Pflicht für Solardächer: Nur eine Option für mehr Sonnenstrom

Die Nachricht sorgte am Freitag für Aufregung. Die Bundesregierung plane eine Solardachpflicht für Neubauten und Dachsanierungen – so meldete es die Bild-Zeitung. Das Blatt berief sich auf einen Regierungsentwurf für ein Klimaschutzsofortprogramm. Auch der Redaktion liegt das 30-seitige als vertraulich gekennzeichnete Papier mit dem Titel "Klimaschutz Sofortprogramm 2022 der Bundesregierung" vor. Dabei soll es sich allerdings keineswegs um einen abgestimmten Plan der Bundesregierung handeln, sondern nur um eine Ideensammlung. Es geht um die Frage, wie die nach dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts beschlossene Verschärfung der deutschen CO2-Ziele erreicht werden kann. Acht Milliarden Euro will die Bundesregierung dafür bereitstellen. Das nun öffentlich gewordene Papier listet Ideen der Ministerien für mögliche Projekte auf. Beschlossen sei davon noch nichts, erfuhr die Redaktion aus Regierungskreisen. Im Bundesfinanzministerium, das mit der Erstellung des Sofortprogramms beauftragt ist, soll am Donnerstag eine Runde der Staatssekretäre aller Bundesministerien getagt und sich darauf verständigt haben, sämtliche Ideen zunächst auf der Arbeitsebene zu prüfen, bevor die Chefs Entscheidungen treffen. Dass die Kompromissfindung schwierig wird, zeigte sich schon in der Bundespressekonferenz am Freitagmittag. "Wohnen muss bezahlbar bleiben", sagte da der Sprecher von Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU). "Es darf jetzt keine Entscheidungen geben, die letztlich zu Lasten des Wohnungsbaus gehen." Verbraucherzentrale: "Solarpflicht zunächst für öffentliche Neubauten" In der Diskussion ist, die angestrebte Gesamtkapazität für Photovoltaik im Jahr 2030 auf 150 Gigawatt zu erhöhen. Bislang sind 100 Gigawatt vorgesehen, wobei rund 55 Gigawatt bereits installiert sind – was der Leistung von etwa 45 Atomkraftwerken entspricht. Verpflichtende Bestimmungen sind bei Ausbaukonzepten seit längerer Zeit im Gespräch. Doch Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV), ist skeptisch: "Eine allgemeine Solarpflicht wäre angesichts der angespannten Auftragslage bei den Handwerksbetrieben gegenwärtig gar nicht möglich", sagte Müller. Daher plädiere der VZBV für eine Einführung der Solarpflicht, "die sich zunächst auf öffentliche und gewerbliche Neubauten beschränkt, da hier aufgrund der im Durchschnitt größeren Dachflächen das Kosten-Nutzenverhältnis positiver ausfällt". Müller macht zudem darauf aufmerksam, dass viele Bürger ohnehin schon Solarstrom aus freien Stücken erzeugen und verbrauchen wollen. Aber: "Vor einer Solarpflicht für private Häuser sollten zunächst einmal die Vorschriften für Speicher, Eigenstrom und den Mieterstrom in kleinen Mehrfamilienhäusern verbessert werden. Eine Solarpflicht für Verbraucher trägt auch das Risiko einer Verschlechterung der gegenwärtig hohen Akzeptanz in sich und sollte daher gut überlegt sein." Abschreckende Regelwerke für selbst erzeugten Strom Die derzeitigen Regelwerke gelten vielfach als abschreckend. So können zwar auch Mieter den auf dem Dach erzeugten Strom verbrauchen, die Konditionen dafür sind aber so ungünstig, dass dieses Instrument seit Jahren kaum genutzt wird. Ein wichtiger Faktor ist überdies, dass für selbst erzeugten Strom eine Art Gebühr gezahlt werden muss – es handelt sich um die Umlage, mit der die Förderung der Erneuerbaren finanziert wird. Sie macht aktuell 2,6 Cent pro Kilowattstunde aus. Zudem warnen Experten vor rechtlichen Komplikationen und ungewollten Nebenwirkungen bei einer Solarpflicht. Etwa dass bei einer generellen Regelung, nur preiswerte Minianlagen installiert werden und damit die enormen Potenziale von Dächern nicht ausgeschöpft werden. Das Umweltbundesamt, das dem Umweltministerium unterstellt ist, hat deshalb im Herbst ein Konzept mit einer Wahlmöglichkeit für Immobilien-Eigner vorgelegt. Entweder sie kümmern sich auf eigene Faust um die Solarzellen und deren Strom. Oder sie lassen die Dachfläche in ein Kataster eintragen, damit sie von Profis für den Betrieb einer PV-Anlage gepachtet werden können. So soll Transparenz zwischen Angebot und Nachfrage geschaffen und die Akzeptanz in der Bevölkerung gesteigert werden. Doch für Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Solarverbandes BSW, ist Akzeptanz derzeit gar nicht das Problem. Körnig spricht von einer sehr hohen Investitionsbereitschaft in der Bevölkerung und bei Unternehmen. Diese werde aber künstlich auf einen Bruchteil gedeckelt. "Bester Beleg dafür sind die regelmäßig um ein Vielfaches überzeichneten Auktionsvolumen für Solarparks", sagte Körnig. Um den Zubau zu erhöhen, sollten vorrangig Marktbarrieren abgebaut und mehr Solardächer Marktprämien erhalten. Körnig meint damit, staatlich verordnete Rationierungen zu lockern – also Auktionsvolumina bei großen Solarparks und den Zielkorridor eines Zubaus von nur etwa 2,5 Gigawatt jährlich bei kleinen und mittelgroßen Anlagen. Passe man diese Vorgaben "an das klimapolitisch notwendige Maß an, so wäre eine Pflicht verzichtbar. Sie bliebe dann als Ultima Ratio für den Fall, dass sich wider Erwarten nicht genug freiwillige Investoren finden lassen", so Körnig. Der BSW mahnt zur Eile – auch mit Blick auf Ersatz für die Strommengen, die wegen des Atom- und des Kohleausstiegs künftig wegfallen. Auch renommierte Wissenschaftler haben sich der BSW-Forderung angeschlossen, dass die Sonnenstrom-Kapazität in den nächsten knapp neun Jahren sogar auf 200 Gigawatt hochgeschraubt wird. Der Dachverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert, das Ausbautempo zumindest zu verdoppeln, was einem jährlichen Plus von zehn Gigawatt entsprechen würde.

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