Ahlers geht in die Insolvenz: Darauf müssen sich Herforder Mitarbeiter jetzt einstellen

Herford. Die Ahlers AG und sieben Tochtergesellschaften haben am Montagvormittag einen Antrag auf Insolvenz beim Amtsgericht Bielefeld gestellt. Um 11 Uhr ging der Antrag bei Gericht ein. Der Vorstand habe sich am Morgen entschieden, für die Hauptgesellschaft Ahlers AG sowie für die Tochtergesellschaft Ahlers P.C. GmbH (betrifft die Marke Pierre Cardin, Anm. d. Red.) Insolvenzanträge wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Zudem gehen sechs weitere GmbHs der Gruppe – die Ahlers Retail, die Ahlers Zentralverwaltung, die Ahlers Vertrieb, Pionier Berufskleidung, Pioneer Jeans-Bekleidung und Baldessarini – in die Insolvenz. Weitere Tochtergesellschaften, darunter die Ahlers-Marke Otto Kern und insbesondere auch die Gesellschaften aus dem Ausland, seien derzeit nicht von der Antragsstellung betroffen, heißt es von Ahlers. &bdquo;Die wirtschaftliche Situation der Ahlers Gruppe hat sich in den vergangenen Wochen aufgrund des extrem krisenhaften Umfelds für die Modebranche und den Einzelhandel zugespitzt“, so Carla Henkel, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, auf Anfrage. Gemeint seien allgemeine Kaufzurückhaltung, hohe Preissteigerungen für Materialien oder Energie und auch die Insolvenzen wichtiger Handelskunden. &bdquo;Diese Situation hätte ein weitergehendes Engagement der Finanzierer des Unternehmens erfordert. Hier konnte leider keine Einigung in den Verhandlungen erzielt werden, so dass der Vorstand die Situation neu bewerten musste“, erklärt Henkel. Noch im Februar klangen die Aussichten optimistisch &bdquo;Trotz Restrukturierungserfolgen lässt die aktuelle Marktsituation leider keine andere Entscheidung zu”, wird Ahlers-Chefin Stella Ahlers in der Mitteilung des Unternehmens zitiert. Der Geschäftsbetrieb läuft in der gesamten Gruppe bis auf Weiteres weiter. Die international tätige Ahlers AG mit den Marken Baldessarini, Pierre Cardin, Pioneer und Otto Kern gehört nach eigenen Angaben zu den führenden Herstellern hochwertiger Herrenmode in Europa. Noch im Februar hatte das Unternehmen ein Umsatzplus von knapp 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr für das Geschäftsjahr 2021/2022 vermelden können. Allerdings klang auch hier bereits an, dass die Erlöse auch damit noch deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau gelegen hätten. Durch Maßnahmen wie strategische Markenschärfung, Kostensenkungen und die gezielte Erhöhung der internen Effizienz hatte das Unternehmen in den vergangenen Jahren allerlei Anstrengungen unternommen, um gegenzusteuern. &bdquo;Die erreichten Erfolge werden jedoch durch das aktuelle Marktumfeld zunichte gemacht“, so Stella Ahlers. Ahlers beschäftigt derzeit rund 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den von den Insolvenzanträgen betroffenen Gesellschaften arbeiten rund 400 Beschäftigte, davon rund 340 in Herford. &bdquo;Die restlichen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilen sich bundesweit und sind hauptsächlich in den Outlets beschäftigt“, so Carla Henkel. Die Mitarbeitenden bei Ahlers seien zu einhundert Prozent tarifgebunden beschäftigt, war von der zuständigen Gewerkschaft, der IG Metall, zu erfahren. &bdquo;Nachdem bereits vor Jahren auf Antrag der Konzernspitze in Herford eine Landesbürgschaft vom Wirtschaftsministerium in Düsseldorf genehmigt wurde, lag immer eine Anspannung über dem Unternehmen an der Elverdisser Straße“, äußerte sich Peter Kleint von der IG Metall in Herford. Ahlers ist auch ein Markenbotschafter für die Stadt, so Tim Kähler Dennoch sei der Zeitpunkt der Insolvenz überraschend gewesen, da sich die Bekleidungsbranche nach der Corona-Krise wieder leicht im Aufwind befände, so Katharina Wachsmann, die bei der IG Metall für die betroffenen Ahlers-Unternehmen zuständig ist. Die Stimmung bei den Beschäftigten sei gedrückt. Die betroffenen Beschäftigten erhalten zunächst für die Monate April, Mai und Juni Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit. Die Gewerkschaft habe dem Betriebsrat der Ahlers AG geraten, juristischen Beistand für die Beschäftigten einzuholen. Nur so sei zu gewährleisten, dass auch die Ansprüche der betroffenen Beschäftigten gesichert würden und dass alles dafür getan werde, um neue Investoren zur Fortführung des Konzerns zu finden. Die Hoffnung auf Fortführung hat auch Chefin Stella Ahlers: &bdquo;Wir haben starke Marken, gewachsene Kernkompetenzen und eine leistungsfähige Organisation. Das stimmt mich zuversichtlich mit Blick auf Zukunftsoptionen für unser Unternehmen.” Mit Sorge blickt auch Herfords Bürgermeister Tim Kähler auf die Entwicklungen bei Ahlers. &bdquo;Das Unternehmen ist auch ein Markenbotschafter für unsere Stadt, und die Familie Ahlers hat sich oft und viel in Herford engagiert.“ Die Hersteller und auch der gesamte Einzelhandel stünden derzeit allerdings vor großen Herausforderungen. &bdquo;Ich habe aber die starke Hoffnung, dass die Firma Ahlers sich mit der Insolvenz regeneriert und dann mit neuer Stärke weitermachen kann“, so Kähler. Das Amtsgericht Bielefeld hat noch am Montag das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Ahlers AG angeordnet und Rechtsanwalt Biner Bähr von der Kanzlei White & Case als vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Bähr und sein Team werden sich unverzüglich einen Überblick zur Situation der Ahlers Gruppe verschaffen. Priorität habe dabei die Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebs. Insolvenzverwalter war schon bei anderen großen Namen im Boot &bdquo;Ahlers ist ein traditionsreiches Unternehmen mit einem Portfolio starker Modemarken und eine der führenden Adressen für hochwertige Männermode. Unsere Priorität muss zunächst darauf liegen, im Zusammenspiel mit Mitarbeitern, Handelskunden und Lieferanten die Voraussetzungen zu schaffen, dass der Geschäftsbetrieb so reibungslos wie möglich weiterlaufen kann. Sodann wird es darum gehen, alle Optionen auszuloten, die eine Zukunft der Gruppe als Ganzes oder einzelner Marken ermöglichen“, erklärte Bähr. Der promivierte Jurist und Betriebswirt (BA) hat bereits in Zusammenhang mit den Insolvenzen der Kaufhauskette Hertie, der Modemarkte Gardeur oder von Teldafax die Insolvenzverwaltung übernommen. Als so genannter Sachwalter war er auch an der Sanierung des internationalen Modekonzerns Esprit beteiligt.

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