Bund und Länder zoffen sich über Energiepreise und Entlastungen

Die hohen Energiepreise und die wachsenden Belastungen für die Verbraucher steigern den Druck auf die Politik. Vor der Sitzung des Bundeskabinetts und dem Treffen aller Regierungschefs der Länder zur Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) an diesem Mittwoch - welches aufgrund seiner Corona-Infektion ohne Bundeskanzler Olaf Scholz stattfindet - wird deshalb heftig über Entlastungen und Maßnahmen gegen Energieknappheit und -verteuerung gestritten. Bund und Länder waren dabei noch weit von einer Einigung über weitere Entlastungsschritte für die Bürger entfernt, wie eine Beschlussvorlage des Kanzleramts vom Montag zeigt, die die dieser Redaktion vorliegt. Am Dienstag wurde nun die ursprünglich nach der Länder-MPK geplante Besprechung mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kurzfristig um eine Woche verschoben - offiziell, weil Scholz das Treffen nun doch in Präsenz statt per Videoschalte will, die wegen seiner Corona-Infektion nötig wäre. Tatsächlich sind vor allem Finanzierungsfragen des vom Kabinett beschlossenen Entlastungspakets III zwischen Bund und Ländern nach wie vor ungeklärt, wie aus dem Papier hervorgeht. Die Länder werfen der Bundesregierung vor, eigenmächtig eine milliardenschwere Länderbeteiligung an den Kosten beschlossen zu haben - und verweigern deshalb bislang ihre Zustimmung zur Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags, zum Bürgergeld und zur Wohngeldreform der Ampel, zum Heizkostenzuschuss und einer 200-Euro-Einmalzahlung für Studenten und Fachschüler und zur Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket. Alternative: Staatliche Unterstützung statt Gasumlage Und auch innerhalb der Ampel-Koalition gingen die Verhandlungen rund um die Energiekrise am Vorabend in ihre heiße Phase. Besonders heftig wurde dabei um eine Alternative zur umstrittenen Gasumlage gerungen. Die Umlage wurde von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) konzipiert und vom gesamten Bundeskabinett Anfang August beschlossen, um Gasversorgungsunternehmen angesichts der hohen Weltmarktpreise vor der Pleite zu bewahren und damit die Gasversorgung für Deutschland zu sichern. Es handelt sich um einen Aufschlag, den alle Gasverbraucher von diesem Samstag, dem 1. Oktober, an zahlen müssen und der dann an die Versorgungsunternehmen weitergegeben wird, die zuvor von russischen Lieferungen abhängig waren. Zuletzt hatten sich SPD und FDP jedoch so deutlich von dem Modell distanziert, das die Verbraucherpreise weiter steigert, dass die Ampel-Regierung nun nach anderen Geldquellen zur Rettung der betroffenen Firmen sucht. Am Dienstag sagte Habeck, er halte eine staatliche Unterstützung für die Unternehmen für die beste Alternativlösung zur Gasumlage. Der Zweck der Stabilisierung des Marktes lasse sich anstelle der Umlage auch erreichen, indem den Firmen der nötige Kapitalbedarf aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt werde: Das &bdquo;wäre die beste Lösung, gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Verstaatlichung von Uniper“, sagte Habeck der DPA. &bdquo;Eine Alternative zur Umlage ist nötig, aber sie ist kein Hexenwerk, wenn es Bereitschaft gibt, die Finanzkraft dafür aufzuwenden.“ Kompromiss? Schuldenbremse fällt, wenn Atomkraft verlängert wird An dieser Bereitschaft hatte es vor allem bei der FDP gemangelt. Aus Regierungskreisen hieß es nun, dass die Abschaffung der Gasumlage in einem gemeinsamen Paket mit einer &bdquo;Gaspreisbremse“ verhandelt werde, die zuletzt auch FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner ins Spiel gebraucht hatte. Eine solche Preisdeckelung hat allerdings nicht den Zweck, die Gasversorgung sicherzustellen. Sie soll vielmehr die Verbraucher von zu hohen Kosten entlasten - dafür müsste allerdings Steuergeld aufgebracht und deshalb wohl die Schuldenbremse erneut ausgesetzt werden, um neue Staatskredite aufnehmen zu können. Dagegen hatte Lindner sich bis zuletzt gestemmt. Denkbar könnte das jedoch werden, wenn die Bundesregierung zugleich &bdquo;das Energieangebot erhöht“, ehe man Preisdeckel und Staatshilfen beschließt. Sprich: Die Grünen müssten auch einer Verlängerung der Atomkraft zustimmen. Tatsächlich deutete Habeck am Dienstag öffentlich an, dass der Streckbetrieb von zwei der drei als Reserve vorgesehenen letzten Atomkraftwerke - also das Weiterlaufen ohne Bestellung neuer Brennstäbe - immer wahrscheinlicher werde: &bdquo;Wir sind jetzt schon in einem Bereich, wo der Stresstest sagt: Da kann es notwendig werden, Atomkraftwerke für die Netzsicherheit einzusetzen“, sagte er auf einer Klimakonferenz des &bdquo;Spiegel“. Nicht die Strommenge sorge ihn, sondern die Netzstabilität angesichts des weiterhin fehlenden Atomstroms in Frankreich, so Habeck. Problem: Studenten kommen mit 200 Euro nicht durch den Winter Nicht nur aus Sicht der Gewerkschaften ziehen sich all diese Verhandlungen schon jetzt zu lange hin. &bdquo;Ich erwarte, dass Bund und Länder sich zügig einigen, um spürbare Entlastungen für die Menschen schnell auf den Weg zu bringen“, sagte die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, dieser Redaktion. &bdquo;Angesichts der Teuerung und der enormen Belastung für breite Bevölkerungsschichten ist keine Zeit für politische Pokerspielchen.“ Die Bevölkerung habe kein Verständnis dafür, länger auf angekündigte Maßnahmen zu warten, so Fahimi. Auch das Studentenwerk sagte dieser Redaktion, die Einmalzahlung von 200 Euro würde nicht dafür ausreichen, dass die Studierenden über den Winter kommen. Der Städte- und Gemeindebund schloss sich den Rufen nach einer Energiepreisbremse an: &bdquo;Die Kosten in Milliardenhöhe sind legitim, da sonst ein wirtschaftlicher Abschwung und eine Rezession drohe“, sagte sein Chef Gerd Landsberg.

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