NRW-Bauministerin Scharrenbach: „Baupreise werden nächstes Jahr sinken“

Frau Scharrenbach, wer aktuell ein Haus bauen oder sanieren will, sieht sich massiven und unerwarteten Kostensteigerungen ausgesetzt. Wie beurteilen Sie als Bauministerin die Lage? Ina Scharrenbach: Wir haben seit Januar ein schwieriges Jahr in der Bauwirtschaft in NRW. Das hängt mit den Entscheidungen der Bundesregierung mit der KfW-Förderung zusammen. Weil es die nicht mehr gibt, gibt es aktuell mehrere Projekte, gerade im mietpreisgebundenen Segment, die nicht umgesetzt werden. Deshalb wurde dieses Jahr auf die Bremse getreten. Das ist nicht gut. Wann wird sich die Situation verbessern? Die gesamte Branche wartet aktuell auf die Entscheidung der Bundesregierung, welche Gebäudeenergie-Effizienz ab dem 1. Januar 2023 gelten soll. Unsicherheit ist der Feind von Investitionen. Deshalb fängt in diesen Zeiten keiner an zu planen. Wenn die Entscheidung da ist, werden wir im kommenden Jahr an der ein oder anderen Stelle wieder eine Entlastung erfahren. Die Auftragsbücher quellen über. Ich gehe davon aus, dass sich die Baupreise im nächsten Jahr wieder etwas nach unten bewegen werden. In diesen finanziell angespannten Zeiten will die neue Landesregierung eine Solarpflicht einführen. Ist die überhaupt umsetzbar? Wir wollen eine Solardachpflicht bewusst abgestuft einführen, da wir gerade in einer Sanierungsphase sind und sich viele Eigentümer aktuell eh mit ihren Gebäuden beschäftigen. Aber auch da gibt es momentan einen Engpass von Solarpaneelen, weil China ein großer Produzent ist. Zudem fehlen Handwerker und es braucht einen deutlich besseren Netzausbau der Stadtwerke. Deshalb werden die Maßnahmen nicht alle in den kommenden zwei Jahren zu realisieren sein. Das wird aber bis 2030 gelingen. Für wen gilt die Pflicht? Neubauten müssen ab 2025 verpflichtend Photovoltaik auf dem Dach errichten. Für den, der sein Dach umfassend sanieren will, gilt die Pflicht ab dem 1. Januar 2026. Gehen die Eigentümer den Weg der energieeffizienten Sanierungen mit? Viele private Eigentümer sind willig, ihre Häuser energetisch zu sanieren. Das merke ich immer wieder, aber das große Problem ist, dass in Bestandsimmobilien zum Beispiel aus den 70er oder 80er Jahren nicht mal so eben eine Gasheizung durch eine Wärmepumpe ausgetauscht werden kann. Da muss man an das ganze Haus ran. Viele Eigentümer sagen mir, dass sie keine Ahnung haben, wie sie das machen sollen. Ich kann das total verstehen. Wir wollen diese Menschen künftig besser unterstützen und beraten. Auch im Bereich der Mietwohnungen ist der Markt angespannt. Die SPD hatte im Wahlkampf angekündigt, jährlich 100.000 neue Wohnungen im Land zu bauen. Was ist Ihr Ziel? Die Zahl von 100.000 neuen Wohnungen pro Jahr für NRW ist völlig wahllos aus der Luft gegriffen. Wir brauchen bis 2040 im Schnitt rund 40.000 Wohnungen pro Jahr. In OWL braucht es viel mehr eine qualitative Erneuerung des Bestandes als einen tatsächlichen Neubau. Das verteilt sich im Land unterschiedlich. Wohnungsmangel haben wir nicht überall. Gerade in OWL gibt es häufig ausgeglichene Märkte mit Städten und Gemeinden, wo das Angebot höher ist als die Nachfrage. Da habe ich eine andere Aufgabenstellung als zum Beispiel in einer Studierendenstadt wie Bielefeld. Auch die Lage auf dem Energiemarkt ist angespannt. Brauchen Stadtwerke jetzt einen besonderen Schutz? Ja, insbesondere die Versorger, die nicht über die Börse handeln, sind nicht abgesichert über das, was die Bundesregierung plant. Deswegen prüfen wir gerade, für die zweite Jahreshälfte einen Schutzschirm für die Stadtwerke aufzuspannen, um dafür Sorge zu tragen, dass Stadtwerke nicht in Schieflage kommen und damit Versorgungssicherheit gefährden. Wenn ein Stadtwerk in eine Schieflage gerät, zieht das weitere nach sich. Da ist Vorsorge wichtig. Die CDU hatte im Wahlkampf angekündigt, dass die 1.000 Meter Abstandsregel von Windrädern zu Wohnhäusern bestehen bleibt. Dieses Versprechen konnten Sie nach den Verhandlungen mit den Grünen nicht einhalten. Wie groß ist deshalb der Ärger Ihrer Wählerschicht auf dem Land? Wir haben bei den großen Anlagen schon jetzt einen Abstand von 720 Metern. Und wenn Windräder künftig nur noch in bestimmten Bereichen im Land gebaut werden sollen und nirgendwo sonst, dann haben wir dadurch ja weiterhin bestimmte Mechanismen in der Hand. Wir mussten in den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen einen Kompromiss finden. Ich denke, das ist gelungen. Wie haben Sie die Verhandlungen mit den Grünen wahrgenommen? Wir haben durchaus bestimmte Streitpunkte sehr intensiv bis ins letzte Detail miteinander ausdiskutiert. Es gab durchaus einige Debatten. Aber sowohl Grüne als auch CDU konnten jeweils für sie wichtige Punkte durchsetzen. Doch wie gut eine gemeinsame Zusammenarbeit letztlich funktionieren wird, entscheidet sich vor allem in konkretem Regierungshandeln.

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