Was Sie über die Gas-Umlage wissen sollten - und was noch kommt

Bielefeld. Die gestiegenen Energiepreise machen sich schon bald in den Portemonnaies der Menschen bemerkbar. Mit der jetzt von der Bundesregierung beschlossenen Gas-Umlage kommen ab dem 1. Oktober 2022 weitere Mehrkosten auf die Verbraucherinnen und Verbraucher zu. Viele Menschen sind betroffen, denn etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt. Gas-Kunden mit einem Laufzeitvertrag mit Preisgarantie galten bisher als von der Umlage ausgenommen. Aktuell wird geprüft, ob auch diese Verbraucher die Gas-Umlage zahlen müssen. Doch schon vor dem 1. Oktober haben zahlreiche Versorger unabhängig von der Gas-Umlage ihre Preise erhöht. Zum 1. August erhöhten die Stadtwerke Bielefeld beispielsweise den Gaspreis pro Kilowattstunde um 2,42 Cent, was für einen Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 16.000 Kilowattstunden Mehrkosten von 32,20 Euro pro Monat bedeutet. Eine weitere Preiserhöhung kündigten die Bielefelder Stadtwerke für Anfang Januar an. Ähnlich machen es die Stadtwerke in Gütersloh. Obwohl es da bereits im Januar dieses Jahres eine Preiserhöhung gab, stieg der Gaspreis auch für die Bestandskunden zum 1. August erneut. Auch die Strompreise sind von der Erhöhung betroffen. Wen eine Preisgarantie schützen könnte Einziger Hoffnungsschimmer für Gas-Kunden ist die Preisbindung, die in einigen Verträgen festgehalten ist und eine Erhöhung des Gaspreises vonseiten des Versorgers während der Vertragslaufzeit verhindert. "Dabei ist jedoch zwischen einer vollen und einer eingeschränkten Preisgarantie zu unterscheiden", sagt Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale NRW. Denn ein Vertrag mit eingeschränkter Preisgarantie könne durch den Staat geändert werden - beispielsweise durch eine gesetzlich beschlossene Gas-Umlage. Kunden mit einer eingeschränkten Preisbindung werden also zahlen müssen. >>> "L-Gas-Gebiet" OWL: Wie würde ein Gas-Mangel im Winter die Region treffen? "Ob die Umlage in diesem Fall auch die Kunden mit einer vollen Preisgarantie betrifft, ist noch offen", sagt Schneidewindt. Dass es solch eine Form von Privilegierung geben wird, kann sich der Referent für Energierecht aber nicht vorstellen. Auch wenn der Verband der kommunalen Unternehmen deswegen bereits bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Alarm geschlagen hatte, dass der Staat nach dem aktuellen Energie-Sicherungsgesetz nicht in bestehende Verträge eingreifen könne. "Wenn die gasintensive Industrie, die in der Regel Verträge mit voller Preisgarantie haben, und private Verbraucher mit Preisgarantie, von denen es immer mehr gibt, von der Gas-Umlage ausgenommen werden, dann wird die Umlage keinen Effekt haben." Dennoch erwartet Schneidewindt diesbezüglich in den kommenden Tagen noch einen "Lobbykampf". Wen der Gas-Schock besonders hart trifft Besonders "bitter" werde es allerdings jene Kunden treffen, deren Vertrag in den kommenden Monaten ausläuft, sagt Schneidewindt. "Wer dann einen neuen Vertrag abschließt, muss sich – weil der Kunde vor längerer Zeit bei einem niedrigeren Preisniveau abgeschlossen hat - auf eine sehr hohe Preiserhöhung einstellen", bestätigt auch Gerd Lottmann, Sprecher des Energieversorgers EWE. Vor Ablauf der fixierten Vertragslaufzeit biete EWE seinen Kunden wie gewohnt ein neues Angebot an. Neukunden im Gas-Segment könne EWE aktuell allerdings kein Angebot machen. EWE hat Anfang August wie auch beispielsweise der Energieversorger E.On die Gaspreise für die Grundversorgung erhöht. Dennoch raten Verbraucherschützer dazu, genau zu prüfen, ob ein neuer Vertrag sinnvoll ist, oder es möglicherweise günstiger ist, in die Grundversorgung zu rutschen. "In der Vergangenheit war die Grundversorgung immer teurer, doch inzwischen kann sie sogar günstiger als ein Vertrag sein", sagt Schneidewindt. Dennoch sei zu bedenken, dass es sicherlich noch weitere Preiserhöhungen geben, also auch die Grundversorgung noch teurer werde. Und die Gas-Umlage kommt noch oben drauf. "Wir sind noch nicht