Ein neuer Trend am Finanzmarkt verbindet Geld und Moral

Berlin. Es bewegt sich etwas im deutschen Finanzmarkt. Nein, nicht von einer Branche in die andere oder weil Aktienkurse steigen. Im Mittelpunkt stehen die Anleger selbst. Die folgen zunehmend einem Trend: Sie wollen nachhaltig investieren, wollen wissen, was mit ihrem Geld geschieht und laufen nicht nur Renditeversprechen nach. Der Berliner Wirtschaftsjournalist Wolfgang Mulke ist diesem Trend nachgegangen. &bdquo;Geld regiert die Welt, also kann es die Welt auch ändern, wenn es richtig eingesetzt wird", erklärt er und greift damit die Motivation von immer mehr Anlegern auf. &bdquo;Der Informationsbedarf ist riesig, selbst bei Bankberatern", sagt Mulke. Bahnt sich eine Revolution der Anleger an? &bdquo;Eine Revolution ist es nicht, aber ein Kulturwandel in der Geldanlage", sagt der studierte Politologe. Was aber bedeutet diese Kultur der Nachhaltigkeit? &bdquo;Der größte Schwerpunkt ist der Klimaschutz." Die Menschen wollen in umweltfreundliche Firmen investieren, in ressourcenschonende Unternehmen, in Zukunftstechnologie. Das geht mit dem symbolischen Solarpark los, kann aber auch in traditionellen Branchen eine Rolle spielen. Etwa beim Stromverbrauch von Maschinen. &bdquo;In manchen Konzernen sind inzwischen die Vorstandsgehälter an Energieeffizienz gekoppelt, das erzeugt Nachhaltigkeit", erklärt Mulke. &bdquo;Unternehmen können nicht ignorieren, wenn sich das Kapital woanders hin bewegt." Allein der Klimaschutz ist es nicht, der die Investoren bewegt. Es geht auch um Ethik, um Soziales, um Verantwortung. Beispiel Menschenrechte: &bdquo;Viele wollen heute wissen, ob bei der Herstellung eines Produkts die Menschenrechte eingehalten werden. Denken wir an den Blick auf die Lieferketten", sagt Mulke. Auch Rüstungsgüter seien eher nicht gefragt. Viele wollten das alte System des Geldverdienens um jeden Preis nicht mehr mitmachen. Was aber kümmert das die Konzernchefs? &bdquo;Unternehmen und Wirtschaft können nicht ignorieren, wenn sich das Kapital woanders hin bewegt." Noch steht der Trend am Anfang, macht im gesamten Finanzmarkt nur einen einstelligen Prozentbereich aus. Aber die Wachstumsrate ist zweistellig, manche sprechen von einem Boom. 269 Milliarden Euro waren in Deutschland 2019 in nachhaltigen Geldanlagen angelegt. Heute sind es noch mehr. Der Boom dürfte nur anhalten, wenn die Anleger auch Rendite erzielen, und genau das zeichnet sich ab. &bdquo;Mit Nachhaltigkeit lässt sich längst gutes Geld verdienen." Statistiken zeigen für die letzten Jahre, dass sich nachhaltige Fonds besser entwickeln als herkömmliche Aktien. Vielleicht, so mutmaßt Mulke, habe das damit zu tun, dass für Nachhaltigkeit oft Spitzentechnologie gefragt ist und die &bdquo;generell eine Zukunftsfähigkeit von Unternehmen verspricht". Im Prinzip geht es bei den Investitionen auch um eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. &bdquo;Nachhaltige Geldanlagen unterstützen Unternehmen wiederum beim Bemühen um noch mehr Nachhaltigkeit." Wie aber erfährt ein Anleger, ob ein Unternehmen nachhaltig arbeitet? Zunächst hilft der Blick in dessen Nachhaltigkeitsbericht. Die Angaben dort stammen natürlich vom Unternehmen selbst. Aber sie sind ein Anfang. Die entsprechenden Fonds wiederum wählen erst nach eingehender Prüfung aus, wo sie investieren. Einige Ratingagenturen sind inzwischen darauf spezialisiert. Auch die Stiftung Warentest hilft. Sie hat einen Nachhaltigkeitsscore entwickelt. Ganz ausschließen lässt sich Greenwashing der Firmen nicht, aber man kann das Risiko deutlich minimieren. "Auf einem Drittel der Strecken fahren immer noch Dieselloks" Eine Einschränkung allerdings gibt es: Viele der Alternativtechnologien und -ressourcen haben Kehrseiten. Für E-Autos braucht es seltene Erden, Holz als Baustoff-Alternative kostet Bäume, Windräder haben Folgen für ihre Umgebung. &bdquo;Perfekt nachhaltig - das gibt es wohl nicht", sagt Mulke. Oft sei der Weg das Ziel. &bdquo;Denken wir an die Deutsche Bahn: Auf einem Drittel der Strecken fahren immer noch Dieselloks, weil das Netz nicht elektrifiziert ist." Doch der Konzern bemühe sich, diesen Anteil zu verringern und werbe mit einem besonders grünen Image. Der Kulturwandel am Finanzmarkt ist auch bei den Giganten angekommen, etwa bei der Investmentgesellschaft Blackrock - mit 9 Billionen US-Dollar verwaltetem Vermögen weltgrößter Player. Vorstandschef Larry Fink hat an Unternehmen geschrieben, um ihnen klar zu machen, wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit heute ist. &bdquo;Umweltskandale wiederum können einen gewaltigen Imageschaden bedeuten", sagt Wolfgang Mulke. Er erinnert an die schwimmende Ölplattform &bdquo;Brent Spar", die der Shellkonzern in den 90er Jahren im Meer versenken wollte. &bdquo;Das wurde zu einem öffentlichen Skandal, der dem Ansehen des Konzerns schadete." Ein schlechtes Image wirkt sich auf Investments aus. Wolfgang Mulke (60) hat dem neuen Trend sein Buch &bdquo;Nachhaltig Geld anlegen" gewidmet, das in Zusammenarbeit mit der Stiftung Warentest entstanden ist. Das Buch kostet 19,90. ISBN: 978-3-7471-0340-1.

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