Tchibo schreibt rote Zahlen und stampft erste Angebote ein

Der Kaffee- und Handelskonzern Tchibo muss einen herben Verlust hinnehmen. Im vergangenen Jahr ist das Hamburger Unternehmen tief in die roten Zahlen gerutscht: Unterm Strich verbuchte es 2022 einen Verlust von 167 Millionen Euro vor Steuern und Zinsen - ein Jahr zuvor hatte da noch ein Gewinn von 176 Millionen Euro gestanden. Das gab die Konzernmutter Maxingvest in einer Mitteilung bekannt. Der Umsatz blieb auf nahezu konstantem Niveau. Grund für den Rekordverlust seien geringere Deckungsbeiträge infolge der &bdquo;dramatisch gestiegenen“ Kosten für Rohwaren, Energie und Fracht sowie gestörte Lieferketten. Hinzu sei die Kaufzurückhaltung der Kundinnen und Kunden gekommen. Tchibo-Chef Werner Weber sprach im &bdquo;Handelsblatt“ von einem &bdquo;perfekten Sturm“: Die Beschaffungspreise seien deutlich gestiegen – sowohl bei Kaffee als auch bei den Non-Food-Artikeln aus Holz oder Biobaumwolle. Gleichzeitig kauften die Leute nach Ende der Pandemie weniger Aktionswaren, und man habe die gestiegenen Einkaufspreise nicht weitergeben können. Nun werde es Kurskorrekturen geben, kündigte Weber an. &bdquo;Wir werden Kaffee künftig mehr in den Vordergrund stellen“, sagte er dem &bdquo;Handelsblatt“ – verneinte allerdings einen kompletten Kurswechsel. Aktuell betreibt Tchibo nach eigenen Angaben rund 550 Filialen in Deutschland, hinzu kommen rund 18.700 Depots im Fach- und Lebensmittelhandel. Zuletzt zählte das Unternehmen deutschlandweit etwa 7.250 Beschäftigte. Allerdings kündigte es vor wenigen Wochen an, etwa 300 Stellen zu streichen. Tchibo wird keine Reisen mehr vermitteln Auch an anderen Stellen will der Konzern umdenken. Künftig sollen keine Reisen mehr vermittelt werden. &bdquo;Ende Oktober werden wir die Vermarktungen beenden“, sagte Konzernsprecher Arnd Liedtke auf Anfrage dieser Redaktion. Tchibo habe sei 1997 erstmals Reisen angeboten, das Geschäft habe sich zwar im Laufe der Jahre gut entwickelt, aber zuletzt ein zu geringes Wachstumspotenzial gehabt. &bdquo;Wir haben daher beschlossen, uns auf unsere anderen Geschäftsfelder zu fokussieren.“ Kunden müssten sich keine Sorgen machen, alle über Tchibo vermittelten Reisen würden durch die Veranstalterpartner durchgeführt. Zunächst hatte die &bdquo;Lebensmittel Zeitung“ über diesen Schritt berichtet. Liedtke betonte, dass neben dem Fokus auf Kaffee klar sei, dass das Non-Food-Geschäft fest zu Tchibo gehöre – allerdings konzentriere man sich nun besonders auf starke Kategorien und werde das Angebot in anderen reduzieren. Ist das Geschäftsmodell aus der Zeit gekommen? Dass Tchibo jetzt einlenkt, kommt für Jörg Funder nicht überraschend. Das Geschäftsmodell sei ein wenig aus der Zeit gefallen, sagt der Handelsexperte von der Hochschule Worms. &bdquo;Was früher gut war, muss nicht immer funktionieren“, meint er. &bdquo;Jede Woche eine neue Welt: Das war in den 90er-Jahren sehr erfolgreich.“ Ziel sei gewesen, Produkte anzubieten, die immer wieder neu oder überraschend für die Kunden waren – teilweise durch Vorschläge, von denen man gar nicht gewusst habe, dass es so etwas überhaupt gibt. &bdquo;Da war der Kaffee weniger wichtig“, sagt Funder. Jetzt gebe es aber immer weniger Artikel mit einem solchen Effekt. Sicherlich spiele dabei auch der Onlinehandel eine Rolle, meint der Hochschulprofessor. Nicht zuletzt Plattformen wie Temu machen da längst Konkurrenz. Hinzu komme, dass man bei diesem Konzept auf der Ware, die innerhalb des Zeitraums nicht verkauft werde, sitzenbleibe. Kaufzurückhaltung macht sich bemerkbar Und dann ist da noch die generelle Kaufzurückhaltung. Dass sich Tchibo nun mehr auf den Kaffee fokussiert, hält Funder zwar für sinnvoll. Schließlich halten sich die Deutschen beim Außerhauskonsum von Kaffee nicht gerade zurück – im Gegenteil: Laut einer Umfrage des Deutschen Kaffeeverbandes schnellt der Kaffeeverbrauch außer Haus seit Ende der Corona-Pandemie in die Höhe. Funder hat allerdings seine Zweifel, ob das ausreicht. &bdquo;Der große Wurf ist das nicht“, sagt er über die Pläne, stärker auf Kaffee zu setzen. Vielmehr brauche es eine umfassende Strategie, die beispielsweise die Frage beantworte, was der Kern der Marke sei, wer die Zielkundschaft – und was der Grund sein soll, warum Kunden zu Tchibo gehen. Tchibo blickt optimistisch auf 2023 Tchibo selbst erwartet für 2023 eine deutliche Verbesserung – auch beim Ergebnis. &bdquo;Unsere Margen verbessern sich im laufenden Jahr bereits wieder, da sich unter anderem die Einstandspreise für Rohwaren, die Transportkosten und auch der Dollar positiv entwickeln und das sowohl beim Kaffee als auch bei Non Food“, sagt Tchibo-Sprecher Liedtke. Gleiches gelte die für Energiepreise. &bdquo;Dank dieser Entwicklung und der erwarteten schrittweisen Verbesserung der Geschäftslage im zweiten Halbjahr gehen wir für das Gesamtjahr von einem positiven Betriebsergebnis aus.“

Meistgelesen