das gehört mit zur Nachhaltigkeit“, betont er.