auf der letzten Stufe der Preiserhöhungen", ist sich Schneidewindt sicher. "Dass die Gasversorgung aus Russland vom einen Tag auf den anderen wieder reibungslos läuft, ist nämlich eher unwahrscheinlich." Darum sei das einzig wirksame Mittel, um Kosten zu sparen, Energie zu sparen, sagt Lottmann. "Außerdem sollten Verbraucher die Abschläge erhöhen, um eine böse Überraschung zum Ende des Jahres bei der Jahresabrechnung zu vermeiden." Was die 2,4 Cent Gas-Umlage für den Geldbeutel bedeuten Auf einen Familienhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden kommen nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 Mehrkosten in Höhe von 576 Euro zu - ohne Mehrwertsteuer 484 Euro. Für einen Einpersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 5.000 Kilowattstunden bedeutet die Umlage ohne Mehrwertsteuer jährliche Zusatzkosten von rund 121 Euro. Mit wären es rund 144 Euro. Nach der Entscheidung der EU-Kommission, dass Deutschland die Mehrwertsteuer erheben muss, läuft es nun auf die jeweils höheren Werte hinaus. Wann die Umlage bei den Verbrauchern ankommt Die Umlage gilt ab Anfang Oktober. Sie werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium. Ankündigungsfristen von vier bis sechs Wochen müssten eingehalten werden. Daher werde die Umlage wahrscheinlich erst im November oder Dezember erstmals auf den Rechnungen ausgewiesen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft rechnet allerdings damit, dass einige Versorger die Umlage schon ab dem 1. Oktober ihren Kunden in Rechnung stellen werden. Wie lange sollen Gas-Kunden die Umlage zahlen? Die Umlage endet am 1. April 2024. Sie wird laut Wirtschaftsministerium monatlich abgerechnet und erscheint als Aufschlag auf der Gasrechnung. Kann sich die Höhe der Umlage noch ändern? Ja, der Wert kann alle drei Monate je nach Marktentwicklung entsprechend angepasst werden. Die Ausgleichszahlungen bekommen die Importeure nur unter bestimmten Bedingungen. Abgerechnet werden können 90 Prozent der Mehrkosten. Noch bis Ende September müssen die Unternehmen alle Mehrkosten selbst tragen. Sollte Russland gar kein Gas mehr liefern, hält Wirtschaftsminister Robert Habeck es für wahrscheinlich, dass die Umlage steigt. Fällt noch Mehrwertsteuer auf die Gas-Umlage an? Die Bundesregierung will keine Mehrwertsteuer darauf erheben: Finanzminister Christian Lindner hat auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten. Für den Fall, dass keine Ausnahme gemacht wird, hat Wirtschaftsminister Robert Habeck &bdquo;Ausgleichsmechanismen“ angekündigt. Welche Umlagen noch kommen Neben der Beschaffungsumlage kommt im Herbst noch eine Gasspeicherumlage. Diese soll die Kosten ersetzen, die für die Extra-Einspeicherung von Erdgas zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit im Winter entstehen. Das Wirtschaftsministerium geht aber nicht davon aus, dass diese Umlage eine &bdquo;relevante Größe“ erreichen wird. Sind Entlastungen für Betroffene geplant? Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Bürgern angesichts der Gas-Umlage ein weiteres Entlastungspaket zugesichert. &bdquo;Wir lassen niemanden allein mit den höheren Kosten“, teilte der SPD-Politiker am Montag auf Twitter mit. Auch Wirtschaftsminister Habeck sagte, die Umlage müsse und werde von einem weiteren Entlastungspaket begleitet werden. Die Bundesregierung habe sich schon auf erste Schritte wie eine Ausweitung des Wohngeldes mit einem Heizkostenzuschuss verständigt. &bdquo;Ich meine aber, dass weitere zielgenaue Entlastungen nötig sind. In dieser Krise müssen wir den demokratischen Konsens sozialpolitisch absichern.“ Die konkrete Ausgestaltung ist aber unklar. Steigt die Inflation? Die Gasumlage wird nach Ansicht von Ökonomen zu einer Steigerung der Inflationsrate führen. So hält das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung eine Inflationsrate im vierten Quartal um die zehn Prozent für möglich. Experten der Commerzbank gehen von einer Steigerung der Teuerung bis Jahresende auf deutlich über neun Prozent aus.

Meistgelesen